Es ist, als hätte der Autor beschlossen: Ich bringe euch zum Lachen, ob ihr wollt oder nicht! Und das Publikum? Lacht. Sieht man von einer kleinen Handvoll Zuschauerinnen und Zuschauer ab, die den Saal verlassen. Vielleicht, weil sie sich nur so dem Lachzwang entziehen können, vielleicht aber auch nur wegen eines Hustenanfalls oder sonstigen Unwohlseins.
Jedenfalls: "Frohes Fest", das Weihnachtsstück des Mainfranken Theaters der etwas anderen Art, seit Donnerstag zu sehen auf der Probebühne im neuen Kopfbau, ist nichts für Fans des feinen, hintergründigen britischen Humors. Hier hat eher Monty Python Pate gestanden als George Bernard Shaw. Schließlich ist der Autor, der 1967 geborene Schotte Anthony Neilson, ein Vertreter des "In-yer-face-theatre", des "Auf-die-Fresse-Theaters", wie man frei übersetzen könnte.
Ein Wirbelsturm an Lügen und Vertuschungsmanövern
Die Handlung: Zwei eher mittelbegabte Polizisten müssen ausgerechnet an Heiligabend einem älteren Ehepaar die Nachricht überbringen, dass dessen Tochter bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Sie eiern so lange herum, bis sich das Missverständnis, es gehe um den Tod des Familienhundes und nicht der Tochter, zu einem Wirbelsturm an Lügen und Vertuschungsmanövern aufschaukelt, der alle von den Füßen fegt - buchstäblich wie im übertragenen Sinne. Das ist rabenschwarz, brachial, turbulent und schrill. Und saukomisch.
Obwohl: So unhintergründig ist "Frohes Fest" gar nicht. Im Gegenteil: Hat man erstmal akzeptiert, dass hier jeder und jede permanent auf die Fresse kriegt - rhetorisch und physisch -, schält sich ein ernsthaftes Anliegen heraus. Das Stück zeichnet gnadenlos den Weg vor, den wir alle gehen werden - wenn's blöd läuft, was wahrscheinlich ist, via Einsamkeit und Verfall. Doch bis dahin gibt es jede Menge Hoffen, Bangen, Lachen. Und die pure Lust am Chaos.
Regisseur Till Kleine-Möller setzt von der ersten Szene an auf Überzeichnung und Verstörung. Die Uniformen der Polizisten sehen aus wie Faschingskostüme (Kostüme: Timo Radünz), und die Aktivistin der Anti-Pädophilen-Nachbarschaftsmiliz, mit Bartschatten und gruseliger Entschlossenheit gespielt von Zlatko Maltar, wirkt auch eher wie eine Erscheinung aus einer anderen Dimension.
Das Bühnenbild (sogar mit kleiner Binnen-Drehbühne) von María Reyes-Pérez wirkt nur auf den ersten Blick wie das 08/15-Setting für die Boulevardkomödien, mit denen zum Beispiel deutsche Fernsehstars gerne durch die Lande touren. Wer näher hinschaut, entdeckt Brüche wie etwa die sinkende Titanic unter den Seestücken an der Wand.
Dass das Happyend in letzter Sekunde keins ist, verwundert nicht
Das Ensemble spielt sich in diesen pausenlosen 90 Minuten in einen wahren Rausch an Dialogkomik, Slapstick und Akrobatik. Toomas Täht und Martin Liema als Polizistenpaar Blunt und Gobbel sind würdige Erben von Laurel und Hardy, wobei allein schon Liemas Stripnummer inklusive Moonwalk den Besuch lohnen würde.
Patricia Schäfer und Georg Zeies spielen das durchgeknallte Ehepaar in vertrauter Feindschaft - sie in freudscher Verdrängungsverweigerung, er mit immer brüchigerer Beschwichtigungstaktik. Hannes Bergs Reverend Shandy bedient alle Klischees des Scheinheiligen und hält dann doch noch eine Überraschung bereit. Und Laura Storz zeigt zwei denkbar unterschiedliche Carols. Dass das Happyend in letzter Sekunde keins ist, verwundert nicht - sonst wär's ja auch kein Auf-die-Fresse-Theater.
Das Stück läuft bis 4. Januar, Restkarten unter Tel. (0931) 3908-124, www.mainfrankentheater.de