Schon seit Wochen steigen die Energiepreise enorm an. Und ein Ende der Teuerungswelle ist noch lange nicht in Sicht. "Wie soll ich das bezahlen?" - diese Fragen hören Carina Schütz und Iris Graus, Beraterinnen beim Verbraucherservice Bayern in Würzburg, derzeit sehr häufig. Beratungsstellen in Unterfranken erleben einen regelrechten Ansturm. "Wir haben sehr viele Anfragen, besonders zu Gas- und Strompreiserhöhungen", sagt Schütz.
Und das dürfte nur der Anfang sein. Im kommenden Jahr, wenn Mieterinnen und Mieter ihre mutmaßlich stark gestiegenen Nebenkosten-Abrechnungen bekommen, erwarten die Beratungsstellen noch mehr Anfragen.
Was können Verbraucherinnen und Verbraucher, die in Finanznot sind, jetzt tun? Antworten geben der Verbraucherservice Bayern und die Schuldnerberatung in Schweinfurt.
Wie können sich Kundinnen und Kunden gegen die steigenden Abschlagszahlungen beim Strom oder Gas wehren?
Zunächst einmal müsse geprüft werden, ob im Vertrag mit dem Gas- oder Stromversorger eine eingeschränkte Preisgarantie vereinbart wurde, sagt Verbraucherberaterin Iris Graus. Wenn ja, dann sei eine Erhöhung des Beschaffungspreises ausgeschlossen. Umlagen und andere staatliche Posten seien davon aber ausgenommen. Ändern sich für den Gasversorger die Einkaufspreise, dann sei dies ein unternehmerisches Risiko, das nicht auf die Kundschaft abgewälzt werden dürfe.
Erhöht der Versorger trotzdem die Preise, rät Graus zum Widerspruch: Das Unternehmen sollte mit einer Frist von etwa 14 Tagen zur Vertragstreue aufgefordert werden. Manche Gaslieferanten würden so tun, als dürften sie die Preise einfach so erhöhen.
Keine gute Idee sei, den Vertrag überstürzt selbst zu kündigen: "Schauen Sie sich vor diesem Schritt genau auf dem Markt um. Vergleichen Sie die Preise! Gerade ist es überall teuer", sagt Verbraucherberaterin Carina Schütz.
Was können Verbraucher tun, denen der Gas- oder Stromvertrag viel zu hoch erscheint?
"Prüfen Sie die Schreiben von Gas- und Stromanbietern genau", sagt Iris Graus. "Hatten Sie eine Preisgarantie?" Um das zu prüfen, sollte man unbedingt einen Blick in den ursprünglichen Vertrag werfen. Manche Unternehmen würden jetzt exorbitant die Preise erhöhen. Sie habe schon Verträge auf dem Tisch gehabt, bei denen der monatliche Strom-Abschlag in drei Stufen von 60 auf 500 Euro erhöht wurde, berichtet Graus: "Ein älteres Ehepaar konnte diesen Abschlag nicht mehr bezahlen."
Was tun? Die Beratungsstelle prüfe das Vorgehen der Unternehmer in rechtlicher Hinsicht und unterstütze die Verbraucher bei einem Schriftwechsel, sagt Schütz. Ihr Rat: "Die Verbraucher selbst können in solchen Fällen auch Kontakt zum Anbieter aufnehmen, um zum Beispiel einen Zähler auf Guthabenbasis einrichten zu lassen und so Stromsperren zu vermeiden."
Ist man bei den Grundversorgern derzeit besser aufgehoben?
"Früher waren die Grundversorger mit Abstand die teuersten Anbieter", sagt Carina Schütz. Den Kunden sei geraten worden, den Energieanbieter immer wieder zu wechseln. "Heute würde man das nicht mehr raten." Allerdings sollte man die Tarife im Vorfeld prüfen.
"Wir verweisen im Moment an die größeren Anbieter, also an die Grundversorger", sagt Iris Graus. Bei kleineren Anbieter besteht derzeit die Gefahr, dass sie Insolvenz anmelden müssen und gar kein Gas mehr liefern. "Was die Menschen jetzt brauchen, ist ein verlässlicher Anbieter."
Was passiert, wenn der Verbraucher nicht bezahlt?
