Immer mehr geflüchtete ukrainische Kinder werden in den nächsten Monaten am Unterricht in Würzburger Schulen teilnehmen. An der Gustav-Walle-Mittelschule an der Lindleinsmühle hat man schon Erfahrung damit, wie Schulleiter Matthias Schranner berichtet. Fünf Schüler und Schülerinnen besuchen derzeit den Unterricht in unterschiedlichen Klassen. Kinder, die schwierige Tage hinter sich haben und hoffen, hier ein wenig Normalität zu erleben.
Darunter sind auch die Drillinge Amelia, Yesenia und Elizir. Sie sind 14 Jahre alt und besuchen die Klasse M7. Als sie beginnen zu erzählen, kommen alle mal zu Wort. Sie sind mit ihrer Mutter und dem Vater – ab einer Anzahl von drei Kindern darf auch der Vater die Ukraine verlassen – schon seit einigen Wochen in Würzburg, geflohen aus Odessa, der Hafenstadt am Schwarzen Meer im Süden der Ukraine.
Angst vor den Bombenangriffen in Odessa
Sie erzählen von den Bomben, die in ihrer Heimatstadt fielen und von der großen Angst, die sie hatten. In den Rucksäcken, die für die Flucht gepackt wurden, wurde nur das Allerwichtigste verstaut: Medizinische Utensilien, Wasser zum Trinken und Essen für die Reise. Als persönliche Gegenstände seien nur das Handy und ein Laptop eingepackt worden – "sonst gab es keinen Platz", erzählt Elizir mithilfe eines Übersetzers. Es sei viel geweint worden.
Über die polnische Grenze kamen sie nach Deutschland. In Würzburg – da sind sich die Drillinge einig, "sind wir gut aufgenommen worden". Deutsch zu lernen sei zwar nicht einfach, aber es gehe voran, sagt Amelia. Gewohnt wird derzeit noch im Würzburger Hotel Lindleinsmühle. Dort nämlich hatte Inhaberin und Stadträtin Anette Hollerbach (CSU) einige ihrer Zimmer für geflüchtete Menschen bereitgestellt.
Online-Unterricht mit der ukrainischen Lehrerin
Auch die 16-jährige Anastasia gehört zu den ukrainischen Kindern, die derzeit die Gustav-Walle-Schule besuchen. Und zwar die zehnte Klasse. Sie habe schon in der Ukraine ein bisschen Deutsch gelernt, berichtet sie. Zudem, lobt Schulleiter Schranner, spreche sie sehr gut Englisch, "so, dass sie im Unterricht gut mitkommt". Der Kontakt nach Würzburg, sagt Anastasia, sei durch eine Freundin ihrer Mutter gekommen, die auch Ukrainerin ist. Deshalb sei sie nun hier.
Nie werde sie den Moment vergessen, als sie mit ihrem Papa in den Bergen im Urlaub war und der Anruf der Mutter kam: "Es ist Krieg." Sie seien sofort nach Hause gefahren, "mein Vater hat meine Schwester, meine Mutter und mich dann mit dem Auto an die Grenze zur Slowakei gebracht". Da er nicht mit einreisen durfte, "sind wir zu Fuß über die Grenze gelaufen".
Neben dem Unterricht an der Gustav-Walle-Schule nimmt die 16-Jährige auch am Online-Unterricht ihrer ehemaligen Lehrerin in der Ukraine teil. Diese befindet sich momentan in Warschau und hält den Kontakt zu den Jugendlichen. Die Hoffnung: Eventuell könnten Schüler und Schülerinnen (Anmerk.d.Red.: Es gibt von der Politik dazu noch keine abschließende Lösung) so auch einen ukrainischen Schulabschluss machen.
Willkommen an der Gustav-Walle-Schule
Um die ukrainischen Kinder willkommen zu heißen, hat sich die Gustav-Walle-Schule einiges einfallen lassen. So begrüßt schon im Eingangsbereich ein großes Plakat mit dem Wort "Frieden" – bunt gestaltet und mit Friedenstauben bemalt – Besucherinnen und Besucher der Schule. Auch mehrere Aktionen, um Hilfen für die Ukraine zu unterstützen, haben die Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler initiiert.
