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Geroldshausen
Geroldshausen: Name von SS-Massenmörder  bleibt vorerst auf Ehrenmal
KZ-Chefarzt Eduard Wirths war verantwortlich für den Tod Hunderttausender. In Geroldshausen steht sein Name auf dem Kriegerdenkmal. Wie geht der Gemeinderat nun damit um?
Eduard Wirths war als leitender Standortarzt in Auschwitz für den Tod Hunderttausender verantwortlich. Sein Name steht in Geroldshausen (Lkr. Würzburg) am Kriegerdenkmal. Der Gemeinderat hat jetzt entschieden, wie es weitergeht. 
Foto: Thomas Obermeier | Eduard Wirths war als leitender Standortarzt in Auschwitz für den Tod Hunderttausender verantwortlich. Sein Name steht in Geroldshausen (Lkr. Würzburg) am Kriegerdenkmal.
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:17 Uhr

Dienstagabend in Geroldshausen im Landkreis Würzburg. Der Gemeinderat ist vom evangelischen Gemeindehaus in die Turnhalle umgezogen, weil es hier mehr Platz gibt. Gut 20 Zuhörer wollen bei dieser Sitzung dabei sein, mehr als sonst.

Es geht um einen Sohn des Dorfes, um den Kriegsverbrecher und SS-Massenmörder Eduard Wirths. Hunderttausende hat er als leitender Standortarzt des Konzentrationslager-Komplexes Auschwitz in den Tod geschickt. Entweder weil er selbst an der Rampe stand und Menschen direkt in die Gaskammern schickte. Oder weil er seine Mitarbeiter, darunter auch Josef Mengele, für diesen Dienst eingeteilt hatte.

Bürgermeister tut sich schwer mit dem Begriff "Kriegsverbrecher"

Das Problem: Wirths Name wird am Kriegerdenkmal in Geroldshausen unter den Gefallenen des Zweiten Weltkrieges aufgeführt. Das Denkmal steht auf öffentlichem Grund. "Also müssen wir entscheiden, wie wir damit umgehen. Ob wir wollen oder nicht", sagt Bürgermeister Gunther Ehrhardt im Gemeinderat mit zittriger Stimme. 

Ehrhardt ist aufgeregt. Nur zögernd verwendet er den Begriff "Kriegsverbrecher". Er berufe sich aus "juristischen Gründen" lieber auf das Institut für Geschichte der Universität Würzburg. Dort habe er nachgefragt und klar zu hören bekommen: "Wirths hat Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Er ist ein NS-Verbrecher." Ein Enkel von Eduard Wirths, selbst jahrelang Gemeinderat und Inhaber eines Natursteinbetriebs im Ort, sitzt am Dienstag unter den Zuhörern.

Familie Wirths gibt eine schriftliche Stellungnahme ab 

Die Familie hat eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. "Die Beteiligung unseres Familienmitgliedes an den in Auschwitz verübten, beispiellosen Verbrechen wollen wir nicht leugnen oder beschönigen", schreiben Wirths Nachkommen. Die öffentliche Diskussion um das Kriegerdenkmal treffe sie persönlich. Sie wollen klarstellen: "Die Familie Wirths hat nichts vertuscht, sondern alles ihr Mögliche zur Aufklärung der historischen Tatsachen beigetragen."

Dass Teile der Familie Wirths noch im Ort leben, macht die Diskussion für Gemeinderat Rainer Künzig schwierig. "Auch, weil ich die Familie gut kenne", sagt er. Künzig war von 1996 bis 2002 selbst Bürgermeister in Geroldshausen. "Doch wir müssen die Taten deutlich verurteilen und uns distanzieren. Für uns alle ist unvorstellbar, dass der Name auf dem Ehrenmal steht." 

Warum Geroldshausen Anfang des 21. Jahrhunderts ein schlechtes Image bekam

Künzig denkt zurück an den Anfang dieses Jahrhunderts. Damals ist Ulrich Völkleins Tatsachenroman "Der Judenacker. Eine Erbschaft" erschienen, der die Geschichte der Geroldshäuser Juden erzählt und auch die dunklen Verstrickungen Wirths in das NS-Regime entlarvt. Die Veröffentlichung sorgte im Dorf für große Unruhe. Auch, weil viele Eduard Wirths für "einen Guten" gehalten hatten und noch halten, wie Sohn Peter in einem Interview mit Jürgen Matthäus im April 2015 berichtete.

Matthäus leitet die Forschungsabteilung des United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Das Tondokument des Gesprächs, viele Fotos von Eduard Wirths aus seiner Zeit in Ausschwitz, aber auch Urlaubsbilder der Familie finden sich im Archiv des Museums, das online zugänglich ist. 

Die Diskussion von damals, dass Geroldshausen ein Dorf sei, in dem die Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus unter den Tisch gekehrt würden, will der Gemeinderat nicht wieder hochkochen lassen. Dass der Name Wirths auf dem Stein nichts verloren hat, darüber sind sich am Dienstagabend alle einig. Dennoch sind nur zwei Gemeinderäte, Petra Steinbach und Marc Huber, dafür, den Namen dort sofort zu entfernen. "Um ein Statement zu setzen", sagt Huber.

