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Würzburg
Glanzvoller Spaß mit Tiefe: Umjubelte Premiere der Operette "Märchen im Grand Hôtel" des Mainfranken Theaters Würzburg
Die vielschichtige Inszenierung von Tristan Braun jongliert virtuos mit dramatischen, komischen, absurden, parodistischen, glamourösen und sentimentalen Elementen.
Großes Kino: Katrin Merkl (Marylou) und Tristan Braun (Prinz Andreas), umgeben von der Tanzcompagnie, huldigen dem Glanz der Operette.
Foto: Thomas Obermeier | Großes Kino: Katrin Merkl (Marylou) und Tristan Braun (Prinz Andreas), umgeben von der Tanzcompagnie, huldigen dem Glanz der Operette.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 05.12.2024 02:37 Uhr
  • Was ist das für ein Stück? Die Jazzoperette "Märchen im Grand Hôtel" ist eines der letzten Werke von Paul Abraham (1892-1960), uraufgeführt 1934 in Wien. Da war der höchst erfolgreiche Komponist ("Viktoria und ihr Husar", "Ball im Savoy") schon von den Nazis aus Berlin vertrieben worden.
  • Worum geht's? In einem Hotel in Cannes treffen der Hofstaat der exilierten Infantin von Spanien und eine ehrgeizige Hollywood-Produzentin aufeinander. Der Deal: Die hochverschuldeten Hochadligen sollen sich selbst gegen üppiges Honorar in einem Film spielen.
  • Wie ist es umgesetzt? Operette in Hochform! Regisseur Tristan Braun jongliert virtuos mit dramatischen, komischen, absurden, parodistischen, glamourösen und sentimentalen Elementen. Ein äußerst kurzweiliges Wechselbad der Gefühle - nicht nur auf der Bühne.

Das ist das Tolle an Operette: Sie kann alles, muss nichts. Außer unterhalten. Aber wenn sie's auf so geistreiche, bewegende und mitreißende Art tut, spielt sie sich ganz locker in den Kreis der vermeintlich "großen" Kunstformen. Gemeint ist die neue Mainfranken-Theater-Produktion "Märchen im Grand Hôtel", die am Samstag umjubelte Premiere in der Blauen Halle feierte. 

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Das 1934 uraufgeführte Stück von Paul Abraham hat alles, was Operette und Musical brauchen: jede Menge Ohrwürmer, schmissige Bigband-Nummern, reichlich Situationskomik, unwahrscheinliche Handlung und noch unwahrscheinlicheres Happyend.

In der Blauen Halle werden alle Register gezogen

Eigentlich müsste man sich das Würzburger "Märchen im Grand Hôtel" mehrmals anschauen, um all die Gags mitzubekommen, die Regisseur Tristan Braun zusätzlich eingebaut hat. Zum Beispiel, dass er die Figuren Barry und Dr. Dryser in Barrie und Kosky umtauft - als Ehrung für den gleichnamigen Regisseur, der vor gut zehn Jahren eine Paul-Abraham-Renaissance eingeleitet hat.

Ein kurzweiliges Wechselbad der Gefühle - nicht nur auf der Bühne. Im Bild: Vero Miller und Julian Habermann als Infantin Isabella und Zimmerkellner Albert.
Foto: Thomas Obermeier | Ein kurzweiliges Wechselbad der Gefühle - nicht nur auf der Bühne. Im Bild: Vero Miller und Julian Habermann als Infantin Isabella und Zimmerkellner Albert.

Und auch sonst werden in der Blauen Halle alle Register gezogen: das Bühnenbild von Valentin Mattka, das den ganzen Alte-Welt-Luxus der Côte d’Azur atmet und dank clever verschiebbarer Elemente in Windeseile Traumszenen oder wilde Partys ermöglicht; die glamourösen Kostüme von Heike Seidler; die Choreografie von Mariana Souza - großes Kino, von Showtreppe bis Becherpercussion; die eingestreuten Radiostimmen, die in beklemmenden Schlaglichtern den Aufstieg von Hass und Verfolgung dokumentieren; das organische Miteinander von Orchester (Leitung: Gábor Hontvári), Chor, Komparserie, Tanzcompagnie und Solistenensemble.

Das Bühnenbild von Valentin Mattka ermöglicht dank clever verschiebbarer Elemente in Windeseile Traumszenen oder wilde Partys. Im Zentrum hier: Paul Henrik Schulte als Matard.
Foto: Thomas Obermeier | Das Bühnenbild von Valentin Mattka ermöglicht dank clever verschiebbarer Elemente in Windeseile Traumszenen oder wilde Partys. Im Zentrum hier: Paul Henrik Schulte als Matard.

Dieses Solistenensemble besteht aus so vielen markanten Stimmen und Charakteren, dass hier stellvertretend nur einige wenige genannt seien: Vero Miller als ehrpusselige Infantin; Katrin Merkl als forsche Hollywood-Produzentin; Julian Habermann als unsterblich verliebter Zimmerkellner; und Tristan Braun selbst, der in Vertretung des verletzten Matthew Habib mit magnetischer Präsenz und erstaunlichen Moves den schnöseligen Prinzen Andreas spielt, dem im Graben Florian Wugk die Stimme leiht.

Einzig beim Sound ist noch Luft nach oben

Einzig beim Sound ist noch Luft nach oben - gelegentlich krachen und gellen verstärkte Stimmen, Schlagwerk und Blechbläser dann doch ein wenig zu heftig durch die Halle. Das bessert sich im Laufe der Premiere und wird sicher in den kommenden Vorstellungen noch weiterentwickelt. 

"Märchen im Grand Hôtel" ist komisch, sentimental und reichlich absurd. Dies in vollen Zügen zu genießen, ist vielleicht die beste Art, des Schöpfers dieses bunten Tanzes auf dem Vulkan und seiner tragischen Lebensgeschichte zu gedenken. Gerade in Zeiten, in denen der Hass wieder zum vorgeblich legitimen Mittel politischer Auseinandersetzung geworden ist.

Auf dem Spielplan bis 2. März. Karten: Tel. (0931)  3908-124, www.mainfrankentheater.de

 
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