Diesen Tag wird das Ehepaar Klafke aus Estenfeld so schnell nicht vergessen. Am liebsten würden sie die Geschehnisse aus ihrem Gedächtnis löschen. Mit dem 26. Januar verbinden die beiden ab sofort Angst, Erschrecken und vor allem Sorge um ihren Sohn. Es ist ein Dienstag, als am frühen Abend das Festnetztelefon der Klafkes klingelt. "Anruf von Extern" steht auf dem Display geschrieben. "Was danach folgte, war Horror pur", schildert Gertrud Klafke die Situation.
Adalbert und Gertrud Klafke sind im Estenfelder Seniorenbeirat. Beide haben schon oft von Enkeltrickbetrügern gehört. Und sprechen mit den anderen Mitgliedern regelmäßig darüber, um sie zu sensibilisieren. "Wann immer ich davon lese, male ich mir aus, wie cool ich reagieren würde...", sagt Klafke. "....Denkste! Diese Anrufer versetzen einen so sehr in Panik, dass irgendwelche tief verankerten Gefühle hervorgerufen werden, die dann jedes weitere Denken leiten."
Adalbert Klafke nimmt am besagten Tag den Hörer ab und hört eine männliche Stimme bitterlich weinen. "Papa, ich habe gerade jemanden tot gefahren!", schluchzt ein Mann am anderen Ende der Leitung. Das entsetzte "Nein" von ihrem Ehemann lässt das Herz von Gertrud Klafke sofort rasen. "Ich dachte, dass uns gerade jemand mitteilen will, dass unser Sohn oder Enkel verunglückt ist", erzählt sie. "Das war furchtbar und hat jedes rationale Denken beeinträchtigt." Der Anrufer stammelt, dass er den Hörer nun weiter an einen Polizisten geben wird. Dieser, von der Stimme her seriös wirkende Mann, erzählt die 70-Jährige, teilt dem Ehepaar mit, dass der Sohn über eine rote Ampel gefahren sei und dabei eine 32-jährige Frau und Mutter getötet habe. Er käme jetzt in Untersuchungshaft, die wohl mindestens drei Monate dauern würde. Außerdem warte auf den Sohn eine längere Haftstrafe.
Adalbert Klafke wird skeptisch
"Ich war schockiert und außer mir", erinnert sie sich im Gespräch mit dieser Redaktion. Ihre Stimme klingt dabei brüchig. Zu sehr belasten sie die Ereignisse vom Januar noch zwei Wochen später. Auf die Frage, ob das Ehepaar ins Präsidium kommen könne, reagiert der Anrufer nicht. Dies macht Adalbert Klafke zum ersten Mal während des Gesprächs skeptisch. Er kommt auf die Idee, nach dem Unfallfahrzeug zu fragen. "Ein weißer Ford Fiesta, ein Firmenfahrzeug", antwortet der angebliche Polizist.
Tiefes Durchatmen. "Wir kennen niemanden, der so ein Auto fährt", beschreibt Gertrud Klafke die Situation. "Ich dachte sofort, dass sich der Anrufer verwählt hat." Dass es sich hierbei um einen versuchten Trickbetrug handeln könnte, kam ihr noch gar nicht in den Sinn. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann: "Ich hoffe, es stört sie nicht, dass ich das weitere Gespräch aufnehme", sagt der 71-Jährige ruhig zu dem angeblichen Polizisten am anderen Hörer. Sofort legt dieser auf. Das einzige, was das Ehepaar nun hört, sind in regelmäßigen Abständen kommende Pieptöne.
"Wir riefen sofort unseren Sohn an", erzählt Klafke weiter. Der, wie sich dann herausstellt, zum Glück froh und munter Zuhause bei seiner Familie war. Er war es auch, der seinen Eltern riet, bei der Polizei anzurufen. Auf die Frage, worauf ein weiteres Gespräch wohl hinausgelaufen wäre, sei die Vermutung der Polizei gewesen, dass das Ehepaar bei Zahlung einer Kaution den Sohn hätten "freikaufen" können.
2019: Knapp 1,2 Millionen Euro durch Callcenterbetrug erbeutet
"Zweifelsohne ist das Handeln der Täter als skrupellos zu bezeichnen", sagt Philipp Hümmer, Pressesprecher der Polizei Unterfranken auf Anfrage dieser Redaktion. "Sie spielen bewusst mit den Ängsten insbesondere älterer Menschen, täuschen sie und stürzen sie zum Teil in erhebliche Existenznot."
Die Täter suchen zunächst im Telefonbuch nach Nummern von Personen mit älter klingenden Namen, beschreibt er das Vorgehen. Zur Verstärkung der Täuschung bedienen sich die Täter auch technischer Hilfsmittel, wie des sogenannten Call-ID-Spoofing. Dabei gehe es darum, dass die Täter durch technische Manipulation bestimmen, welche Telefonnummer beim Angerufenen auf dem Display angezeigt wird. Wenn sie sich beispielsweise als Polizeibeamte ausgeben, erscheine in der Regel die 110 auf dem Display. Doch: "Wenn die 110 angezeigt wird, kann nicht die echte Polizei dran sein", warnt Hümmer.
Knapp 1,2 Millionen Euro erbeuteten Täter laut Polizei im Jahr 2019 in Unterfranken durch sogenannten Callcenter-Betrug. Die Zahlen für das Jahr 2020 werden erst mit der Sicherheitsbilanz im März veröffentlicht.
Ein Appell an die Gesellschaft
"Da man im Nachhinein immer schlauer ist, hat mein Mann sich schon geärgert, das Gespräch nicht weitergeführt zu haben, um zu wissen wie hoch wohl die Forderung gewesen wäre", sagt Gertrud Klafke. Obwohl das Paar auf den Trick nicht hereingefallen ist, klopft es noch immer bei jedem Telefonklingeln in Klafkes Herz. "Mein Nervenkostüm ist einfach empfindlicher geworden."
Sie denkt vor allem an all die Seniorinnen und Senioren, die ebenfalls Anrufe solcher Art erleben mussten und zusätzlich ihr Erspartes dadurch verloren haben. "Bitte legen Sie bei unklaren Anrufen den Hörer auf und rufen sie die Polizei an", appelliert sie an die Bevölkerung. "Bitte sensibilisieren Sie auch ihre Eltern und Großeltern dazu!"
Das habt Ihr super gemacht.
Nur so kriegen wir die klein.
Gruß aus dem Triebweg Klaus ! ! !