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Würzburg
Gefährlicher Trend Lachgas ist auch in Würzburg bemerkbar: Eine Konsumentin erzählt vom Kick aus der Sahnekapsel
Lachgas ist seit einigen Jahren als Partydroge auf dem Vormarsch – auch in Würzburg. Doch der Konsum kann höchst gefährlich sein. Eine Konsumentin und ein Arzt berichten.
Lachgas wird nicht nur in deutschen Großstädten als Droge missbraucht, auch in Würzburg ist der Konsum bemerkbar. 
Foto: Patty Varasano (Symbolfoto) | Lachgas wird nicht nur in deutschen Großstädten als Droge missbraucht, auch in Würzburg ist der Konsum bemerkbar. 
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 15.07.2024 21:52 Uhr

Er taumelt über die Bühne, immer wieder verliert er das Gleichgewicht, fällt mehrfach fast hin – das Video, das den Rapper Haftbefehl 2022 bei einem Konzert in Mannheim zeigt, wurde tausendfach geteilt. Das Konzert musste abgebrochen werden. Erst im Jahr darauf bestätigt Haftbefehl, der zu den erfolgreichsten Rappern Deutschlands gehört, was im Netz schon vermutet wurde: Grund für den Abbruch war eine Überdosis Lachgas.

Eine Droge, die vollkommen legal und einfach zu erhalten ist. Und längst ist Lachgas nicht mehr nur Thema in deutschen Großstädten in den Ballungszentren - auch in Würzburg ist der gefährliche Trend angekommen.

Würzburgerin erzählt: "Man ist benebelt und irgendwie in seiner eigenen Welt"

Luise F. (Name von der Redaktion geändert) ist 22 Jahre alt, als sie zum ersten Mal mit Lachgas in Berührung kommt. Die Studentin ist gerade frisch nach Würzburg gezogen, als ihre Freundin bei einer WG-Party das Gas in Form von Sahnekapseln auspackt. Inhaliert wird es durch Luftballons, die mit dem Lachgas befüllt werden. "Erst war ich skeptisch, aber ich habe ihr als Freundin vertraut und hab es dann probiert", erzählt sie. Heute, drei Jahre später, zählt sie sich zu regelmäßigen Konsumentinnen. Etwa einmal im Monat sucht sie bei WG-Partys den Kick aus der Kapsel, hat den Konsum, so sagt sie, jedoch im Griff.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

"Man ist benebelt und irgendwie in seiner eigenen Welt. Jedes Geräusch ist hallend und man fühlt sich irgendwie zufrieden", beschreibt sie das Gefühl dabei. Gut finde sie, "dass es ein kontrollierter Rausch ist, nach etwa zehn Sekunden ist alles wieder wie vorher."

Gesundheitliche Risiken von Lachgas-Konsum sind äußerst kritisch

Dass der Rausch vielleicht auch außer Kontrolle geraten kann und deshalb keinesfalls unterschätzt werden darf, weiß Dr. Christian Markus, Narkosearzt an der Uniklinik Würzburg. "Lachgas kickt, macht die Angst weg, macht schläfrig und kann je nach Dosis Euphorie hervorrufen. Das Gefährliche daran ist jedoch, dass es den Sauerstoff verdrängt und zu schwersten Hirnschäden bis zum Tod führen kann. Bei längerem Konsum kann es Schäden an den Nerven verursachen", erklärt er im Gespräch mit der Redaktion. Zudem könne es sich negativ auf den Stoffwechsel und die Blutbildung auswirken.

Dr. Christian Markus ist Narkosearzt an der Uniklinik Würzburg.
Foto: Dirk Werdermann | Dr. Christian Markus ist Narkosearzt an der Uniklinik Würzburg.

Es gibt Berichte über Menschen, die nach intensivem Konsum im Rollstuhl gelandet sind. Für den Arzt ist das nichts Ungewöhnliches. "Aufgrund von Nervenschäden kann es auch zu Lähmungen kommen", sagt er.

Auch der städtischen Jugend- und Drogenberatung ist der Trend bekannt

Sogar bei Kindern und Jugendlichen ist der gefährliche Trend bereits angekommen. Bereits im August 2023 richtet sich der Fachbereich Jugend und Familie der Stadt Würzburg in einem Brief an Eltern und pädagogische Fachkräfte. "Voller Sorge" werde der gefährliche Konsumtrend derzeit registriert. "Bei Jugendlichen ist der Lachgaskonsum wohl auch deshalb im Trend, weil es eine günstige und legale Konsumform ist", heißt es darin. Es wird gebeten, wachsam zu sein, "allerdings ohne Ihre Kinder mit der Info zur Konsummöglichkeit erst auf die Idee zu bringen."

Ähnliches berichtet die städtische Jugend- und Drogenberatung. "Wie es sich abzeichnet, scheint der Trend vor allem bei sehr jungen Konsumierenden in Schulen und Jugendzentren aufzufallen", berichtet Holger Faust von der Beratungsstelle gegenüber der Redaktion. Seit zwei Jahren verfolgt die Stelle den Lachgas-Trend mit. Dieser sei vor allem auch im Mischkonsum mit anderen Partydrogen bekannt.

