Der 52-jährige Mann aus China heißt Xing L., aber in Deutschland lebt er seit 12 Jahren unter einem falschen Namen. Xing lebt hier ohne Aufenthaltserlaubnis als Helfer für andere Schattenfiguren aus seinem Heimatland. Bei einer Kontrolle im Würzburger Hauptbahnhof hatte der Chinese im März falsche Pässe und Schlüssel zu Wohnungen dabei. In diesen sollen Frauen aus China illegal Sex gegen Geld anbieten.
Xing L. steht seit Mittwoch in Würzburg vor Gericht. Hier und in Darmstadt, Mainz, Trier, München, Kaiserslautern, Erlangen, Nürnberg und zuletzt Bamberg mietete er Wohnungen, stellte den Kontakt zu Freiern her und kassiert die Hälfte vom Liebeslohn der Frauen aus China. Die sind erpressbar, weil sie ebenfalls illegal hier leben.
Städte wie Schweinfurt und Würzburg hatten in jüngster Zeit ein neues Phänomen festgestellt, das auch in vielen anderen deutschen Städten schon bekannt ist. Martin Kuhn, Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken, sagt dazu: "Durch die Corona-Pandemie ist eine Verschiebung von legalen Prostitutionsstätten in dezentrale, meist private, Wohnungen festzustellen - auch bei Prostituierten mit chinesischer Staatsangehörigkeit."
Falsche Papiere, illegale Wohnungen in Unterfranken und Frauen aus China
Der gelernte Koch Xing lebte selbst seit 2011 illegal in Deutschland. Er sollte 2015 abgeschoben werden, entzog sich dem aber. Über unbekannte Kontakte soll er zwischen 2021 und 2023 mindestens elf Frauen nach Deutschland gebracht haben – unter dem Vorwand, sie sollten in der Gastronomie oder Massagestudios arbeiten.
Fünf Fälle listet die Anklage im Raum Würzburg auf. In einem davon soll eine Chinesin von Serbien aus in eine Wohnung in Gerbrunn (Lkr. Würzburg) gebracht worden sein. Xing soll sie dort im Januar gezwungen haben, der Prostitution nachzugehen und ihm die Hälfte des Geldes zu überlassen. Damit sie nicht fliehen konnte, soll er der Frau ihren Reisepass abgenommen haben.
Als die Frau sich weigerte, soll der Angeklagte ihr Ohrfeigen verpasst und gedroht haben: Sie sei nach Deutschland verkauft worden und habe keine Möglichkeit zurückzureisen.
Mann aus China soll ein "hochkriminelles Netzwerk" zur Zwangsprostitution aufgebaut haben
Doch die Beweislage ist schwierig. Organisierte Xing das alles alleine? Ermittler können sich das nur schwer vorstellen. Wer hat dem Angeklagten die Adressen der Frauen besorgt? Wer hat sie nach Deutschland gebracht?
Der Staatsanwalt und das Gericht um Thomas Schuster sind überzeugt: Der Fall sei nur "die Spitze des Eisberges". Der angebliche Koch Xing habe ein "hochprofessionelles und hochkriminelles Netzwerk" in halb Deutschland aufgezogen.
Eine achtköpfige Ermittlungskommission arbeitete an dem Fall. 850.000 Textnachrichten zwischen dem Angeklagten und den Frauen auf chinesisch mussten übersetzt und ausgewertet worden.
Der Prozess droht langatmig zu werden: Auswertungen von Handys und Zeuginnen, die nur mit Dolmetscher sprechen. Prozesstermine sind schon bis Februar 2024 anberaumt.
Angeklagter gesteht Urkundenfälschung und Mithilfe bei der Organisation von Wohnungen
Das Gericht lockt: Bei einem Geständnis seiner Tatbeiträge bei Urkundenfälschung und Zwangsprostitution könne Xing mit einer Höchststrafe von vier Jahren Gefängnis, Abschiebung nach China nach gut der Hälfte und sofortigen Telefonkontakten mit Verwandten rechnen.
Nach kurzer Beratung stimmen die Verteidiger Norman Jacob und Thomas Steur zu. Der Angeklagte gibt über seine Anwälte 16 Fälle von gewerbsmäßiger Urkundenfälschung zu. Außerdem, dass er in halb Süddeutschland Wohnungen unter falschem Namen angemietet hat und den Frauen half, wenn sie von Stadt zu Stadt wechselten.
Das beschleunigt die Wahrheitsfindung erheblich. Ob Xing auch Namen von Helfern und Hintermännern nennt, wird sich bei der Fortsetzung des Prozesses am 15. November zeigen.