
Man könnte Mitleid haben mit Alfred G. (Name geändert) aus Wolkshausen: Der 71-Jährige schrammte nach Aussage seiner Ärzte im Herbst 2018 mit lebensgefährlichen Verletzungen haarscharf am Tod vorbei. Nach einem Feuer in seiner Zelle im Würzburger Gefängnis war die Haut des Untersuchungshäftlings großflächig verbrannt, die Atmung hatte schwer gelitten. Sogar eine OP in der Spezialklinik für Brandopfer in Nürnberg - in die er verlegt worden war - musste abgebrochen werden, weil den Ärzten zeitweise sein Zustand zu riskant war.
Feuer in der Zelle selbst gelegt?
Fünf Monate später ist Alfred G. wieder soweit hergestellt, dass ihn Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen vor Gericht mit den furchtbaren Folgen seines Tuns konfrontieren will. Denn der Rentner aus dem Landkreis Würzburg steht unter Verdacht, den Brand selbst gelegt haben, um einem Prozess wegen versuchten Mordes zu entgehen.
Neben ihm sind beim Brand im Würzburger Gefängnis zwei weitere Häftlinge, fünf Justizvollzugsbeamte sowie zwei Polizeibeamte verletzt worden, im Oktober 2018. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft nun eine dritte Anklage erhoben, nicht harmloser als die zwei bereits vorliegenden: wegen Brandstiftung in einem besonders schweren Fall und neun Fällen von gefährlicher Körperverletzung. Dies bestätigt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen jetzt auf Anfrage.
Nachbarn in den Rücken geschossen?
Auf diesen Prozess wartet im Heimatort des Angeklagten ein Nachbar von Alfred S. , der seit vorigem Juni gelähmt im Rollstuhl sitzt. Der 55-Jährige hatte Anfang Juni arglos das Feuerwehrfest im Nachbarort Euerhausen besucht. Während einer Schlepper-Vorführung soll sich der 71-Jährige hinter den Landwirt geschlichen und ihm in den Rücken geschossen haben.
Zeugen hatten den Schützen erkannt, der sich unter Drohungen, auch auf sie zu schießen, vom Tatort entfernte und nach Hause fuhr. Dort wurde er später festgenommen. Die Tatwaffe, die er mit Erlaubnis des Landratsamtes hatte, sucht die Polizei bis heute.
Warum durfte er weiter Schusswaffen besitzen?
Auch da sind noch heikle Fragen offen: Wie kam der tatverdächtige Waffensammler an Patronen heran, die er nicht besitzen durfte ? Und warum hat die Untere Waffenbehörde dem aggressiven Bürger seine Pistole 2018 bei einer Sicherheitsüberprüfung nicht abgenommen - obwohl man wusste, dass seine Gewaltbereitschaft längst die Justiz beschäftigte?
Der Streit mit der Familie seines Nachbarn schwelt schon lange - und hätte den 71-Jährigen um ein Haar bereits 2016 ins Gefängnis gebracht. Denn 2015 soll er die Ehefrau seines jetzigen Opfers grundlos auf der Straße attackiert und gewürgt haben. Angeklagt wurde er am Amtsgericht Würzburg wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung.
Prozess zog sich zwei Jahre hin
Allerdings wurde das damalige Urteil - acht Monate Haft ohne Bewährung - nicht rechtskräftig. Der Fall ging in Berufung - und zog sich zwei Jahre hin. Der Grund dafür: Einem Gutachter, der die geistige Verfassung des 71-Jährigen aufgrund seines aggressiven Verhaltens prüfen sollte, soll sich der Verdächtige immer wieder entzogen haben, heißt es in Justizkreisen.
Im Juli 2018 sollte der Würge-Fall in zweiter Instanz verhandelt werden - diesmal vor dem Landgericht. Ob Alfred G. mit dem Schuss auf den Ehemann des Opfers dem bevorstehenden Prozess zuvorkommen wollte? Darüber schweigt er bisher.
Zwei Prozesse
Sein Verteidiger Hanjo Schrepfer betont: Einstweilen gelte für seinen Mandanten die Unschuldsvermutung. Für das Würgen der Nachbarin soll sich Alfred G. separat in einem zweiten Prozess rechtfertigen.
Wegen des Mordversuchs, der als besonders gefährlich eingeschätzten Brandstiftung in der Zelle und neun Fällen der gefährlichen Körperverletzung sitzt Alfred S. ab 25. März auf der Anklagebank.