
Morgens um 7 Uhr, Kseniia Shcherbinskaia und ihre drei Kinder frühstücken gerade. "Ich hoffe, dass unsere Kindergartenbegleiterin heute nicht absagt", sagt die alleinerziehende Mutter mit besorgtem Blick. Denn nur mit Begleitung kann sie ihren Sohn in den Kindergarten bringen. "Und nur dann kann ich zur Arbeit oder in die Berufsschule gehen."
Der fünfjährige Alan hat eine Sprachentwicklungsstörung. "Er war im Kindergarten auffällig", sagt Kseniia Shcherbinskaia. Ein Kindergartenplatz sei ihr bereits gekündigt worden.
Die 37-Jährige stammt aus Kirgistan, dem zweitärmsten Land in Zentralasien. Mit 25 Jahren kam sie nach Deutschland. Ihr damaliger Mann, Spätmigrant aus Russland, hatte in Würzburg Arbeit gefunden. "Dann kam mein erster Sohn auf die Welt und ich lernte erst einmal Deutsch", erzählt Kseniia Shcherbinskaia. Nach einem Jahr sei sie wieder schwanger geworden, ihr zweiter Sohn kam auf die Welt.
Entwicklungsauffälligkeit beim zweiten Sohn Emil
"Emil entwickelte sich anders als sein Bruder", berichtet die Alleinerziehende. Eine Odyssee von Arztbesuchen begann, bis die Mutter ihren Zweitgeborenen im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) der Unikinderklinik Würzburg vorstellt. Das SPZ ist spezialisiert auf die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsauffälligkeiten, chronischen Krankheiten und Behinderungen. Emil hat eine Autismus-Spektrum-Störung. Sie äußert sich durch ein vermindertes Interesse an sozialen Kontakten und sprachlichen Einschränkungen.
"Emil ist zu 80 Prozent schwerbehindert", sagt Kseniia Shcherbinskaia. Mittlerweile bekomme er Medikamente und besuche ein sonderpädagogisches Förderzentrum.
Mit ihrem Mann sei zu dieser Zeit nicht alles rund gelaufen. "Wir hatten Probleme, deshalb habe ich mich 2018 von ihm getrennt", berichtet die 37-Jährige. "Doch da wusste ich noch nicht, dass ich noch einmal schwanger war." Dann fügt die Alleinerziehende einen Satz an, dem sie im Gespräch ein paar Mal wiederholt wie ein Mantra: "Aber ich schaffe das."
Zahl der Alleinerziehenden steigt - doch viele Hilfen sind gar nicht bekannt
In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt 1,7 Millionen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern – das ist jede fünfte Familie. Für Unterfranken weist der Mikrozensus 43.000 Alleinerziehende im Jahr 2023 aus. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren leicht angestiegen – auch aufgrund des Zuzugs von ukrainischen Geflüchteten und ihrer Kinder.

Viele Alleinerziehende fühlen sich nicht gesehen und im Stich gelassen. Und für Migrantinnen ist der bürokratische Kraftakt oft noch schwerer zu bewältigen. "Frauen, vor allem Alleinerziehende, sind in Deutschland am stärksten von Armut betroffen", sagt auch Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Diese Armut "ist kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem".
Denn viele Alleinerziehende wie Kseniia Shcherbinskaia würden zwar gerne arbeiten. Doch ohne eine gute Betreuung der Kinder ist das kaum möglich. Der Vater ihrer drei Kinder habe zwar Arbeit, komme aber seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach, sagt die 37-Jährige. "Ich bekomme einen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt."
Laut einer aktuellen Erhebung der Bertelsmann Stiftung gelten 40 Prozent der alleinerziehenden Mütter als einkommensarm. Zwar gibt es viele Leistungen für Alleinerziehende, doch viele wissen offenbar davon nichts. Einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge werden 85 Prozent der staatlichen Zuschüsse für Alleinerziehende und ihre Kinder nicht abgerufen.
Ausbildung zur Steuerfachangestellten in einer Würzburger Kanzlei begonnen
Kseniia Shcherbinskaia absolviert seit 2023 in Würzburg eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, in Teilzeit. "Meine Arbeit ist für mich wie eine kleine Familie", erzählt sie mit einem Lächeln. Sie war ohne Ausbildung nach Würzburg gekommen und hatte bislang mit ihren drei Kindern keine Gelegenheit, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Ihr aktuelles Ausbildungsgehalt wird vom Jobcenter aufgestockt.

Die Kanzlei, in der sie tätig ist, betreue viele russische Klientinnen und Klienten, sagt Kseniia Shcherbinskaia. Weil sie fließend Russisch spricht, mache ihr die Arbeit doppelt Spaß. Allerdings brauche sie eine verlässlichere Betreuung für den kleinen Alan. Sobald die Integrationskraft krank ist, kann der Fünfjährige nicht in den Kindergarten, sagt die Mutter: "Für ihn ist das sehr schwierig. Er geht sehr gern und versteht gar nicht, wenn er nicht kommen darf."
Kitas unter Druck und am Limit: Kinder werden suspendiert
Doch angesichts des Personalmangels stehen auch in Unterfranken viele Kitas stark unter Druck und kommen an ihre Grenzen. Dass Kinder deshalb vom Kindergarten zeitweise suspendiert werden oder ihren Platz ganz verlieren, kommt immer wieder vor. Dabei bräuchten diese Kinder eher mehr Betreuung als weniger. "Manche Kitas haben nicht die Ressourcen, ein Kind oder eine Familie so zu begleiten, wie es nötig wäre. Es ist oft Not an allen Ecken und Enden", sagt Petra Wurzbacher, systemische Familientherapeutin beim Sozialdienst katholischer Frauen in Würzburg.
Auch die Bertelsmann Stiftung weist auf die Rahmenbedingungen hin, die vor allem Alleinerziehende benötigten: "Dazu gehört eine verlässliche Infrastruktur, die eine gesicherte und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung bietet. Zusätzlich brauchen sie flexible und kostenlose Betreuungsangebote zu Randzeiten." Vertrauensvolle Anlaufstellen, die im Alltag unterstützen, beraten und Alleinerziehende vernetzen, seien ebenfalls wichtig.
Für Kseniia Shcherbinskaia heißt der Alltag: drei Kinder, Ausbildung, viele Termine. Ihre kleinen Söhne sind bei der Ergotherapie und bei der Logopädie, dreimal im Jahr muss die 37-Jährige mit Emil zur Nachkontrolle. "Mein ältester Sohn ist jetzt zwölf und hilft viel mit", sagt die Alleinerziehende. Trotz der Herausforderungen, die sie täglich bewältigen muss, bewahrt sie ihren Optimismus. "Es sind die kleinen Fortschritte, die zählen."
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einer vorließt auf beiden Ohren taub!