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RIEDEN
Wer hat Simone Strobel getötet?
Wer hat heute, am 12. Februar vor elf Jahren, Simone Strobel in Australien getötet? Was weiß ihr damaliger Freund Tobias M.? Nach wie vor ist ungeklärt, wer 2005 die 25-Jährige aus Rieden bei Würzburg tötete und ihre Leiche unter Zweigen versteckte.
Simone Strobel       -  Mit ihrem Freund, der seit 14. Juni 2005 laut Staatsanwalt unter Totschlagsverdacht steht.
Foto: bwü | Mit ihrem Freund, der seit 14. Juni 2005 laut Staatsanwalt unter Totschlagsverdacht steht.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:30 Uhr

Im elften Jahr nach ihrem ungeklärten Tod hat es Simone Strobel aus Rieden bei Würzburg zu trauriger Berühmtheit gebracht: Die Geschichte der jungen Weltreisenden, die am 12. Februar 2005 in Australien nachts verschwand - und fünf Tage später tot unter Palmzweigen versteckt aufgefunden wurde - ziert jetzt den Titel des „Stern“-Sonderheftes „Crime“.

Das Heft liegt seit einer Woche bundesweit im Kiosk aus.

So viele Fragen nach elf Jahren

Es ist eine Geschichte, die zu Tränen rührt, die aufwühlt - nicht nur der schon oft geschriebenen Schilderungen wegen. Packende Bilder ziehen einen in den Bann, etwa das Porträt eines Gesichts, das Simones um Fassung ringenden Vater Gustav Strobel zeigt. Ihm steht noch nach elf Jahren die Frage ins Gesicht geschrieben.

„Warum?“ Doch von denen, die ihm das sagen könnten, bekommt er keine Antwort. Gustl Strobel ist auf gute Weise altmodisch, ein ehrlicher Schaffer, für den ein Wort und ein Handschlag noch Geltung haben. Wenn ein Reporter Gustl Strobels Vertrauen findet und in die gute Stube gebeten wird, sieht er, wie Gustl und seine Frau Gabi die Familie fast schon verzweifelt die Erinnerung an ihre gewaltsam umgekommene Tochter wachhalten.

Erinnerungen an letztes Telefonat
 

Überall Bilder von der blonden jungen Frau mit dem freundlichen Lächeln – und ein Vater, der sich erinnert: Zwei Tage vor ihrem Tod hatte Simone noch aus Australien bei ihm daheim angerufen und fast eine Stunde telefoniert „Es geht mir gut,“ sagte sie, wie er sich bis heute erinnert. „Alles ist so schön hier, Papa, du glaubst gar nicht, wie schön die Welt ist,“ schwärmte sie über den halben Erdball hinweg.

Krach mit Tobias

Kein Wort über den Krach mit ihrem Freund, von dem die Eltern erst viel später aus ihren von der Polizei beschlagnahmten Tagebucheintragungen erfuhren. Dort stand, wie schlecht es ihr aufgrund des Streits mit ihrem Freund Tobias ging – und wie viel Kraft die 25-Jährige aus dem Telefonat mit ihrem Vater gezogen hatte. Jeden Tag liest Gustl Strobel diese Zeilen, um sich zu erinnern. Noch vor ein paar Jahren hätte sich der Landwirt Strobel im Leben nicht vorstellen können, Reporter in sein Haus zu lassen und ihnen Dinge zu erzählen, die eine Familie lieber für sich behält.

Jahrelang hielten die Strobel all die Verdächtigungen über ihren Beinah-Schwiegersohn für Unfug, auch wenn ihnen manches seltsam vorkam. Aber mit den Jahren und jedem bekannt werdenden Indiz wuchsen die Zweifel. „Sie sind also der, den ich fünf Jahre lang am liebsten ans Kreuz geschlagen hätte,“ begrüßte er vor sechs Jahren einen der ersten Reporter, dessen immer wiederkehrende Schlagzeilen ihn jahrelang gequält hatten. Inzwischen sucht und findet Strobel Unterstützung, wo immer er sie kriegen kann. Es ist ein Ausdruck der Verzweiflung und der fast verzweifelten Hoffnung, am Ende doch noch dieses Schweigen zu brechen, das wie Gift auf ihn und seine Frau Gabi wirkt.

  • Zur Serie: Ungelöste Kriminalfälle in Unterfranken


Simone ist nicht vergessen

Manchmal treffen die Strobels in Würzburg ihnen völlig unbekannte Menschen. Und wenn sie nur sagen, dass sie aus Rieden kommen, kann es passieren, dass sie sagen: „Das ist doch der Ort, wo Simone herkommt, die in Australien umgebracht wurde, oder?“ Dann nickt er und muss wegschauen, weil ihm die Tränen in die Augen schießen. Aber Strobel weiß: Seine Simone ist nicht vergessen, und das ist wichtig.

Gustav Strobel kann aber auch, wenn er sich in Fahrt redet, beredt darüber hadern, wie Menschen, die Simone gut kannten, sie inzwischen völlig aus ihrer Erinnerung gelöscht haben. Das wurmt ihn unsäglich. Simones Eltern hält die Hoffnung aufrecht, dass der Fall auch nach so langer Zeit noch geklärt werden kann – wenn die Mitreisenden ihrer Tochter endlich ihr Schweigen brechen würden: Simones damaliger Freund Tobias, der heute in Australien verheiratet ist, seine Schwester, die merkwürdige Reaktionen zeigt, wenn die Strobels sie um Erklärungen bitten („Nicht mal unter der Folter würde ich dazu noch etwas sagen“) und ein gemeinsamer Mitreisender, der sofort einen renommierten Anwalt einschaltet.

