Ein kleiner Junge hat Schwierigkeiten, sich in die Kindergruppe zu integrieren. In manchen Situationen verliert er die Kontrolle und verhält sich aggressiv. Ein Mädchen schlägt andere Kinder, kratzt und beißt. Bei seinen Wutanfällen hat es schon Möbel umgestoßen und Geschirr auf den Boden geworfen. Was tun?
Der Redaktion ist aktuell ein Fall aus Unterfranken bekannt, bei dem ein Kind wegen seines Verhaltens vom Kindergarten suspendiert wurde. In einem anderen Fall wurde der Familie der Kita-Platz für ihr Kind ganz gekündigt.
Kommt so etwas häufiger vor? Wann dürfen Kinder vom Kindergarten suspendiert werden? Und wann können Eltern eine Integrationskraft beantragen? Zwei Expertinnen für Kitas in Unterfranken und der Sprecher des Bezirks geben Auskunft.
Kann der Kindergarten Kinder suspendieren?
Grundsätzlich können Kinder ihren Kindergartenplatz verlieren oder vorübergehend suspendiert werden, sagt Cornelia Staab, Bereichsleiterin für Kinder, Jugend und Familie für die Kitas der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Unterfranken. Allerdings komme dies selten vor. Und es sei nie ein Mittel der Strafe, sondern erfolge ausschließlich zum Schutz des Kindes, anderer Kinder und des Personals.
Vorher muss viel passiert sein, sagt Staab. Viele Elterngespräche, Elternbegleitung und eine Fachberatung gingen einer Kündigung oder Suspendierung voraus: "Sobald wir feststellen, dass ein Kind selbst- oder fremdgefährlich ist, kann ein solches Verfahren eingeleitet werden."
Dabei sei "ein enger Kontakt zu den Eltern ist sehr wichtig", sagt die Bereichsleiterin. In den 14 AWO-Kindergärten in Unterfranken habe es in den vergangenen zehn Jahren etwa fünf Fälle gegeben, in denen ein Kind suspendiert wurde. "Häufig sind es Kinder mit traumatischen Erlebnissen oder Fluchterfahrung", erklärt Staab.
Spielt die Situation im Elternhaus eine Rolle für die Entscheidung?
Ob ein Kind die Kita verlassen muss - diese Entscheidung "wird immer vor Ort unter Begleitung und Beratung durch den Träger getroffen", sagt AWO-Bereichsleiterin Cornelia Staab. Es sei immer ein Abwägen von verschiedenen Bedürfnissen. In manchen Fällen könne die akute Gefährdung schwerer wiegen als das Schicksal der Familie.
Was bedeutet eine Kita-Kündigung für die betroffenen Eltern?
Manche Eltern fühlten sich zunächst persönlich angegriffen, wenn das eigene Kind beurlaubt wird, sagt Christiane Leclaire vom Evangelischen Kita-Verband Bayern. Auch wenn dies verständlich sei: "Es ist wichtig, dass die Eltern gut mit dem Kindergarten kooperieren und in alle Hilfsangebote mit einbezogen werden", betont Leclaire, die die Träger von 130 Einrichtungen in den Dekanaten Würzburg, Bad Neustadt/Saale, Aschaffenburg, Schweinfurt, Kitzingen und Lohr berät. "In solchen Fällen gilt es, mit den Pädagogen Lösungen zu finden, die dem Kind helfen."
Es gebe Hilfsangebote wie Inklusionsbegleitung, Therapien oder Einzelberatungen. Für manche Kinder sei auch die Tagespflege eine geeignete Lösung, sagt Leclaire. Eine Kündigung sei immer "das letzte Mittel der Wahl" und sollte nie unangekündigt und unbegleitet erfolgen. In einigen Fällen würden die Eltern die Zusammenarbeit verweigern, erklärt die Fachberaterin.
Was können Gründe für ein aggressives Verhalten sein?