"Eine sinnvolle Lösung bedarf viel Beratung", meint dagegen Doris Krämer. Auch andere sind dafür, sich Zeit zu lassen. Und so beschließt der Geroldshausener Gemeinderat einstimmig, die von Wirths verübten Kriegsverbrechen auf "das Schärfste" zu verurteilen. Die Räte erkennen an, dass die Aufnahme Wirths in die Liste der Kriegsgefallenen auf dem Ehrenmal falsch war und ist. Dabei sehen sie auch, dass "die Aufarbeitung die Möglichkeiten der Gemeinde übersteigt" und beschließen, sich Unterstützung zu holen. Dann soll wieder diskutiert werden, was mit dem Namen Wirths im Kriegerdenkmal passiert. 

Internationales Auschwitz-Komitee reagiert mit Unverständnis

Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, versteht das Vertagen nicht: "Wenn alle Gemeinderäte der Meinung sind, dass der Name von Eduard Wirths auf dem Mahnmal der Gemeinde nicht hätte eingraviert werden dürfen, müssen sie ihn jetzt auch  entfernen lassen und eine historische Unwahrheit korrigieren", kommentierte er am Mittwoch die Entscheidung. Gleiches hatte zuvor auch der Würzburger Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, gefordert.

Mit dem Begriff der "Aufarbeitung" könne er wenig anfangen, sagt Heubner: "Zur Lebensgeschichte von Eduard Wirths und zu seinem verbrecherischen Wirken in Auschwitz liegen alle Fakten auf dem Tisch." Auschwitz-Überlebende gingen davon aus, dass die Täter von Auschwitz hätten vor Gericht gestellt werden müssen, so Heubner: "Nur die Allerwenigsten von ihnen haben je einen Gerichtssaal von innen gesehen, stattdessen sind die meisten als ehrbare Männer in die Mitte der Gesellschaft zurückgekehrt: Das ist Eduard Wirths nach seinem Freitod auch gelungen. Und das ist der große Schmerz der Überlebenden."

Noch lange stehen einige der Zuhörer nach der Entscheidung auf dem Parkplatz vor der Turnhalle und diskutieren, was sie jetzt machen können. Zufrieden sind sie nicht, sagen sie. Dass der Name Wirths auf dem Kriegerdenkmal erst einmal bleiben soll, sei schwer auszuhalten.

 
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Kommentare
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  • 2ostsee
    1952 das war noch die Zeit da kamen die Unternehmer einer kleinen Gemeinde gleich hinter dem Pfarrer und dem Lehrer. Und dann war da die Witwe mit ihren Kindern..........aber das war 1952 und heute schreiben wir das Jahr 2021!
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Hat sich das Team von "quer" Bayrischer Rundfunk schon gemeldet?
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  • AndiKunkel
    .. zwinkern Nach allem, was man so hört, ist da nicht nur das TV Team von quer interessiert. Wird spannend.
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  • metzger@maxiklinik.de
    Wenn die Inschrift aus welchen Beweggründen auch immer nicht entfernt wird, warum fordert nicht mindestens ein der anderen Familien ein, deren Familienangehöriger auf dem Mahnmal steht und der für Irrsinn, Hass und Größenwahn anderer gestorben ist, dass der Name entfernt wird aus Solidarität mit den anderen Millionen unschuldiger Opfer des 2. Weltkriegs und des Holocaust? Ist das mangelndes Mitdenken, Mitgefühl, mangelnde Zivilcourage, dörflicher Gruppenzwang oder sogar falsche (falsch zu verstehende) Solidarität mit dem obersten Ausschwitzarzt?
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  • leser1969
    Es hört sich wie eine Satire von Gerhard Polt an.
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  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • evenbye2@gmx.de
    finde es richtig, dass der name nicht vorschnell herausgemeisselt wird. das wäre schon recht billig: einfach löschen drücken und schon ist man fein raus und die geschichte und das verbrechen vergessen. damit wäre auch gelöscht die schande, dass man so eine person jahrzehnte lang unkritisch verehrte. man reißt ja auch keine konzentrationslager ab, weil sie eine schande darstellen.es gibt, wenn man darüber nachdenkt, vielleicht intelligentere lösungen, die nicht zum vergessen einladen. in bozen gab es z.b. zu einem faschistischen spruch in der art von "familie, arbeit, gehorsam" am gerichtshof den vorschlag, eine glasplatte anzubringen "niemand hat das recht zu gehorchen". in so einer art würde man in dem dorf nicht zur tagsordnung über gehen, sondern man könnte sich mit den verbrechen im dritten reich auseinander setzen und zeigen, dass dies nicht im fernen berlin, sondern auch vor ort aktiv unterstützt wurde. erinnerungskultur sollte man nicht nur an die urbanen zentren abgeben.
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  • SchmidJosef@t-online.de
    Danke.
    Nach so viel - versäumter! - Zeit, ist eine Phase für eifriges gemeinsames Nachdenken, Antwort-Suchen und Lösung-Finden angesagt.
    Nicht nur in Geroldshausen.

