Insgesamt 428 Einwohner der drei Ortsteile von Altertheim hatten die Forderung nach einer außerordentlichen Bürgerversammlung unterschrieben. Grund war die ihrer Meinung nach unzureichende Information über die Ansiedlung der Firma Knauf Gips KG auf Gemeindegrund. Die Firma plant hier Kalziumsulfat unter Tage abzubauen. Bereits bei einer Informationsveranstaltung im November 2016 waren erste Planungen von Ingenieur Wolfgang Voigt, Mitglied der Geschäftsleitung und Matthias Reimann, Chefgeologe der Firma Knauf, vorgestellt worden.
Zuvor hatte diese Zeitung berichtet, dass Waldbrunn als Favorit für die Betriebsstätte gilt, da man hier den kürzesten Anschluss über die Autobahn A3 hat. Diesem Plan hat letztlich das Bundesverkehrsministerium in Berlin einen Riegel vorgeschoben, da man keinen Präzendenzfall für die Zufahrt eines Privatunternehmens über eine Behelfsauffahrt auf die Autobahn schaffen wollte, berichtete nun Jens Reimer, Betriebsleiter Rohsteingewinnung Franken bei der Firma Knauf auf der Bürgerversammlung.
Die Altertheimer Mulde eigne sich hervorragend für den Abbau von Gips und habe sich als einziger Lagerort mit guter Qualität in der Gegend erwiesen. Knauf baut derzeit eine ähnliche Qualität in Willanzheim im Landkreis Kitzingen ab, aber dort sind die Vorräte begrenzt. Man schürft schließlich schon seit 60 Jahren. Einen Teil seines Rohgipses bekommt die Firma aktuell auch aus Rauchgasentschwefelungsanlagen von Braunkohlekraftwerken in Ostdeutschland. Da aber der Ausstieg aus der Braunkohle von der Bundesregierung beschlossen sei, müsse man sich rechtzeitig nach Alternativen umsehen, sagte Reimer in einer übervollen Mehrzweckhalle in Unteraltertheim.
Raumordnungsverfahren von der Regierung eingeleitet
Geschätzte 420 Bürger wollten sich aktuelle und verlässliche Informationen über den Planungs- und Ausführungszustand holen. Dabei waren Befürworter der Ansiedlung, aber auch ablehnende Bürger anwesend. Die reagierten bei ihren Fragen teilweise sehr polemisch auf die Ausführungen der Fachleute, die reichlich vertreten waren. So eine hochkarätige Runde hatte man selten gesehen. Deshalb war der Termin für die Veranstaltung auch auf 17 Uhr gelegt worden, nahm Bürgermeister Adolf Hemrich den Kritikern gleich den Wind aus den Segeln, die behauptet hatten, der frühe Beginn solle die arbeitende Bevölkerung von der Versammlung fern halten. Er bat auch um Verständnis, dass von Gemeindeseite wenig Informationen nach außen getragen wurden. Der Gemeinderat hatte nichtöffentlich beschlossen, die Information ruhen zu lassen, bis die Grundstücksverkäufe an Knauf abgeschlossen sind, so Hemrich weiter. Dies sei wahrscheinlich mit ein Grund, warum soviel Unsicherheit herrscht.
Nun wurde also öffentlich alles vorgetragen, was bekannt ist. Mittlerweile, so Hemrich sei ein Raumordnungsverfahren von der Regierung von Unterfranken als übergeordnete Stelle eingeleitet worden. Brigitte Ziegra-Schwärzer von der Regierung von Unterfranken erläuterte die Vorgehensweise bei einem Raumordnungsverfahren. Es laufe im Vorfeld ab, dann erst erfolgt die baurechtliche und bergmännische Genehmigung. Nach Prüfung der notwendigen und vom Bauwerber zu erbringenden Unterlagen hätten auch die Bürger das Recht, ihre Bedenken einzubringen. Sie müssten ebenso bewertet werden, wie die Einwände der Träger öffentlicher Belange. "Wir sind noch kein Genehmigungsverfahren", stellte Ziegra-Schwärzer klar. Man suche derzeit beispielsweise auch noch Alternativen zur Abfuhr des Gipsgesteins über Altertheim. Es komme alles zur Sprache, was denkbar und machbar ist.
