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Würzburg
Gewalt in den Kilianeen der Diözese: Mit der Rute aufs Gesäß
Die Diözese Würzburg ließ den Aktenbestand der drei ehemaligen Knaben-Internate in Würzburg, Miltenberg und Bad Königshofen sichten. Nun liegen die Ergebnisse vor.
Pressekonferenz des Bistums: Der Würzburger Rechtsanwalt Christian Stadler (rechts) informiert über die Aufarbeitung des Aktenbestands der drei ehemaligen Knaben-Internate, den Kilianeen in Würzburg, Miltenberg und Bad Königshofen. Generalvikar Thomas Keßler (Mitte) bittet die Opfer körperlicher Gewalt um Vergebung. Links: Bistumssprecher Bernhard Schweßinger.
Foto: Thomas Obermeier | Pressekonferenz des Bistums: Der Würzburger Rechtsanwalt Christian Stadler (rechts) informiert über die Aufarbeitung des Aktenbestands der drei ehemaligen Knaben-Internate, den Kilianeen in Würzburg, Miltenberg und ...
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:04 Uhr

Eine weitere Maßnahme innerhalb der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe in der Diözese Würzburg ist beendet: die Auswertung des archivierten Aktenbestandes der drei einstigen Knaben-Internate, den Kilianeen in Würzburg, Miltenberg und Bad Königshofen.

Am Dienstag stellten Generalvikar Thomas Keßler und der Würzburger Rechtsanwalt Christian Stadler Ergebnisse vor. In den katholischen Einrichtungen wurde den Schülern durch Klerikern und Laien körperliche Gewalt angetan. Regelmäßig. Hinweise auf sexualisierte Gewalt fand sich in den Unterlagen nicht. Dabei handelte es sich nicht um Personalakten (diese wurden bereits geprüft), vielmehr um Jahresberichte, Hauszeitschriften – oder Gedichte, so Stadler.

Lesen Sie auch: Missbrauch – Bistum ließ knapp 3000 weitere Akten prüfen

Bereits im Juli wurden die Ergebnisse der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg übersandt, so Keßler. Der Generalvikar vermutet, "dass keine weiteren Untersuchungen seitens der Strafverfolgungsbehörden erfolgen werden".

Die Ergebnisse: Das Würzburger Kilianeum bestand von 1872 bis 1998. In dieser Zeit waren 78 Kleriker als Direktoren oder Präfekten beschäftigt sowie 116 Laien. Die Personallisten liegen laut Stadler jedoch nicht vollständig vor – in allen Kilianeen.

14 Kleriker und vier Laien wurden in Würzburg "mit Anzeichen auf körperliche Gewalt in Verbindung gebracht" – im Zeitraum von 1911 bis 1980 beziehungsweise 1953 bis 1990. Dazu gebe es insgesamt 28 dokumentierte Hinweise – 20 davon deuteten auf regelmäßige Gewalt hin. Nicht möglich war es laut Stadler bei weiteren 17 Hinweisen, diese einer konkreten Person zuzuordnen.

"Knecht Ruprecht" schlug mit Ruten aufs Gesäß

Allein in Würzburg sei zudem 644 Mal körperliche Gewalt "im Rahmen eines Brauchtums" dokumentiert: die Bestrafung durch "Knecht Ruprecht" mit Rutenschlägen aufs Gesäß. Schüler der 12. Klassen hätten bei den jährlichen Nikolausfeiern den Knecht gespielt – laut Stadler "vermutlich auf Initiative der Präfekten beziehungsweise Direktoren, welche bei den Feiern anwesend waren".

Diese Bestrafungen gab es in allen Kilianeen. "Wie fest zugeschlagen wurde, konnten nicht recherchiert werden", so Stadler. Er verwies auf Anhaltspunkte in Nikolausgedichten, etwa: "Deine Schäfchen sind schon sehr lädiert, weils der Chef sofort mit der harten Hand probiert ... Die Arme blau und die Beine, ich sah schon einige weinen."

Am Dienstag wurden bei einer Pressekonferenz die Ergebnisse der Aufarbeitung des archivierten Aktenbestands der drei Kilianeen durch Generalvikar Thomas Keßler (Mitte) sowie Rechtsanwalt Christian Stadler veröffentlicht.
Foto: Thomas Obermeier | Am Dienstag wurden bei einer Pressekonferenz die Ergebnisse der Aufarbeitung des archivierten Aktenbestands der drei Kilianeen durch Generalvikar Thomas Keßler (Mitte) sowie Rechtsanwalt Christian Stadler veröffentlicht.

