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Ochsenfurt
Hexenverfolgungen in Ochsenfurt: Warum zwei Menschen ihr Leben lassen mussten
Hexenverfolgungen waren in der frühen Neuzeit in vielen Orten gang und gäbe. Auch in Ochsenfurt fielen zwei Menschen diesem Irrglauben zum Opfer.
Der Renaissance-Maler Hans Baldung Grien befasste sich mit dem Thema der Hexenverfolgung. 
Foto: Martin Harth (Repro) | Der Renaissance-Maler Hans Baldung Grien befasste sich mit dem Thema der Hexenverfolgung. 
Julia Maul
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:43 Uhr

Etwa 100.000 Menschen wurden zwischen 1450 und 1750 in West- und Mitteleuropa als vermeintliche Hexe hingerichtet. Dieser Irrglaube kostete in Ochsenfurt neben einem Mädchen auch einem Schusterjungen das Leben. Einblicke in diese düstere Zeit gab der promovierte Historiker, Archivdozent und Lehrbeauftragte an der Universität Würzburg, Dr. Robert Meier, im Rahmen eines durch das Stadtarchiv Ochsenfurt ausgerichteten Vortrag. In den Ochsenfurter Hexenprozessen der Jahre 1617/18 und 1627/28 nahm das Schicksal der beiden Ochsenfurter ihren Lauf.

Soziale Randgruppen als Sündenböcke

In jener Zeit herrschten Krieg und Einquartierung von Soldaten. Die sogenannte "kleine Eiszeit" vernichtete durch Starkwetterereignisse die Ernten und die Pest wütete im Land. Schuldige für die Miseren waren in den Hexen schnell gefunden. Vor allem im Ort "verschriene" Frauen, wie Ammen, Witwen, unehelich Geborene und Kräuterfrauen, kurzum sich am Rande der Gesellschaft bewegende Personen, waren Ziel des sich zusammenrottenden Mobs, der allerorten lautstark eine Bestrafung der Hexen verlangte.

Der Würzburger Historiker Robert Meier befasst sich intensiv mit den Hexenprozessen in der Region. Seine Forschungen lassen die Verfolgung in einem neuen Licht erscheinen. 
Foto: Thomas Obermeier (Archivbild) | Der Würzburger Historiker Robert Meier befasst sich intensiv mit den Hexenprozessen in der Region. Seine Forschungen lassen die Verfolgung in einem neuen Licht erscheinen. 

Informationen aus Domkapitelsprotokollen, Centprotokollen und aus den städtischen Recessbüchern zeigen ein spannendes Bild der Verläufe jener Hexenprozesse in Ochsenfurt. Es wird deutlich, dass das seit langer Zeit vermittelte Bild der Bischöfe als Hexenschlächter differenziert betrachtet werden muss, da mehrere Faktoren zusammenspielten, um die Hinrichtungen auszulösen. In Ochsenfurt wurden zwar 1617 drei Frauen angeklagt, verhaftet und gefoltert, jedoch aufgrund ihrer Aussagen wieder freigelassen, da sie nicht als Hexen überführt werden konnten.

Hexenverfolgung in Ochsenfurt forderte zwei Opfer

Ins Auge sticht dabei, dass die Stadtverwaltung und die Centschöffen in Ochsenfurt mitnichten aktiv an der Hexenverfolgung beteiligt waren. Sie versuchten öfter, die Prozesse nach Würzburg zu verlagern, um kein Urteil fällen zu müssen. Auch in der zweiten großen Prozesswelle im Jahre 1627 traf es die Stadt.

Damals rotteten sich 150 Bürger nach einem Unwetter im April auf den Straßen zusammen, zogen vor den Centgrafen und verlangten die Bestrafung der durch die Masse bereits ausgemachten Hexen. Das sogenannte "Butzenmadel" wurde inhaftiert und gefoltert. Es starb am nächsten Tag, vermutlich an den Folgen der "Befragung". Weitere Frauen wurden inhaftiert und verhört, jedoch wieder freigelassen.

Das zweite und damit letzte Todesopfer des Jahres 1627 in Ochsenfurt war der sich selbst der Hexerei bezichtigende Schusterjunge Götz. Der junge Schusterlehrling litt vermutlich unter dem starken psychischen Druck, den sein Umfeld auf ihn ausgeübt hat. Schließlich hatte sich Götz mit einem Geständnis beim Centgrafen selber angezeigt. Das Geständnis enthielt alle Punkte, die erfüllt sein mussten, um die Todesstrafe auszusprechen. Nach längerer Haft und Verhandlung wurde er schließlich in Würzburg enthauptet und anschließend verbrannt.

Ochsenfurt steht mit "nur" zwei Opfern noch moderat da

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die aus dem 19. Jahrhundert stammende Sichtweise, der "hexenfressenden" fränkischen Bischöfe wohl als Legende des Kulturkampfes anzusehen ist. Sicher gab es in einigen Ämtern und der Stadt Würzburg selbst furchtbare Prozesswellen, jedoch trifft dies nicht flächendeckend zu.