"Manchmal liegt es daran, dass ein Kind mit Übergangssituationen im Kita-Alltag überfordert ist", sagt Christiane Leclaire. "Daher ist immer sinnvoll, dass auch die Kita ihre Abläufe prüft." Vielleicht sei das betreffende Kind in der Gruppe überfordert, vielleicht könne es sich noch nicht gut von anderen abgrenzen oder hat Probleme, aufmerksam zu bleiben.
Viele Kinder benötigten mehr Zeit, eine engere Begleitung und andere Strukturen, um die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln, sich in der Gruppe wohlzufühlen und teilhaben zu können. "Dazu muss man das Kind gut im Kita-Alltag begleiten beim Spielen, Essen und in den Übergängen im Tagesablauf", sagt die Expertin vom Evangelischen Kita-Verband Bayern. Es sei deshalb ratsam, Frühförder- und Beratungsstellen, Jugendämter oder das Frühdiagnose-Zentrum der Uniklinik Würzburg mit einzubeziehen.
Wann erhalten Kinder eine Individualbegleitung?
Ob ein Anspruch auf eine Integrationskraft besteht, wird anhand von Unterlagen und Diagnosen vom Kinderarzt oder einem Kinder- und Jugendpsychologen festgestellt. Zusätzlich muss die Kindertageseinrichtung für einen Antrag für Individualbegleitung einen detaillierten Bericht über das Kind erstellen, der auch geplante Maßnahmen und Ziele aufführt.
"Voraussetzung ist, dass eine geistige, körperliche oder seelische Behinderung vorliegt oder das Kind von einer solchen Behinderung bedroht ist und dadurch wesentlich in seiner Teilhabe an der Gesellschaft beeinträchtigt ist", erklärt Florian Hiller, Sprecher beim zuständigen Bezirk Unterfranken. Die Hilfe könne nur bewilligt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Auf der Homepage des Bezirks Unterfranken gibt es das entsprechende Formblatt zum Herunterladen (www.bezirk-unterfranken.de /Download-Soziales).
Droht die Kündigung schon, wenn das Kind andere beißt?
"Beißen im Kleinkindalter gehört in den meisten Fällen zur kindlichen Entwicklung dazu" und mache für sich gesehen erst einmal keine Maßnahme der Einzelintegration notwendig, erklärt Bezirkssprecher Florian Hiller. Je nach Ausmaß und Intensität könnte das Beißen im Einzelfall jedoch auf eine Störung des sozial-emotionalen Verhaltens hinweisen. Dies müsse fachärztlich diagnostiziert werden.
Was passiert mit Kindern, die in einer Kita gekündigt wurden?
Problematisch ist der Fachkräftemangel. "Die personelle Decke ist derzeit sehr ausgedünnt", sagt Beraterin Christiane Leclaire. Ohne Fachpersonal könne auch keine Förderung der Kinder stattfinden. Und: "Es gibt nahezu keine Plätze für Kinder mit besonderen Bedarfen", sagt Cornelia Staab. Eltern haben dann oft nur die Wahl: kein Platz für ihr Kind - oder ein Platz, der dem Kind nicht gerecht wird. "Hier braucht es zukunftsfähige, bedarfsorientierte Angebote: naturnahe Einrichtungen, kleinere Gruppen, andere Schlüssel und multiprofessionelle Kooperation."
Tipp für Eltern, Großeltern, Familien: Der Newsletter "Familien-Post" der Main-Post kommt zweimal im Monat, immer donnerstags, per E-Mail ins Postfach – gefüllt mit aktuellen Infos und Berichten für Familien mit Kindern in Unterfranken. Mehr unter www.mainpost.de/familie
Was dabei heraus kommt, kann man trefflich in diesem Artikel lesen.
Die anderen sollen die eigene Unfähigkeit richten und die Allgemeineheit darf das auch noch bezahlen.
Für so vieles wird ein Führerschein gefordert. Für die Kindererziehung gibts nur Freifahrtscheine.