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Würzburg
Gelähmtes Würzburg? Wie die Testpflicht dem Einzelhandel helfen könnte
Seit der Testpflicht liegt der Würzburger Einzelhandel brach. Dabei gibt es mitten in der Innenstadt ein florierendes Testzentrum. Warum wird es bislang kaum genutzt?
Seit der Testpflicht liegt der Würzburger Einzelhandel brach.
Foto: HMB Media/Julien Becker | Seit der Testpflicht liegt der Würzburger Einzelhandel brach.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:59 Uhr

Ein runder weißer Stehtisch im Eingang ist derzeit Juwelier Stefano Birners wichtigste Verbindung zu seinen Kunden. Hier nimmt er die wenigen Bestellungen an, die an diesem kalten und manchmal nieseligen Donnerstagnachmittag in der Domstraße aufgegeben werden. Hier eine Uhr mit zu engem Armband, da ein Collier, das gerichtet werden muss. Es sind flüchtige Begegnungen – drei Sätze, 30 Sekunden, dann sind die Kunden wieder weg. Der weiße Stehtisch, er ist mehr Barriere als Verbindung. "Es fühlt sich an, als sei man gelähmt", sagt Birner.

Seit für Würzburg die Notbremse gilt, darf Birner nur noch Menschen mit einem aktuellen, negativen und offiziell bescheinigten Corona-Test einlassen. Das Problem laut Birner: Kaum einer weiß, wo in Würzburg solche Tests erhältlich sind, noch weniger können einen vorweisen. Die Kundenfrequenz sei quasi auf Null gesunken, die Leute blieben lieber zuhause. "Ewig können wir das nicht durchhalten." Wie also könnte eine Perspektive aussehen? "Wir sehen eigentlich keine wirkliche Perspektive", sagt Birner.

Modehaus Severin in Würzburg: Es muss endlich etwas passieren

Perspektivlos wirkt auch das Geschehen wenige Meter weiter im Modehaus Severin. Das Geschäft ist geöffnet, eine Tafel am Eingang erklärt die aktuellen Bestimmungen: Einlass nur mit gültigem Schnelltest. Ein Blick ins Innere zeigt gähnende Leere, ein einzelner Mitarbeiter räumt gedankenverloren einige Kleidungsstücke herum. 

 "Es muss endlich etwas passieren", sagt Maximilian Severin, Geschäftsführer des gleichnamigen Modehauses. Eigentlich sei sein Geschäft doch geöffnet, aber: "Die Leute kommen einfach nicht." Angesichts des organisatorischen Aufwands für einen Schnelltest sei dies auch verständlich, sagt er. Was aber tun? "Wir brauchen einen Lockdown", sagt Severin, "außerdem bessere Kommunikation mit den Schnelltests und endlich schnellere Impfungen."

Weil kaum einer seiner Kunden tatsächlich einen der verpflichtenden Corona-Schnelltests vorweisen kann, sieht Juwelier Stefano Birner 'keine wirkliche Perspektive'.
Foto: Thomas Obermeier | Weil kaum einer seiner Kunden tatsächlich einen der verpflichtenden Corona-Schnelltests vorweisen kann, sieht Juwelier Stefano Birner "keine wirkliche Perspektive".

Am Oberen Markt auf Höhe der Eichhornstraße steht etwas verloren ein einzelner Mann mit einem Turnbeutel in Deutschlandfarben und einem Schild. "Gesund durch Impfung?" steht darauf. Dem Schild ist zu entnehmen, dass der Mann Impfungen für gefährlich hält. Er ist etwa 40, hat leicht zottelige Haare und sieht einsam aus. Sein Schild ist abgegriffen, als hätte sich jemand in den vergangenen Monaten zu fest und zu häufig daran festgehalten.

"Das macht doch gar keinen Sinn", wundert sich eine ältere Frau, die sich mit ihrem Mann auf nahgelegenen Sitzbänken niederlässt, über den Demonstranten. "Impfungen schützen, aber machen doch nicht gesund." Die beiden stellen sich als Hannelore und Klaus Amann aus Gerbrunn vor. Die Amanns lachen viel, am Mittwoch haben sie sich gemeinsam impfen lassen. Es sei zwar nur ein erster Schritt. "Aber man darf sich nicht so runterdrücken lassen, es kommen auch wieder andere Zeiten."

Getestet haben die Amanns sich für ihren Ausflug in die Stadt nicht extra. Zu umständlich sei das dafür, dass sie nur etwas in einer Drogerie besorgten wollten. Ob ihnen nicht die Bummelei in anderen Geschäften abgeht? "Gerade muss man sich halt ein wenig einschränken."

