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Unterpleichfeld
Gemüseanbau: Kann mit Abwasser aus Kläranlagen bewässert werden?
Im nördlichen Landkreis Würzburg wird zum Gemüseanbau viel Wasser benötigt. Aber wo soll es herkommen? Ein Bergtheimer bringt eine innovative Idee ins Spiel.
Im Jahresdurchschnitt fließen rund eine Million Kubikmeter Wasser durch die Verbandskläranlage in Unterpleichfeld. Roland Keller plädiert dafür, das gereinigte Wasser nicht in die Pleichach abzulassen (im Bild), sondern es für die Bewässerung der Felder zu nutzen.
Foto: Irene Konrad | Im Jahresdurchschnitt fließen rund eine Million Kubikmeter Wasser durch die Verbandskläranlage in Unterpleichfeld.
Irene Konrad
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:28 Uhr

Der "Würzburger Norden" ist kein Tourismushotspot. Aber die Böden in Bergtheim, Hausen, Oberpleichfeld, Unterpleichfeld und Prosselsheim sind sehr fruchtbar. Seit jeher wird hier Gemüse produziert. Und aufgrund der Trockenheit im Sommer längst mit Grundwasser beregnet. Die Landwirte sind auf Wasser angewiesen. Woher soll es kommen, wenn es nicht vom Himmel fällt?

In der "Bergtheimer Mulde" sinkt aufgrund des Klimawandels der Wasserspiegel. Dabei wollen die Landwirte noch viel mehr Wasser als bisher nutzen. 1,5 bis zwei Millionen Kubikmeter würden sie gern in den Wintermonaten aus dem Uferfiltrat des Mains bei Eisenheim entnehmen, in den Bergtheimer Raum transportieren und in neu anzulegenden Seen bis zum Gebrauch in der Vegetationsphase speichern.

Pilotprojekt in Iphofen

In Unterfranken gibt es in Iphofen, Oberschwarzach und Nordheim drei "Pilotprojekte nachhaltige Bewässerung", die das bayerische Umweltministerium auserkoren hat, um die "Bewässerung der Zukunft" zu sichern. Das Ministerium mit Umweltminister Thorsten Glauber ist mit damit "auf der Suche nach intelligenten Projekten, mit denen Wasser effizient, schonend und nachhaltig zu den Feldern geleitet wird".

In Iphofen werden sich der Freistaat, die Stadt und 21 betroffene Weingüter mit ihren rund 262 Hektar Rebfläche die Kosten für das Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 18 bis 20 Millionen Euro teilen. Die Stadt und die Winzer wollen rund fünf bis fünfeinhalb Millionen Euro gemeinsam schultern. Rund 1,5 Millionen Kubikmeter Mainwasser sollen im Winter dem Fluss entnommen und in einem See gespeichert werden.

Zuerst muss eine Machbarkeitsstudie her

Auch im Würzburger Norden soll es diesbezüglich vorangehen. Ende letzten Jahres gründete sich der "Bewässerungsverein Bergtheimer Mulde". Er hat das Ziel, dass vom Freistaat eine Machbarkeitsstudie zur Situation vor Ort durchgeführt wird. Die Landwirte berechneten, dass sie ebenfalls rund 1,5 bis zwei Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Main benötigen. Weil nur eine Kommune den Antrag für die Machbarkeitsstudie stellen kann, sind sie auf Hilfe angewiesen.

Die Gemeinde Bergtheim würde den Antrag stellen. Allerdings nur dann, wenn die umliegenden Gemeinden mitmachen. In Bergtheim, Hausen, Oberpleichfeld und Prosselsheim fassten die Gemeinderäte positive Beschlüsse. Die Gemeinde Unterpleichfeld verweigerte ihre Zustimmung mit einem 8:8 Patt äußerst knapp.

Furcht vor Enteignungen

Als Begründung nannten Bürgermeister Alois Fischer und verschiedene Ratsmitglieder, dass ihnen zum einen das Vertrauen in die Behörden fehlen. Zum anderen sind Bedenken da, dass bei einem noch zu gründendem Wasser- und Bodenverband zu Enteignungen kommen könnte. Diese Furcht kann Landrat Thomas Eberth nicht nachvollziehen. "Wir leben doch in einem Rechtsstaat und können weder Kommunen noch Privatleute einfach enteignen", sagt er.