Wie die Vertrauenslehrerin der Schule, Sabine Celic, berichtet, gab es einen Spendenlauf der 8a, die 10b habe für den guten Zweck Waffeln gebacken und verkauft. "Diese Woche haben wir einen Kuchenverkauf zugunsten der Ukraine am Laufen." Und: Die Schüler und Schülerinnen hatten die Idee, für ukrainische Kinder, die in der Pleichachtalhalle untergekommen sind, eine Art Begegnungstag auf dem Aktiv-Spielplatz an der Lindleinsmühle zu gestalten. Da laufen gerade die Planungen.
Celic ist auch die Klassenlehrerin von Anastasia. Die Mitschüler, erzählt sie, kümmerten sich rührend um das Mädchen. Herausforderung für sie als Lehrerin sei, die Jugendliche nicht zu über-, aber auch nicht zu unterfordern, "sondern die Balance zu halten". So werde die Schülerin durch einen Mentor aus der Klasse unterstützt, auch eine Übersetzungs-App sei in Benutzung. Bei einem kurzen Einblick in den Unterricht der M7 wird deutlich, wie hilfreich auch hier geborene Kinder mit ukrainischen Wurzeln sind, die nun eine Übersetzerrolle einnehmen können. "Das hilft enorm", sagt Klassenlehrer Andreas Neuner, während er die drei Grundseiten eines Dreiecks erklärt.
Schüler Denis, der beim Übersetzen hilft, sagt: "Ich bin froh, dass die Jugendlichen jetzt in einem Land sind, wo kein Krieg herrscht." Ein Stück Normalität – das will auch Neuner den Kindern nach ihren traumatischen Erfahrungen mit dem Krieg ermöglichen. Über das vor Ort Erlebte habe man nicht gesprochen, "wohl aber über die Städte, aus denen die Kinder stammen, und manchmal erzählen sie auch, wie es beispielsweise in ihrer Heimat aussieht".
Dass Kinder einzeln in Klassen integriert werden, wird es so in der nächsten Zeit nicht mehr geben, erklärt Würzburgs Schulbürgermeisterin Judith Jörg, die bei dem Presse-Termin an der Gustav-Walle-Schule dabei ist. Was nun anstehe "und auch schon begonnen hat", ist der Aufbau von so genannten Pädagogischen Willkommensgruppen.
Ab sofort: Start der Pädagogischen Willkommensklassen
Diese werden vom Schulamt mit je zehn bis 12 Kindern gebildet und dann reihum schulartunabhängig zugeteilt, "also an jeder Grundschule, jedem Gymnasium, jeder Real- oder Mittelschule wird es eine Gruppe geben". Hier werden ukrainische Kinder zentral von einer Lehrkraft unterrichtet, "zumindest bis zu den Pfingstferien". Danach, so der momentane Stand der Planungen, sollen die Kinder je nach Alter und Leistungsstand in bestehende Klassen integriert werden. In Würzburg sind derzeit etwa zwischen 150 bis 200 schulpflichtige Kinder registriert.
Als "große Herausforderung" betitelt Jörg die Beschulung der Kinder, die nach drei Monaten des Aufenthalts in Deutschland zur Pflicht wird. Augenmerk müsse aber in puncto Schule und Jugend auch auf weitere Dinge gelegt werden. So ist Bürgermeisterin Jörg der interkulturelle Dialog ein Herzensanliegen, insbesondere zwischen den schon "bei uns lebenden russisch-stämmigen Kindern und Jugendlichen und den aus der Ukraine geflüchteten Kindern".
Der Schulleiter der Gustav-Walle-Schule jedenfalls ist positiv gestimmt, was die Integration der ukrainischen Kinder an seiner Schule angeht. "Fast symbolhaft ist ja, dass die Farben unserer Schule Gelb und Blau sind", sagt er und spielt dabei auf die ukrainische Flagge an.