Wichtige Dinge verschwiegen

Bis zum Beweis des Gegenteils gelten die drei als unschuldig. Aber Ermittler in Würzburg und Australien sind überzeugt, dass die drei wichtige Dinge aus der Nacht von Simones Verschwinden verschweigen, die bei der Aufklärung des Falles helfen könnten. In der Anhörung 2007 haben zwei australische Detektive öffentlich erklärt: Sie seien überzeugt davon, dass die drei Mitreisenden und speziell Simones Freund Tobias etwas mit ihrem Tod zu tun haben.

Die Analyse eines Profilers weist in die gleiche Richtung. Und in Würzburg werden die drei von Ermittlern als Verdächtige betrachtet. Simones Schicksal liegt wie ein Fluch auch auf Tobias. Das Leben des einstigen Sportstudenten und Surfers ist mindestens so aus den Fugen geraten wie das von Simones Eltern. Tobias könnte erzählen, was in jener Nacht auf dem Campingplatz in Lismore wirklich passierte, aber er schweigt.

Simone verschwindet

Er und Simone hatten Krach in den Tagen vor ihrem Tod, das belegen ihre beiden Tagebücher. Ihn hat anscheinend nicht gekümmert, dass sie nach einem Wortgefecht angeblich aufgewühlt in die Nacht hinaus stürzte und nicht wiederkam – ohne Papiere, ohne Klamotten, mit ihrem bruchstückhaften Englisch. Er hat sich verdächtig gemacht, weil er den Mitreisenden nach Simones Verschwinden befahl, der Polizei nichts über den Streit in der Nacht zuvor zu sagen, weil er Angst hatte, verdächtigt zu werden.

Stattdessen bezichtigte Tobias die australischen Behörden, die Suche nach Simone nicht intensiv genug voranzutreiben. Als nach fünf Tagen ihre Leiche auf dem Gelände eines Sportclubs gefunden wurde, kaum 100 Meter vom Campingplatz, auf dem Simone verschwunden war, geriet Tobias ins Fadenkreuz der Ermittler.

Untertauchen in Südafrika

Nach der Trauerfeier in Rieden wollte er auch in seiner Heimat nicht bleiben, und schon gar nicht mit Gabi und Gustav Strobel reden, die ihn immer wieder zu fragen versuchten, was in jener Nacht geschehen war. Tobias tauchte in Südafrika unter, wo er für Simone einen Schrein errichtete - aber zur Anhörung vor Gericht kam er zwei Jahre später nicht zurück nach Lismore. Er, der nie mehr nach Australien zurück wollte - weil ihn das so an Simones Tod erinnerte - hat inzwischen eine Australierin aus gutem Haus geheiratet.

Er würde gerne ungestört sein neues Leben in Australien führen, hat extra den Nachnamen seiner Frau angenommen. Aber die Kriminaltechnik schreitet unerbittlich voran. Noch können Ermittler die DNA-Spuren, die sie am Versteck von Simone an abgerissenen Palmzeigen gefunden hatten, nicht eindeutig zuweisen - aber das ist nur eine Frage der Zeit.
 

Plakativ: Auf dem Titel des Buches zum ungeklärten Tod von Simone Strobel prangt das Plakat, mit dem im Februar 2005 nach der zunächst verschwundenen jungen Frau gesucht wurde.
Foto: Schwartz | Plakativ: Auf dem Titel des Buches zum ungeklärten Tod von Simone Strobel prangt das Plakat, mit dem im Februar 2005 nach der zunächst verschwundenen jungen Frau gesucht wurde.
Buch beschäftigt sich mit Kriminalfall


Und da gibt es dieses Buch „Have you seen Simone?“ mit dem zerknitterten Fahndungsplakat der Vermissten von 2005 auf dem Titel. Der australischen Autorin Virginia Peters hatte Simones Ex-Freund im Interview gesagt: „Ich bin unschuldig, ich habe es nicht getan“. Und fast schon verzweifelt fragte er sie: „Wo sind meine Menschenrechte?“ Dennoch schrieb Virginia Peters, all die Indizien, die sie zu dem Fall gesammelt habe, würden den Verdacht nähren, er sei verantwortlich für Simones Tod.

Seine neue Familie ist besorgt um ihren guten Ruf und drängt ihn, Autorin und Verlag wegen Rufschädigung zu verklagen. Dafür müsste Tobias aber vor Gericht sagen, was wirklich geschah in jener Nacht des 12. Februar 2005. Bis dahin muss er weiter leiden - aber mehr noch Gustav und Gabi Strobel in ihrer Ungewissheit. Tobias‘ Familie verfolgt in Unterfranken aufmerksam alles, was über den Fall geschrieben wird. Vielleicht schickt sie ihm ja auch das „Stern“-Heft, in dessen Titelgeschichte er unter dem geänderten Namen Martin Scheffler eine tragende Rolle spielt. Im Vorwort des Heftes könnte er lesen: „Es gibt das Recht zu schweigen.

Doch in manchen Fällen wünscht man sich, dass es auch so etwas gäbe wie die Pflicht zu reden.“ Der Fall Simone Strobel und 22 weitere Verbrechen um Menschen aus Unterfranken war Teil der Main-Post-Serie „Ungelöste Kriminalfälle“ im vergangenen Jahr. Inzwischen ist gleichnamigen Buch erschienen. „Ungelöste Kriminalfälle“ hat 176 Seiten, kostet 9,99 Euro und ist in allen Main-Post-Geschäftsstellen sowie im Buchhandel erhältlich.

 
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