Im Kilianeum Miltenberg (22 Kleriker, 98 Laien) brachte die Auswertung drei Kleriker, aber keine Laien mit körperlicher Gewalt in Verbindung. In Bad Königshofen fanden sich Hinweise bei sechs von 16 dort beschäftigten Klerikern und bei zwei von 43 Laien.

Früherer Kilianeums-Direktor hat sich bereits 2010 entschuldigt

Keßler wies darauf hin, dass Vorwürfe gegen einen früheren Direktor bereits 2010 öffentlich gemacht wurden. Der Beschuldigte habe sein Verhalten bedauert und sich entschuldigt. Keßler erläuterte, dass etliche Kleriker in ihrer Zeit der Auffassung gewesen seien, eine körperliche Züchtigung sei als erzieherische Maßnahme in bestimmten Fällen angebracht. "Dieses Vorgehen war falsch und tut uns als Kirche sehr leid."

Zwei Missbrauchsfälle wurden durch die Betroffenen bekannt

Obwohl nicht in den Unterlagen dokumentiert, gibt es laut Keßler zwei Missbrauchsfälle in den Kilianeen. Die Betroffenen hätten sich an die Diözese gewandt, die Strafverfolgungsbehörden die Fälle eingestellt. Kirchenrechtliche Schritte seien erfolgt. Die Diözese habe den Opfern Leistungen auf Anerkennung des Leids gezahlt.

Zu einem der Fälle teilte auf Nachfrage dieser Redaktion vor gut einem Jahr Oberstaatsanwalt Thorsten Seehofer mit, dass die Diözese Ende 2017 Strafanzeige gegen einen ihrer Ruhestandspriester gestellt hätte. Der mutmaßlich Geschädigte habe als Zeuge jedoch keine weitergehenden Angaben gemacht.

Lesen Sie auch: Missbrauch – Zweite Beschuldigung gegen einen Kleriker

Mit der Aufarbeitung versuche die Diözese Betroffenen zu helfen und Vertrauen wiederzugewinnen, so Keßler. Dazu gehörten auch Einzel- oder Gruppengespräche. Ein erstes Treffen mit Betroffenen fand im Juni statt. Zu einem weiteren lädt Bischof Franz Jung am 15. Januar 2020 um 17 Uhr ein. Die Anmeldung ist über das Generalvikariat möglich, telefonisch unter (0931) 386 100 00; per E-Mail: generalvikariat@bistum-wuerzburg.de

 
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  • N. Z.
    Erst durch den Bericht erinnerte ich mich wieder an die Nikolausfeiern mit dem Knecht Rupprecht; und tatsächlich wurde noch 1978 mit der Rute zugeschlagen; manche sind der Rute ausgewichen, mindestens einer rannte weg. Erheblicher negativ waren aber die Züchtigungsstrafen der früheren Zeit, die ich zum Glück nicht mehr miterleben musste.
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  • K. D.
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  • B. R.
    Werter norberto, Danke für ihre Zeilen!
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  • M. Z.
    Züchtigungsstrafen sind zu verurteilen und abzulehnen. Jetzt aber aus Nikolausgedichten evtl. 600 Gewaltfälle herauszulesen, wie in der Bewertung durch den RA geschehen, entbehrt jeder belastbaren Grundlage,und wird auch nicht glaubwürdiger durch gezielte Wortwahl ("regelmäßig") . Die Sichtung dieser nichtamtlichen "Dokumente" und vorher der Personalakten durch die Staatsanwaltschaft ergab keinen juristischen Anhaltspunkt.Ex-Kilianisten wissen, dass die Nikolausfeiern nicht als Gewaltorgien, sondern als Unterhaltungsveranstaltungen gedacht waren und liefen auch in der Regel so ab, wie wohl auch die Nikolausfeiern in den Vereinen oder der Hausbesuch des gemieteten Nikolaus draußen auch, oder? Die als Rupprecht verkleideten Schüler der 12.Klasse als prügelnde Erfüllungsgehilfen der Erzieher hinzustellen, ist absurd. Sie wurden im humanistischen Geist erzogen und benahmen sich auch so. Dass manche da übertrieben haben, war die Ausnahme. Dazu gehört wohl leider der damalige Direktor.
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