Die Ochsenfurter Stadtherren des Domkapitels sowie die Centschöffen zeigten weitaus weniger Entschlossenheit, den Forderungen aus der einfachen Bevölkerung nach rascher Hinrichtung vermeintlicher Hexen nachzugeben, als anderorts. Mit "nur" zwei Todesfällen kann die Hexenverfolgung in der Cent Ochsenfurt als moderat bezeichnet werden, auch wenn jedes Opfer dieser Verfolgungen eines zu viel war.

Unser Gastautor Georg Menig ist Historiker und Stadtarchivar in Ochsenfurt.

 
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  • R. P.
    In einem Main-Post-Bericht über eine Stadtratssitzung in Würzburg schrieb Patrick Wötzel: Knapp acht Jahre hat es gedauert, einen geeigneten Standort für ein Denkmal für die Opfer der Hexenverfolgungen in Würzburg zu finden. Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit beschlossen, dass der Erinnerungsort am Schottenanger entstehen soll. Gestaltung und Finanzierung der künftigen Gedenkstätte sind derweil noch offen.

    Rund 25.000 Menschen wurden in Deutschland wegen Hexerei hingerichtet, in Würzburg sollen es mehr als 350 gewesen sein, darunter laut Stadtarchiv "eine verhältnismäßig hohe Zahl von Kindern und Klerikern". Zu ihnen gehörte die Subpriorin des Klosters Unterzell, die am 21. Juni 1749 auf Höchberger Gemarkung enthauptet und am Hexenbruch verbrannt wurde. Sie gilt als letztes Opfer der Hexenverfolgungen in Franken." ... Im aktuellen Bericht ist kein Zeitraum angegeben. Eine Erklärung dieser Diskrepanz täte gut!
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  • A. K.
    Sowas kommt von sowas.
    Religiöser Wahn und vor allem religiöse Macht tun einfach nicht gut.
    Für meinen Geschmack haben die Kirchen immer noch viel zuviel Einflussnahme auf unsere Gesellschaft, vor alllem auf die Gesetzgebung. Wir in D sind leider noch weit von einem sekularen Staat entfernt.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Sündenböcke gabs damals. Sündenböcke gibts heute. Damals wars die Kirche, die komplexe Zusammenhänge selbst nur erahnte, aber nicht wirklich erklären konnte. Heute ist es die Abwärts für Deutschland (AfD), die auf komplexe Themen meint , eine einfache Antwort zu haben. Das einfache Volk läuft dann den denen hinterher, die einfache Antworten aber noch lange keine Lösung haben.
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  • T. V.
    Glückliches Ochsenfurt! Im ebenfalls zum Hochstift Würzburg gehörenden Gerolzhofen kamen mindestens 261 "Hexenleut" zu Tode. Das war ohne Zustimmung der Obrigkeit, hier der Fürstbischof von Würzburg, sicherlich nicht möglich.
    http://www.hexen-franken.de/hinrichtungsorte/katholische-herrschaften/gerolzhofen/
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  • M. R.
    Ach das kommt doch in allen Epochen vor, dass man Südenböcke sucht, mal glaubt man sie in Hexen, mal in Tieren, mal in Molekülen, und oft hatte die Wissenschaft der Zeit gesagt: Das ist der einzig wahre Weg!

    Selbstreflektion tritt in Rudeln und wenn andere einen Manipulieren nun mal leider sehr selten auf...
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  • J. F.
    "Irrglauben" – oder religiöser Wahn? Das ist hier die Frage. – Nebenbei: Der Exorzismus hat bis heute seinen Platz in der katholischen Kirche. Noch 1976 starb eine junge Frau in Klingenberg am Main im Verlauf des kirchlich genehmigten Exorzismus an Unterernährung und Entkräftung. Die beiden Exorzisten wurden wegen fahrlässiger Tötung jeweils zu einer halbjährigen Bewährungsstrafen verurteilt.
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  • R. P.
    In einem Main-Post-Artikel aus dem Februar 2025 hieß es: "Der Teufel hat Konjunktur, zumindest in Italien. Papst Franziskus hat in seinen Predigten oft von ihm gesprochen. Die katholische Kirche in Italien setzt immer mehr Exorzisten ein. Über 200 sollen es zwischen Südtirol und Sizilien sein. Auch im katholischen Polen, wo etwa 125 Exorzisten tätig sind, werden die Teufelsaustreiber wieder mehr. Außerdem hat die Zunft gerade erst von ganz oben Anerkennung bekommen. Der Papst erkannte im Juni die Internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) offiziell an und ermutigte die weltweit etwa 400 offiziell tätigen Teufelsaustreiber in ihrer Arbeit." Unglaublich. Einer solchen Organisation anzugehören, konnte ich nicht länger mit meinem Gewissen verantworten.
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