Gipsabbau auf rund 7,5 Quadratkilometern
Das Gipsabbaugebiet mit einer Größe von rund 7,5 Quadratkilometern erstreckt sich auf die Gemeindegebiete Altertheim, Helmstadt, Waldbrunn und ein kleines Stück gemeindefreies Gebiet. Hier seien Abfahrten ebenfalls möglich.
"Auch für die Firma Knauf ist dies eine große Investition", so Voigt. "Wir wollen jegliche Fehler vermeiden", fuhr er fort und "wenn wir nicht auf Nummer sicher gehen können, lassen wir das Projekt lieber sein". Man bemühe sich, im Vorfeld alle Eventualitäten abzuklären. Erst dann werde ein möglicher Genehmigungsantrag gestellt.
Vorher hatte bereits Hüttenheims Bürgermeisterin Ingrid Reifenscheid-Eckert von den positiven Erfahrungen mit der Firma Knauf und ihrem Untertagebau im Ortsteil Willanzheim berichtet. "Sprengungen sind für uns nicht spürbar und auch nicht feststellbar".
Danach hatte der Leiter des Bergamtes Nordbayern das gesamte Verfahren von der Planungsphase bis zur Endphase vorgestellt. Er bestätigte, dass das Genehmigungsverfahren ruhe, weil die Regierung von Unterfranken ein Raumordnungsverfahren angeordnet hatte. Abbaubeginn soll 2023 sein.
Anfangs rund sechs Lkws in der Stunde
Projektkoordinator Reimer stellte die möglichen Stollenausgänge in Altertheim im Kister Berg vor, sowie die An- und Abfahrtstrecke der Lkws.Er zeigte, dass man von Altertheim auf der Staatsstraße L2297 bis zur St578, dann bis zur Anschlussstelle Gerchsheim auf die A81 und anschließend auf die A3 bis zur Ausfahrt Schwarzach fahren wird. Von dort werden die Lkws an Kitzingen vorbei zu den Verarbeitungsbetrieben in Iphofen und Markt Einersheim fahren. Anfangs rechnet man mit 300 000 Tonnen Gipsabbau im Jahr, 2050 sollen es dann bis zu 1 Million Tonnen im Jahr sein. Zu Beginn kalkuliere man daher mit sechs LKW-Fahrten in der Stunde bei einer Fünftagewoche.
Übertage werden nur das Förderband, ein abgekapseltes Verladegebäude und eine Werkstatt mit Sozialbereich zu sehen sein, alles andere passiert unterirdisch. Dies habe den "Charme, dass man oben auf der Erde praktisch nichts mitbekommt vom Abbau", hatte Wolfgang Voigt ergänzt. Die Abbautiefe werde in 70 bis 130 Meter Tiefe erfolgen. Zur Sicherheit würde allerdings nicht das gesamte Gebiet abgebaut, sondern nur rund die Hälfte. Der Rest bleibe als Stützmaterial stehen. Nach Berechnungen von Bergbauprofessor Ludger Rattmann werden diese Stützen ausreichend sein, um das gesamte Gebiet mindestens doppelt so stark abzustützen, wie notwendig. "Sie bekommen ein unsichtbares Bergwerk."
Keine Absenkung des Grundwasserspiegel zu befürchten
Auch beim Thema Wasser konnte Reimer Entwarnung geben. Bei Voruntersuchungen wurde festgestellt, dass es eine unterirdische Wasserscheide im Bereich des Zufahrtstollens gibt. So werden die Brunnen der Gemeinde Altertheim von der Bohrtätigkeit nicht tangiert und eine Absenkung des Grundwasserspiegels sei nicht zu befürchten, obwohl man durch zwei wasserführende Schichten hindurch bohren muss. Nun bleibt es den Bürgern vorbehalten, sich die Planungen nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens genau anzusehen und gegebenenfalls ihre Einwände vorzutragen.