In einem Café in Ostfriesland haben Kinder unter zehn Jahren keinen Zutritt mehr. Das führt auch in Unterfranken zu Diskussionen. Ist es in Ordnung, Kinder aus Restaurants und Cafés auszuschließen? Eine Würzburger Erzieherin warf im Gespräch mit dieser Redaktion Eltern vor, kein Auge mehr auf ihre Kinder zu haben und sich eher mit ihren Handys zu beschäftigen.
Doch was sagt eine Expertin für bedürfnisorientierte Erziehung dazu? Wie können Eltern sowohl ihren Kindern, als auch den gesellschaftlichen Normen gerecht werden? Caroline Bechmann, Psychologin und Erzieherin, erklärt, warum Bedürfnisse und Regeln zusammenhängen.
Caroline Bechmann: Kinder haben tatsächlich andere Bedürfnisse als Erwachsene, für sie kann ein Restaurant langweilig sein. Wir Erwachsenen haben das Bedürfnis nach Ruhe, Entspannung; Kinder oft nach Bewegung, danach, ihre Umgebung zu erforschen. Im Restaurant kollidieren dann diese unterschiedlichen Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche und können zu Konflikten führen. Wir können von Kindern nicht erwarten, dass sie sich so lange hinsetzen und ruhig sind und die gleichen Ziele verfolgen wie Erwachsene. Aber ich kann im Gegenzug auch nicht von Erwachsenen erwarten, dass sie jedes Verhalten akzeptieren und jeden Wunsch von Kindern erfüllen.
Bechmann: Nein. Ich fände es schön, wenn man mehr familienfreundliche Restaurants und Cafés etabliert, so dass Familien da gezielt hingehen können. Aber ich habe grundsätzlich ein Problem damit, wenn Menschen aufgrund ihres Alters oder anderer Merkmale ausgeschlossen werden. Gleichzeitig kann ich nachvollziehen, wenn Erwachsene sagen, ich möchte mal in Ruhe etwas essen oder trinken. Deswegen finde ich die Debatte wertvoll.
Bechmann: Ich finde es bei Erziehungszielen ganz wichtig, dass sie der individuellen kindlichen Entwicklung angepasst sind. Ältere Kinder können den Wunsch von Erwachsenen, in Ruhe zu essen, nachvollziehen. Aber für diese Empathie brauchen Kinder erst die Fähigkeit, sich und anderen Menschen mentale Zustände zuzuschreiben: Zu wissen, du denkst anders als ich, du hast andere Wünsche als ich. Erst Richtung Grundschulalter entwickeln Kinder diese Fähigkeit ganz aus. Wenn man das weiß, verlangt man nicht von einem Zweijährigen im Restaurant zu verstehen, dass der Nachbartisch in Ruhe essen möchte.
Bechmann: Wenn ein Kind durch das Restaurant rennt, denken manche: Dieses Kind ist nicht richtig erzogen. Ich denke mir da eher, oh, das Kind muss sich bewegen und will seine Umgebung erforschen. Ich habe ein Problem damit, dass Kinder, die viel Bewegung brauchen und einfordern, schnell als "wild" oder "unerzogen" abgestempelt werden. Dieses Schubladendenken verdeutlicht leider das negative Bild von Kindern in unserer Gesellschaft.
Bechmann: Das Wichtigste für Eltern ist zu verstehen: Kinder stehen für sich und ihre Bedürfnisse ein. Was sie machen, machen sie nicht um Erwachsene zu ärgern, sondern für sich. Kinder manipulieren nicht und sie tanzen uns nicht auf der Nase herum. Vieles können Kinder noch gar nicht steuern, für manches fehlt ihnen der Zugriff auf bestimmte Fähigkeiten. Und Erwachsene sollten das nicht persönlich nehmen.
Bechmann: Die einen wollen die Welt spielerisch entdecken und zwischendurch was essen, die anderen wollen mit Freunden, Bekannten, der Familie oder allein ein leckeres Essen zu sich nehmen. Wieso nicht versuchen all das unter einen Hut zu bekommen? Wir könnten viel mehr Spieleecken für Kinder etablieren. Gleichzeitig könnte man sowas wie "ruhige Tische" in stilleren Ecken des Restaurants eröffnen.
Hinzu kommt die elterliche Verantwortung: Wenn ich als Elternteil sehe, dass mein Kind nicht mehr kooperieren und zum Beispiel sitzen bleiben kann, dann überlasse ich mein Kind nicht sich selbst und lasse es durch das Restaurant springen. Dann versuche ich Alternativen: spielen, Bücher anschauen, und wenn das nicht funktioniert, dann gehe ich mit meinem Kind raus oder nach Hause. Wenn ein Kleinkind gar nicht mehr sitzen bleiben kann, dann sollte es seinem Grundbedürfnis nach Bewegung nachgehen dürfen. Dann verzichte ich lieber darauf, essen zu gehen, oder organisiere, dass jemand auf die Kinder aufpasst.