Eberth hat nun die Verantwortlichen der betroffenen Gemeinden, des Bewässerungsvereins und der Fachbehörden zu Gesprächen eingeladen. Mitte August ist ein weiteres Treffen geplant. "Wir können doch die Machbarkeitsstudie mit ihren vielleicht 200 000 Euro nicht an den höchstens 8000 Euro scheitern lassen, die die Gemeinde Unterpleichfeld nicht übernehmen will", argumentiert er.

Das Wasser sollte in der Region bleiben

Bei der Studie gehe es ja gerade darum, ob das Bewässerungssystem Sinn macht. Vielleicht sei rund um Bergtheim besser, andere Fruchtfolgen und Sorten anzubauen. Wie groß und tief müsste ein Speichersee sein? Was kostet das alles? Man brauche "fundierte Daten" für das konkrete örtliche Vorhaben.

Eine andere Idee hat Roland Keller. Er ist Elektroingenieur und hat beruflich mit Pumpensystemen zu tun. "Ich finde, dass man eine langfristige und vernünftige Lösung braucht", sagt der Bergtheimer. Er ist überzeugt davon, dass das in einer Kläranlage gereinigte Wasser in der Region bleiben sollte.

Aufrüstung auf die Reinigungsstufe 4 nötig

Allein in der Verbandskläranlage des "Abwasserzweckverbands Obere Pleichach" fließen im Jahresdurchschnitt rund eine Million Kubikmeter nach der Reinigung in die Pleichach. Bei der aktuellen Reinigungsstufe 3 gebe es noch Rückstände von Medikamenten, Krankheitserregern oder Mikroplastik. Damit könnten keine Bio-Lebensmittel beregnet werden, so Keller.

Die Aufrüstung der Kläranlage auf die höhere Reinigungsstufe 4 würde etwas kosten. Aber für das "Projekt Mainwasser" werden 15 bis 20 Millionen Euro veranschlagt. Bei diesen Summen lasse sich viel realisieren. Zumal der benötigte Speichersee viel kleiner würde als ein "Wintersee" mit Mainwasser, "weil man jeden Tag Wasser in den See pumpen könnte".

TU München forscht bei Gochsheim und Schweinfurt

Roland Keller geht es auch um die Renaturierung der Bäche, Sickergruben für das Oberflächenwasser oder Wasserrecycling. Leider sei das ankommende Wasser in der Kläranlage nicht in Regenwasser und "klassisches Abwasser" der 8200 Einwohner getrennt. Es besteht laut Klärwärter Ralf Rösner-Scheller zur Hälfte aus Regenwasser und Fremdwasser.

Keller verweist auf europaweite und regionale Studien, die es bereits darüber gibt, wie der Gemüseanbau mit recyceltem Abwasser funktionieren könne. In der Region Gochsheim und Schweinfurt forscht die Technische Universität München (TU) und erstellt zurzeit Demonstrationsanlagen.

Der Landrat ist offen für die Idee

Unterfranken zählt mit einem durchschnittlichen Niederschlag von 450 bis 650 mm zu den trockensten Gebieten in Bayern. Der Klimawandel, geringe Grundwasserneubildungsraten und abflussschwache Oberflächengewässer würden es laut TU München rechtfertigen, die Aufbereitungstechnologie von Kläranlagen zu erhöhen und das gereinigte Wasser für die Felder zu nutzen.

Landrat Eberth ist dieser Idee gegenüber offen, obwohl er wie Bürgermeister Bernd Schraud als Vorsitzender des Abwasserzweckverbands Obere Pleichach Bedenken hat, "ob es sinnvoll ist, es für die Bewässerung unserer Nahrungsmittel zu nutzen". Aber gerade wissenschaftlich aufgearbeitetes Grundwissen" soll die Machbarkeitsstudie ja bringen. "Wir haben oft gefühltes Halbwissen und brauchen mehr Sicherheit."

 
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