Gut ein Jahr, nachdem diese Redaktion über eine Durchsuchung bei einer Entsorgungsfirma aus der Region Würzburg berichtet hat, sind die Ermittlungen abgeschlossen. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Würzburg soll die Firma bei Retzstadt im Landkreis Main-Spessart 15.942 Tonnen Abfälle ohne Genehmigung gelagert und somit Entsorgungskosten von mindestens 252.732 Euro gespart haben.
Dem widerspricht auf Anfrage ein Anwalt des Unternehmens: Bei den Materialien handele es sich nicht um Abfälle, die Firma verfüge zudem über erforderliche Genehmigungen. Geklärt werden soll die Angelegenheit nun vor dem Amtsgericht Würzburg.
Recherchen zufolge, hatte das Landratsamt Main-Spessart die Firma im Frühjahr 2022 nach einer Kontrolle bei der Wasserschutzpolizei angezeigt und angeordnet, die Anlage bei Retzstadt stillzulegen. Einem anschließend vereinbarten Entsorgungskonzept kam die Firma laut Staatsanwaltschaft "nur in geringem Umfang" nach. Im Dezember 2022 hatte daher die Wasserschutzpolizei das Gelände durchsucht. Man ermittle "wegen des Verdachts des unerlaubten Betreibens von Anlagen", teilte die Staatsanwaltschaft damals mit.
Staatsanwaltschaft Würzburg: Firma hat mehr als 252.000 Euro gespart
Laut Immissionsschutzgesetz bedarf der Betrieb von Anlagen, die "geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen" sowie von "ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen" einer Genehmigung. Darunter können auch Anlagen fallen, bei denen es – wie in diesem Fall in Retzstadt - um Steine, Erden, Keramik und Baustoffe geht. Die erforderliche Genehmigung hatte die Firma nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht.
Mehr als 3174 Tonnen Ziegelschutt, 5664 Tonnen Betongemisch und 6223 Tonnen Boden und Steine sollen laut Anklage auf dem Deponiegelände bei Retzstadt gelagert worden sein. Die Entsorgung dieses Materials, die das Landratsamt Main-Spessart angeordnet hatte, hätte laut Staatsanwaltschaft mindestens 252.732 Euro gekostet. Diese Kosten habe sich die Firma gespart - und die Entsorgung unterlassen. Der Betrag solle eingezogen werden, die zwei Geschäftsführer des Familienunternehmens sollen sich wegen des Vorwurfs des unerlaubten Betreibens von Anlagen verantworten.
Entsorgungsfirma stellt Begriff "Deponie" infrage
Dagegen wehrt sich die Entsorgungsfirma. Auf Anfrage der Redaktion antwortet die auf Wirtschafts- und Umweltrecht spezialisierten Würzburger Kanzlei Jäger und stellt den von der Staatsanwaltschaft verwendeten "Deponie"-Begriff infrage.
"Es handelt sich zunächst einmal um keine Deponie bei der Betriebsfläche unserer Mandantschaft in Retzstadt", schreibt die Kanzlei und teilt mit: "Unsere Mandantschaft verfügt hinsichtlich dieser Betriebsfläche über mehrere baurechtliche und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, die ihr das Behandeln und Lagern von Abfallen erlauben."
Die Genehmigungspflicht hänge davon ab, "ob die Stoffe überhaupt als Abfall zu betrachten sind", so Rechtsanwalt Stephan Jäger. Die Materialien in Retzstadt seien aber keine Abfälle gewesen: "Sie sind wertvolle Recyclingstoffe, die zwischenzeitlich vollständig in verschiedenen Bauprojekten als Baustoffsubstitute wieder eingesetzt wurden." In einem ähnlichen Fall habe die Firma "hinsichtlich der Beurteilung der gehandhabten Stoffe als Abfälle oder Produkt bereits einen Freispruch erzielt".
Verwaltungsgerichtshof: Hochwertige Stoffe können Abfall sein
Doch diese Argumentation will die Staatsanwaltschaft Würzburg nicht gelten lassen. In ihrer Anklage bezieht sie sich auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, in dem es heißt: "Die Qualität des Materials und dessen Verwertbarkeit stehen der Qualifikation als Abfall nicht entgegen; maßgeblich ist allein die Entledigung, der Entledigungswille oder die Entledigungspflicht."
In ihrer Anklageschrift interpretiert die Staatsanwaltschaft das sinngemäß wie folgt: Ob gelagerter Bauschutt und ähnliche Materialien als genehmigungspflichtiger Abfall zählen, hängt vom erteilten Auftrag und nicht von Weiterverwertungsinteressen des Entsorgungsunternehmen ab.
Firma klagt am Verwaltungsgericht Würzburg gegen Betriebsverbot
Handelt es sich bei dem durchsuchten Grundstück nun um eine illegale Deponiefläche? Oder um eine Betriebsfläche, für die die notwendigen Genehmigungen vorliegen? Die Klärung dauert an, die Verhandlung wurde laut Amtsgericht aus "dienstlichen Gründen" verschoben.
Erste Aufklärung bringt möglicherweise ein Verfahren am Würzburger Verwaltungsgericht: Am kommenden Dienstag soll dort laut Auskunft des Gerichts geklärt werden, ob die angeordnete Stilllegung der Betriebsfläche in Retzstadt rechtmäßig war. Das Entsorgungsunternehmen klagt gegen den Bescheid des Landratsamts Main-Spessart.
Hinweis der Redaktion: Im ursprünglichen Artikel war teilweise fälschlicherweise von Retzbach anstelle des richtigen Ortes Retzstadt die Rede. Wir haben das korrigiert.
Wo ist denn jetzt diese ominöse Deponie? "bei Retzstadt", "bei Retzbach", "in Retzbach" oder doch "in Retzstadt"?
Ich weiß, dass die beiden Orte ähnlich klingen und auch nebeneinander liegen, aber bitte im Artikel auf einen Standort einigen.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Autor)