Bechmann: Dann würde ich etwas zum Spielen mitnehmen. Bei Babys sind es Rasselspiele oder Greifspiele. Bei Kindern zwischen eineinhalb und etwa dreieinhalb Jahren könnte das schwieriger werden, da Kinder in diesem Alter ganz viel erkunden wollen und das Café ein Ort ist, der wenig hergibt. Da würde ich die Zeit im Café minimieren. Eltern können eine Spieltasche gestalten mit besonderen Spielsachen, die es zuhause nicht gibt, oder mit den Lieblingsspielsachen. Wenn Eltern merken, dass ihr Kind einen großen Bewegungsdrang hat, können sie mal rausgehen, das Kind mal rennen oder hüpfen lassen. Eine gute Idee ist es noch, den Zeitpunkt anzupassen, wann man ins Café geht. Viele Kinder sind gegen Nachmittag weniger kooperationsbereit.
Bechmann: Eine Rassel könnte natürlich andere Gäste stören, aber dann müssten wir auch wieder weitere mögliche "Lärmbelästigungen" von Erwachsenen mit in die Diskussion bringen. Zum Beispiel sehr laute Gespräche. Und zum Glück gibt es für Babys ja noch viele andere, tolle Spielsachen wie etwa Greifspielzeug.
Bechmann: Kinder lernen Regeln im Umgang mit uns und anderen. Regeln begegnen ihnen überall, zu Hause, auf dem Spielplatz. Sie können sie aufgrund ihrer Gehirnentwicklung aber noch nicht ganz nachvollziehen. Deshalb müssen wir unseren Kindern dabei helfen, Regeln zu verstehen. Kinder haben das Bedürfnis nach Orientierung und wir geben diese Orientierung.
Kinder brauchen außerdem Handlungsstrategien und keine Strafen. Eltern können also versuchen, mit ihrem Kind Alternativen zu etablieren. Zum Beispiel auf dem Spielplatz: Wenn ein Kind einem anderen das Spielzeug abnimmt, dann kann man dem Kind helfen nach dem Spielzeug zu fragen, ein Spielzeug zum Tauschen anzubieten oder den Frust verständnisvoll begleiten. Um passende Alternativen anbieten zu können, müssen Eltern die Bedürfnisse und Gefühle ihres Kindes kennen. Deswegen hängen Regeln und Bedürfnisse miteinander zusammen
Bechmann: Der bedürfnisorientierte Ansatz wird von vielen noch falsch interpretiert als "gar keine Regeln", das Kind darf machen, was es will. Das ist nicht der Fall. Bedürfnisorientierter Umgang bedeutet: Ich achte auf die Bedürfnisse der Kinder, berücksichtige den Entwicklungsstand, aber definitiv auch die Bedürfnisse der Eltern. Das ist anstrengend, weil man sich viel mit sich auseinandersetzen muss. Aber langfristig betrachtet lohnt es sich.
wir kriegen unsere Gastronomie auch noch zu Tode geregelt, denn: allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.
Warum kann es in einer freien Gesellschaft nicht so laufen, dass schlicht und einfach Inhaber/in bestimmt, was im Etablissement geht und was nicht und aus die Maus/ der Erfolg entscheidet über das Konzept? Wird doch niemand gezwungen, eine bestimmte Gaststätte zu besuchen.
Allerdings waren wir da natürlich schon keine Kleinkinder mehr.
Und ich kann mich auch noch erinnern, dass in den Nebenzimmern so mancher Lokale auch ein paar Brett- und Kartenspiele zu finden waren.
Rückblickend muss ich sagen, dass mir der Umgang mit Kindern damals wesentlich „unverkrampfter“ erscheint.
Die Extreme und der Dogmatismus waren nicht so stark ausgeprägt … wo ich herkomme, wäre damals kein Gastronom auf die Idee gekommen, Kinder auszuschließen.
Und die Eltern gaben den Kindern zwar viel Freiraum – aber auch Verantwortung.
Insgesamt betrachtet hat das damals ziemlich gut funktioniert, finde ich …
In England gibt es Pubs mit Family Room , in Dänemark gibt es Familienrestaurants - ist doch alles nicht so schwer. Andererseits ist festzustellen das es immer mehr Menschen gibt welche der Meinung sind permanente Allzeitruhe sei ein Menschenrecht. Und bitte nicht immer mit Geschichten von früher kommen - die Welt hat sich für Kinder extrem verändert, viele Kinder können sich im Alltag gar nicht mehr richtig austoben, es braucht auch hierfür mehr Verständnis.
Und ich sage es gerne nochmal: wenn ich zum Essen ausgehe, möchte ich nicht, dass der Nachwuchs anderer Menschen um meinen Tisch herum Fangerles spielt. Wird höchstens noch getoppt durch die nicht selten beobachtete Ignoranz der Erzeuger, die der Meinung sind, das sei normal und müsse hingenommen werden.
Doch, habe ich gelesen. das steht "sollen". Machen sie aber oft genug nicht, die lieben Eltern, und genau darauf zielt mein Kommentar ab.