Corona-Krisenmanager: Testangebot kann Normalität ermöglichen

Ein Besuch im Würzburger Burkardushaus. Hier wurde Ende letzter Woche von Stadt und Landkreis Würzburg ein Zentrum für kostenlose Schnelltests eingerichtet, seit Montag ist es geöffnet. Der Betrieb brummt, Menschen kommen und gehen, eine freundliche junge Frau scannt Anmeldungen auf dem Handy der Besucher. Doch warum ist davon im Einzelhandel kaum etwas zu bemerken? "Es muss sich bei der Masse der Leute erst noch rumsprechen, dass hier kostenlose Schnelltests möglich sind", sagt Paul Justice, Krisenmanager im Würzburger Gesundheitsamt.

Bis zu 2000 tägliche Tests sollen im Burkardushaus bald schon möglich sein. 434 waren es laut Betreiber am Mittwoch, 537 am Donnerstag – die meisten davon Eltern, die ihre Kinder für die Schule testen lassen. Für Kinder sollen laut Krisenmanager Justice hier bald schon speziell schonende Tests angeboten werden. "Der Fokus liegt auf der Durchbrechung von Infektionsketten, aber auch der Einzelhandel kann profitieren, sobald Tests allgegenwärtig sind", sagt Justice.

Nur zwei Minuten dauert laut Betreiber ein kostenloser Schnelltest im Würzburger Burkardushaus.
Foto: Silvia Gralla | Nur zwei Minuten dauert laut Betreiber ein kostenloser Schnelltest im Würzburger Burkardushaus.

Nur rund zwei Minuten dauert ein Schnelltest im Burkardushaus laut Betreiber – wenn zuvor eine Online-Registrierung erfolgt ist. Das Ergebnis würde im Nachgang dann innerhalb weniger Minuten per SMS oder E-Mail versendet und sei allgemein im Würzburger Einzelhandel gültig. In Ausnahmefällen sei auch eine analoge Anmeldung möglich, hier müssten jedoch längere Wartezeiten in Kauf genommen werden.

Die Würzburger Behörden erhoffen sich eine echte Veränderung durch das breite Testangebot: "Wir müssen umdenken. Ich glaube, dass bei den Tests ein Gewöhnungseffekt einsetzen und wieder etwas Normalität ermöglichen wird", sagt Justice. Dann kann vielleicht auch Juwelier Birner seinen weißen Tisch im Eingang wieder entfernen.

Hinweis: In Stadt und Landkreis Würzburg gibt es inzwischen zahlreiche Stellen, an denen man sich testen lassen kann. Über die Testmöglichkeiten kann man sich unter www.landkreis-wuerzburg.de/testzentren informieren. 

 
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  • N. K.
    Wen wundert´s?
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  • D. H.
    Einkaufen macht momentan überhaupt keinen Spaß, auch nicht mit Schnelltests. Ich bin Spontankäufer und will mich nicht Tage vorher online zum Test anmelden. Mit der Maske habe ich nach 10 Minuten das Gefühl zu ersticken und muß fluchtartig das Geschäft verlassen. Dann lieber mein Geld sparen. Online einkaufen ist bei einigen Sachen auch keine Option, da ich die Dinge begutachten möchte.
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  • E. S.
    man muss manche Politiker testen zu ???
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  • K. F.
    wielange werden Würzburg oder auch andere Städte noch Geisterstädte bleiben? Schlimmer geht es eigentlich nimmer! Während Österreich kommende Woche wieder öffnen will wird in DL alles dicht gemacht. Wielange werden die Bürger in unserem Land dies wohl noch akzeptieren? Nach dem 1. Lockdown 2020, der ja bekanntlich vom 15.3. bis zum 4. Mai 2020 ging hies es, es werde wohl keinen 2. Lockdwon mehr geben. Doch unkenrufe zu folge, bereits ab September, als man dümmlicher Weise die Grenzen für alle Urlaubsreisenden aufmachte, kam dann der herbe Rückschlag! Ab November gab es Verschärfungen, ab Mitte Dezember kam dann doch wie es kommen musste der 2. Lockdown. Wie lange will man diesen noch verlängern und wie oft? Beim Menschen geht es wie bei den Dinosauriers, irgendwann gibt es auch die Spezies Mensch nicht mehr lange!
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  • H. H.
    Genau das ist gewünscht! Reduktion in Namen der Klimaforschung usw.
    Wie schön ist unser Planet wäre wenn nicht zu viele da CO2 pupsen würden
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  • m. w.
    Grossen Respekt an alle, die die Geschäfte so aufwändig am "Leben erhalten"Das ist ganz furchtbar für alle Einzelhändler/Gastro uvm, jedoch wir müssen bedenken, es finden keine Feiern, (Hochzeiten, Geburtstage, Kommunion, Konfirmation, Taufen....rein gar keine festliche Zusammenkünfte mehr statt, wer braucht jetzt neue Kleidung? Für zuhause sitzen brauchen wir kaum etwas. Noch nicht mal für Garten, Sport, Freizeit.
    Haltet durch, wir kommen wieder in eure tollen Geschäfte! "nach einem harten Lockdoun ist das möglich"
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