Bereits ab einem Zahlungsrückstand von 100 Euro oder zwei Monaten dürfe der Energieversorger Strom oder Gas abstellen. Das muss er allerdings vier Wochen vorher ankündigen. Sobald diese Ankündigung komme, solle man so schnell wie möglich aktiv werden und das Problem nicht aussitzen, raten die Verbraucherberaterinnen. "Wir bieten Rechtsberatungen in unserem Haus", sagt Graus. "Falls eine Sperre bevorsteht, können Kolleginnen und Kollegen unter Umständen helfen, diese abzuwenden. Das ist weniger aufwändig, als einen gesperrten Anschluss wieder freizubekommen."
Bei sehr hohen Nachzahlungen könne eine Ratenzahlung sinnvoll sein. "Diese muss allerdings individuell ausgehandelt werden", sagt Schütz. "Wir hoffen diesbezüglich auf sozialpolitische Regelungen um die finanziell angeschlagenen Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten und vor Sperren zu bewahren."
Wo gibt es Hilfe für Verbraucherinnen und Verbraucher?
Wer erwerbstätig ist, aber trotz Einkommen seine Abschläge nicht mehr bezahlen kann, könne Hilfe beim Jobcenter beantragen. Das sei auch für Rentnerinnen und Rentner möglich. Nicht nur Sozialhilfeempfänger hätten Anspruch auf Heizkostenübernahme. Die Jobcenter prüften dann im Einzelfall, ob die Voraussetzungen für eine Unterstützung vorliegen. Wichtige Faktoren seien dabei unter anderem Miethöhe, Vermögen und sämtliche Einkünfte.
Auch Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger und wer Bäfög oder Wohngeld erhält, hat Anspruch auf Unterstützung bei den Heizkosten, erklärt Michaela Link, Beraterin bei der Schuldnerberatungsstelle in Schweinfurt. Bezieherinnen und Bezieher eines Kinderzuschlags können gegebenenfalls berechtigt sein. Den Kinderzuschlag erhalten Eltern, wenn das Einkommen nicht für die ganze Familie reicht. Der Antrag auf Kinderzuschlag müsse jedoch gesondert bei der Familienkasse gestellt werden, so Link.
Woher weiß man, ob man in die Energiearmut rutschen wird?
Ob man selber zu den Betroffenen zählen könnte, lässt sich errechnen. Als von Energiearmut bedroht gelten Personen, die mehr als zehn Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für Heizen, Warmwasseraufbereitung, Kochen und Strom aufwenden müssen. Neue Berechnungen zeigen, dass der Anteil der energiearmutsgefährdeten Haushalte, ohne Berücksichtigung staatlicher Hilfspakete, von 14,5 Prozent im Jahr 2021 auf 25,2 Prozent im Mai 2022 stieg, so das Institut der Deutschen Wirtschaft. Um künftig Strom-, Gas- und Ölrechnungen bezahlen zu können, sind viele Haushalte auf Unterstützung angewiesen, prognostiziert das Institut.
Was tun, wenn man in die Bedürftigkeit rutscht?
Soziale Beratungsstellen wie die Schuldnerberatung oder allgemeine öffentliche Beratungsstellen werden prüfen, ob eventuell ein Antrag auf Hilfsleitungen gestellt werden kann, erklärt Michaela Link.
Wie kann die Schuldnerberatung helfen?
Verbraucher sollten möglichst früh zur Schuldnerberatung kommen, nicht erst, wenn die Strom- oder Gasrechnung gar nicht mehr bezahlt werden kann. "Wir haben aktuell einige Fälle, bei denen Kreditverträge nicht mehr gezahlt werden können und zwar aufgrund der gestiegenen Energiepreise", sagt die Schweinfurter Schuldnerberaterin.
Diese Menschen steckten in einem Dilemma: Um wenigstens Strom und Heizung zu behalten, bezahlten sie andere Rechnungen oder Raten nicht mehr – was die Schulden in die Höhe treibe. "Wir können den Leuten oft nur raten, insgesamt ihre Kosten zu senken und gemeinsam mit den Gläubigern eine Lösung finden", sagt Michaela Link. Sie rechnet damit, dass im Frühjahr sich noch mehr Personen an die Beratungsstellen wenden - "vor allem, wenn die Rechnungen mit Nachzahlungen eintrudeln".