125 Jahre ist die Würzburger Firma Glaskeil in diesem Jahr alt geworden. Das Jubiläum wollte Geschäftsführer Hans Schulze Schwienhorst eigentlich schon am neuen Standort in Giebelstadt feiern. Gereicht hat es im Jubiläumsjahr gerade einmal für den ersten Spatenstich im Gewerbegebiet Airpark. Schuld daran ist die Zauneidechse. Die Umsiedlung des kleinen, streng geschützten Reptils hat den Baustart um mehr als ein Jahr verzögert und Mehrkosten in sechsstelliger Höhe verursacht, so Schulze Schwienhorst. Ein hoher Preis für 108 seltene Kriechtiere, die auf diese Weise in einem geschützten Areal am Rand des künftigen Werksgeländes eine neue Bleibe gefunden haben.
"Es ging nicht immer so schnell, wie wir es uns gewünscht haben", meint Schulze Schwienhorst deshalb. Beim feierlichen ersten Spatenstich waren solche Unbilden aber ebenso ein Nebenthema wie die Suche nach Kampfmitteln, die die Vorbereitung des Baufelds begleitet. Drei Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg wurden auf dem rund 4,5 Hektar großen Geviert bereits entdeckt und entschärft, sagt der Niederlassungsleiter von Generalunternehmer Goldbeck, Alexander Arnold, und rechnet mit weiteren Funden.
2008 übernahm die Jaeger-Gruppe Glaskeil aus der Insolvenz
2008 hat die Dortmunder Jaeger-Gruppe Glaskeil übernommen. Die neuen Eigentümer trennten sich vom defizitären Glashandel und der Herstellung von Isolierglasscheiben, die das Traditionsunternehmen in die Insolvenz getrieben hatten. Mit zehn der einst über 200 Mitarbeitenden konzentrierte sich die Glaskeil Kunststoffe GmbH + Co. KG fortan auf die Verarbeitung und Veredelung von Glas und Kunststoffen. Die Zahl der Mitarbeitenden ist inzwischen auf rund 125 angewachsen. Neben regionalen Handwerksbetrieben zählen etwa Jacht- und Caravan-Bauer zu den Kunden. Produkte von Glaskeil finden Verwendung im Innenausbau, in Museen oder an E-Ladesäulen und in Ladeneinrichtungen.
Dabei sei bald klar geworden, dass die alten, auf den Glashandel ausgerichteten und sanierungsbedürftigen Hallen aus dem Jahr 1974 den neuen Ansprüchen nicht mehr genügen, so Geschäftsführer Hans Schulze Schwienhorst. Der Standort zwischen Nürnberger Straße und Aumühle bot keine Erweiterungsmöglichkeit. Deshalb sei das Interesse 2018 auf das Grundstück im Gewerbegebiet Airpark gefallen, so der geschäftsführende Gesellschafter der Jaeger Gruppe, Johann Jaeger. Damals standen auf dem Gelände noch die alten Munitionsbunker des früheren US-Militärstützpunkts.
Der bisherige Standort in Würzburg entspricht nicht mehr den Ansprüchen
Mit 217 Metern Länge und 62 Metern Breite entspricht die Grundfläche der Halle etwa der Größe von zwei Fußballfeldern. Das Flachdach in 13 Metern Höhe wird von über 150 Stahlbetonstützen getragen. Bei der Planung stand nachhaltiges Bauen im Vordergrund, so Alexander Arnold von Generalunternehmer Goldbeck. Das äußere sich unter anderem in einer ressourcenschonenden Bauweise, betrifft aber auch den späteren Betrieb.
So werde das Gebäude teilweise durch eine Geothermie-Anlage temperiert. Den Großteil des Strombedarfs soll eine Photovoltaikanlage auf dem Dach mit einer Spitzenleistung von 1,4 Megawatt decken. Prozesswasser, das vor allem bei der Glasbearbeitung in großen Mengen gebraucht wird, soll aus einer Zisterne stammen, die von Regenwasser gespeist wird. Insgesamt entspreche das Projekt dem Zertifizierungsstandard Gold der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, so Arnold.
Geschäftsführer spricht von einer "neuen Wachstumsära"
Der Zuschnitt der Halle, die neben den Produktionsbereichen auch Platz für Büros und eine Ausstellungsfläche bietet, erleichtere nun den Einsatz großer computergesteuerter Fertigungsanlagen. Auf diese Weise sei es möglich, die Fertigungs- und Wertschöpfungstiefe zu erhöhen. "Wir gehen davon aus, dass wir Glaskeil damit in eine neue Wachstumsära führen können", sagt der Geschäftsführer.
Der Dank von Firmenchef Johann Jaeger galt vor allem dem Giebelstadter Bürgermeister Helmut Krämer und seinem Gemeinderat, die das Projekt von Anfang an unterstützt haben, ebenso wie dem Landratsamt und den Fachbehörden, die sich zügig und und in guter Zusammenarbeit um eine Genehmigung bemüht hätten.
Bürgermeister Krämer wirbt mit den Vorteilen auf dem Land
Bürgermeister Krämer nutzte sein Grußwort für einen kleinen Werbeblock. "Wir wollen der Stadt Würzburg zeigen, dass das Land auch viele Vorteile hat", meinte er selbstbewusst und verweist auf die kurze Bearbeitungszeit durch Gemeinderat und Bauamt seit der ersten Bauvoranfrage im Jahr 2021. Die betrifft auch die Anpassung des Bebauungsplans, nachdem die Fläche ursprünglich in kleinere Parzellen unterteilt werden sollte. Landrat Thomas Eberth richtete seinen Dank für die Standortentscheidung an die Verantwortlichen von Glaskeil und der Unternehmensgruppe Jaeger, bevor er gemeinsam mit Bauherren und Planern für das obligatorische Foto den Spaten zur Hand nehmen durfte.
Insgesamt 15 Monate sollen die Bauarbeiten dauern. Offen ist, was danach aus dem bisherigen Standort an der Nürnberger Straße werden soll. "Wir sind in Gesprächen mit mehreren Nutzungsinteressenten", sagt Geschäftsführer Hans Schulze Schwienhorst.