    Zu Dr. Eduard Wirths ist einiges an Information leicht zu finden.
    z.B. https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/eduard-wirths/

    Talentiert, strebsam, erfolgsorientiert - anpassungsbereit.
    Wie viele machen heute mit dieser Grundausstattung Karriere - und werden dafür bewundert?
    Und einige der heutigen Karriereleute gehen in ihrer "Anpassungsbereitschaft" ziemlich weit!
    .

    Jede Zeit hat ihre Irrtümer.
    Und die irre Monstrosität seiner Irrtümer ist die fatale "Größe" des Tausendjährigen Reiches.

    Dreißig Jahre später wäre E. Wirths auch Arzt geworden - aber wohl ohne den verqueren Rassenwahn.
    .

    Der grundgesetzlich verbriefte Konsens über individuelle Grundrechte und Freiheiten aller Menschen hat unsere Gesellschaft in einen grandiosen Raum von Möglichkeiten geführt.

    Das sollten wir verstehen und erhalten.
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  • Catwoman
    Ich verstehe nicht, was es da zu überlegen gibt. Der Name eines Naziverbrechers kann doch nicht auf einem Mahnmal für Opfer und Getötete durch diese schrecklichen Verbrechen stehen! Wann wacht Deutschland endlich auf und verharmlost diese Zeit nicht länger?
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  • thausend@t-online.de
    Am Gedenktag wird ein Kranz niedergelegt und sich verneigt....auch vor diesem "Namen".
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  • kaih@bonn-online.com
    Freut Euch drauf in Geroldshausen: Demnächst wird Euer Kriegerdenkmal mit Eimern von roter/brauner/gelber Farbe besudelt werden, an irgendwelchen ominösen "Gedenk"tagen (z.b. 20. April, 20. September...) werden dann dubiose Horden mit Reichsflaggen Heldengedenkfeiern vor den Denkmal abhalten, vielleicht wird das Denkmal aber auch nur mit Katzensch... beworfen.

    All das haben Eure Söhne/Brüder/Väter, die von einem verbrecherischen Regime in einem sinnlosen Krieg verheizt wurden, und für deren Andenken dieses Denkmal eigentlich stehen sollte, wirklich nicht verdientI

    Bedankt Euch bei Eurem Gemeinderat!
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  • stefan.behringer@web.de
    Wenn die Bild-Zeitung davon Wind bekommt, dann knickt der Gemeinderat schon noch ein. Wetten?
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Denke mal die Bild hat schon längst davon Kenntnis!
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  • elkatvelo@t-online.de
    auf jeden Fall hat man erreicht, dass das Thema umfassend deutschlandweit Beachtung findet, nachdem man sich im Gemeinderat entschlossen hat, erst mal den Namen auf dem Denkmal zu lassen. Natürlich kann und muss man das aufarbeiten, vor allem weil es vor Ort noch zu viele gibt, die sich mit dem "alten Käs" nicht befassen wollen. Jetzt wird man getrieben, weil man sich nicht schnell entscheiden wollte.
    Nur mal zum verdeutlichen: Das war der Vorgesetzte von dem berühmt berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele. Vielleicht ist der Name den Gemeinderäten ein Begriff.

    Wenn man jetzt in den großen Medien, evt auch in den Nachrichten aus Geroldshausen berichtet, was hat man dann gekonnt???

    siehe FAZ: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/bayern-kz-arzt-von-auschwitz-bleibt-vorerst-mit-name-auf-ehrenmal-in-geroldshausen-17237046.html
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  • Logi
    .....oder haben die Wirths noch so viel Einfluss???
    Geld regiert die Welt.
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  • Hei_Do
    Niemand ist für die Taten seiner Eltern oder Großeltern verantwortlich. Wir haben doch keine Sippenhaft mehr!!!
    Sie sind auch nicht für Verbrechen ihrer Verwandtschaft verantwortlich.
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  • Winfriedvath@web.de
    Wenn der Text im Laufe des Tages aktualisiert wird: Könnte man dann auch die Namen der zwei nennen, die sich für die Entfernung ausgesprochen haben? Oder müssen die dann Repressalien befürchten?
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  • gkoeniger
    Teil der Aufarbeitung müsste auch sein: Welche Kräfte haben eigentlich in Geroldshausen nach dem Krieg dafür gesorgt, dass der Name Wirths überhaupt auf dem Gedenkstein landet?
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  • gowell70@yahoo.de
    In einem der anderen Artikel zu diesem Denkmal für einen Massenmörder konnte man erfahren, dass dieser Gedenkstein Anfang der 50er Jahre bei der ortsansässigen Steinmetzfirma Wirths in Auftrag gegeben wurde, und dann stand der Name Dr.Ed Wirths dann ganz zufällig eben auch mit auf dem Gedenkstein, der eigentlich in den Krieg gezwungenen und darin umgekommenen Soldaten ein Andenken bewahren soll.
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  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
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