Weil der Klimawandel Trockenheit und Hitze beschert, weil er Bäche austrocknen und den Grundwasserspiegel sinken lässt, droht der Schweinfurter Trockenplatte die Versteppung, die sich mit den konventionellen Beregnungsmaßnahmen mangels Masse kaum aufhalten lassen wird. Alternativen aus einem Forschungsprojekt des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz stellten am Dienstag in einer Videokonferenz die Regierung von Unterfranken und die Technische Universität (TU) München für den Kräuter- und Gemüseanbau am Unkenbach bei Schwebheim, auf 60 Hektar Feld bei Gochsheim sowie für Schweinfurts Straßenbäume und das Gelände der Landesgartenschau in der ehemaligen Ledward-Kaserne vor.
Untersucht wurden die Einsatzmöglichkeiten des im Schweinfurter Klärwerks gereinigten Abwassers, des Regenwassers von versiegelten Flächen oder etwa auch von Produktionswasser aus der Industrie. Als gut nutzbare Ressourcen erkannt wurden das Klärwasser und Wasser aus den Schmachtenseen (Baggerseen der Kiesausbeute durch die Firma Glöckle zwischen der Naherholungsanlage Baggersee und dem Industrie- und Gewerbepark Maintal).
Beteiligt an dem vor zwei Jahren gestarteten Projekt waren neben der TU München und der Regierung in Würzburg das Umweltministerium, die Stadt Schweinfurt sowie die Gemeinden Gochsheim und Schwebheim, die Akteure im Naturschutz, Industrie und Gewerbe, Wasserwirtschaftsämter, Beregnungsverbände, die Landwirtschaftsverwaltung und der Bauernverband.
Costa Brava am Main
Eröffnet wurde die Videokonferenz von Umweltminister Thorsten Glauber. Er betonte, dass bei dem "Trockenstress" auf der Schweinfurter Platte "jeder Tropfen" zähle und man der Herausforderung in dem regenärmsten Gebiet des Freistaats mit neuen Ideen begegnen müsse. Die Herausforderungen wurden anschließend von der TU München benannt: acht der zehn wärmsten Jahre in Bayern wurden in den letzten zehn Jahren notiert. Bis 2050 werde die Jahresdurchschnittstemperatur um 2,5 Grad steigen, wobei die Trockenperioden länger und vor allem zum Vegetationsbeginn im Juni intensiver ausfallen würden. Auch wurde für Schweinfurt ein "mediterranes Klima" mit Niederschlägen wie an der Costa Brava (400 mm) und damit ein über den ganzen Sommer reichendes Wasserdefizit vorausgesagt, das nicht allein durch das aus dem regenreichen Südbayern über den Donau-Main-Kanal gepumpte Nass auszugleichen sei.
Eine vielversprechende Alternative sehen die Macher der Studie im Wasserrecycling. Kein Kläranlagenwasser, sondern ein auf die Zwecke abgestimmtes "Nutzwasser" aus dem Klärwerk wird favorisiert – etwa für Schweinfurt, wo die Stadionflächen bislang mit Grundwaser aus einem Notbrunnen und die Bäume an den Straßen und in den Parks mit Mainwasser aus den Tanks von drei Tanklastern bewässert werden. Von den Schwebheimer Landwirten werden aktuell bis zu 100 Hektar künstlich bewässert. Das Wasser kommt aus zwölf Brunnen, 15 Wasserbecken und (bis 2017) vor allem aus dem mit Stauhaltungen versehenen und mittlerweile im Sommer ausgetrockneten Unkenbach.
Neben den Flächen in Schweinfurt und bei Schwebheim wurde das intensiv bewässerte und 60 Hektar große Areal direkt bei Gochsheim südlich der Verbindungsstraße nach Grafenrheinfeld untersucht. Dort führt die Nutzung der Brunnen in den Monaten April bis August zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels um drei Meter.
Unter den angedachten Alternativen wurde die Nutzung der Grundwasserabsenkungsanlage von Grafenrheinfeld (Schutz vor feuchten Kellern) ausgemustert, weil diese im Sommer kein Wasser fördert. Weil nicht effektiv, wurde auch der Einsatz von Produktionswasser aus der Industrie nicht weiterverfolgt. Ähnliches gilt für das Einsammeln von Regenwasser von Dächern und versiegelten Flächen in Gewerbegebieten. Zudem sei dieses Wasser oft mit Schadstoffen belastet. Die Gewinnung von Uferfiltrat (Begleitwasser des Mains) wurde nicht näher erwogen, weil man dieses für die Trinkwassergewinnung nutzen solle.
Zwei sechs Meter tiefe Seen
Neben dem Klärwerk benennt das Forschungsvorhaben die Schmachtenseen (Wasserflächen von 14 und sieben Hektar, bis sechs Meter tief, gespeist durch Grundwasser) als gut nutzbare Ressourcen. Die vorgelegten Berechnungen gehen davon aus, dass die zwei Seen zwei der Testgebiete komplett versorgen könnten und dann der Wasserspiegel selbst in einem heißen Sommer nur um zehn bis 15 Zentimeter sinken würde.
Aus dem Schweinfurter Klärwerk fließen jährlich zehn Millionen Kubikmeter gereinigtes Abwasser in den Main – mit vergleichbaren Mengen im Sommer und Winter. Ein Zehntel davon reiche für die vollständige Versorgung aller drei Gebiete, so der Forschungsbericht. Selbst bei einer Nutzung der zehn Millionen Kubikmeter für weitere Flächen sei keine Auswirkung auf den Pegel des Flusses zu erwarten, hieß es bei der Konferenz.
Voraussetzung sei jedoch eine weitere Wasseraufbereitung durch den Bau einer vierten Reinigungsstufe im Klärwerk, die das pathogene Risiko durch Bakterien und Viren reduziere, die Gefahr von Antibiotika-Resistenzen banne und Chemikalien wie Stickstoffe und Salze entziehe. Vorgeschlagen ist dafür eine Keramische Ultrafiltration in Zusammenspiel mit UV-Bestrahlung, dem Einsatz von Ozon oder etwa auch von Pulveraktivkohle.
Höhere Abwassergebühren
Die Bedarfsermittlung ergab 230 000 Kubikmeter Gießwasser pro Jahr für die zwei Testgebiete Schweinfurt (Gelände TVO, Pfisterpark, Sportstätten Humboldt-Gymnasium, Stadion, Landesgartenschaugelände, Carus-Allee, Eishalle und DJK – zusammen 33 Hektar ) und Gochsheim sowie 300 000 Liter mit Schwebheim und somit für alle drei Bereiche. Die Kosten für die 3,5 Kilometer lange Druckleitung in Schweinfurt vom Klärwerk bis zum Stadion (verlegt im bestehenden Hauptsammelkanal) wie auch für eine sechs (bis Gochsheim) oder acht Kilometer lange Leitung (bis Schwebheim) sind mit Beträgen im untersten einstelligen Millionenbereich angegeben. Das Aufrüsten des Klärwerks (auf ein wohl sowieso alsbald gesetzlich vorgeschriebenes Niveau) würde zu einer Erhöhung der Abwassergebühr zwischen 20 und 80 Cent für den Kubikmeter führen.
Einen Erfolg hat die Forschungsarbeit bereits eingefahren. Das Bundesforschungsministerium hat für die jetzt geplante Demonstrationsphase bereits einen Zuschuss zugesagt. Bei diesem Schritt wird für den Probebetrieb ein Gewächshaus auf dem Gelände des Klärwerks entstehen. Zudem soll das Sportgelände des TV Oberndorf in die Versuchsreihe einbezogen werden.