Auch aus dem Automaten kann man sich die Lachgas-Kapseln ziehen

Das Gefährliche: Lachgas ist frei im Handel zu kaufen und deshalb auch speziell für Minderjährige einfach zu erwerben. Denn das Gas ist in Kapseln, die eigentlich zum Aufschäumen von Sahne gedacht sind, enthalten. Die Betroffenen atmen das Gas dann aus mit Lachgas gefüllten Ballons ein. Die Würzburger Studentin Luise F. bekommt das Lachgas über ihre Freundin. Diese bestellt es im Netz, "da kann man das im 100er-Pack als Sahnekapseln kaufen".

Neben verschiedenen Getränken oder Snacks sind mittlerweile auch Lachgas-Flaschen in einem Automatenladen in Würzburg zu finden. 
Foto: Patty Varasano | Neben verschiedenen Getränken oder Snacks sind mittlerweile auch Lachgas-Flaschen in einem Automatenladen in Würzburg zu finden. 

Doch sogar in Automatenläden, wie in der Sanderstraße in Würzburg, wird das Gas in Kartuschen verkauft. Betreiber Nicolas Gancarz verdeutlicht jedoch, dass diese "nur für das Aufbereiten von Lebensmitteln" gedacht seien. Trotzdem sei ihm bewusst, dass das Gas von Konsumenten missbraucht werde. "Deshalb verkaufen wir keine Luftballons dazu", sagt er. Genaue Zahlen, wie oft die Kapseln über die Ladentheke gehen, könne er nicht nennen. "Das Produkt läuft aber gut."

Ob diese nicht vorhandene Hürde dafür sorgt, dass immer mehr Menschen Lachgas konsumieren? "Ja, vielleicht schon", sagt Luise F. Dass es so einfach ist, an das Gas zu kommen, sei auf jeden Fall einer der Gründe für ihren Konsum. Außerdem: So richtig ernst nimmt sie die Gefahren nicht, gibt die inzwischen 25-Jährige zu. "Ein bisschen Angst ist da schon immer, man könnte ja bewusstlos werden, wenn man es zu weit treibt. Dessen bin ich mir schon bewusst, aber ernst nehme ich es nicht." 

Derzeit wird ein Verbot von Lachgas geprüft 

Die bayerische Staatsregierung will den Verkauf von Lachgas künftig stärker reglementieren. Die missbräuchliche Verwendung zu Rauschzwecken sehe man aufgrund der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken äußerst kritisch, teilte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums im Mai der Deutschen Presseagentur mit. Derzeit wird geprüft, wie ein Verbot am sinnvollsten umgesetzt werden könne.

"Lachgas konsumieren in erster Linie Menschen, die dumm sind"
Dr. Christian Markus, Facharzt für Anästhesiologie

Das findet auch Christian Markus gut. Der Narkosearzt sieht die aktuellen gesetzlichen Regelungen bezüglich Lachgas als unzureichend an. "Da die medizinische Nutzung mehr oder weniger ausläuft, gibt es sonst keine Anwendungen mehr dafür", sagt er und betont noch einmal die Gefährlichkeit des Gases: "Lachgas konsumieren in erster Linie Menschen, die dumm sind", denn hierbei habe man die sofortige Gefahr einer Sauerstoffunterversorgung, "die im schlimmsten Fall tödlich enden kann."

Und auch der Rapper Haftbefehl spricht sich inzwischen für ein Verbot der Substanz aus. Zeitweise habe er bis zu 50 Flaschen der Substanz am Tag konsumiert, sagte er gegenüber RTL. Mittlerweile sei er davon weggekommen. Denn: "Das Gas macht einen komplett zum Zombie."

Was ist Lachgas?

Lachgas (Distickstoffoxid) ist eines der ältesten Narkosemittel der Welt. In der modernen Medizin ist das Gas zunehmend entbehrlich, auch weil es sich schädlich auf die Erdatmosphäre auswirken kann. Nach wie vor wird es aber vor allem in der Kinderanästhesie und bei zahnärztlichen Prozeduren verwendet. Besonders bei ängstlichen Patienten wird es zur Anlage einer örtlichen Betäubung oder kurzen, wenig schmerzhaften Eingriffen in der Zahnheilkunde eingesetzt.
Lachgas wird jedoch nicht nur in der Medizin als Narkosemittel verwendet, sondern auch in der Industrie - unter anderem in Spraydosen oder Sahnespenderkapseln.
Hier gibt es Hilfe:
Das Projekt mindzone in Trägerschaft der Stadt Würzburg leistet mit Infoständen in Clubs und auf Festivals Suchtprävention. Website: https://mindzone.info/substanzen/lachgas/
Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtprobleme: Tel.: (0931) 386 59 180; sucht@caritas-wuerzburg.org
Quelle: Dr. Christian Markus, ssc
 
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  • Torsten Jansen
    Herr Gancarz gibt an, das Lachgas, das neben Getränken und Snacks in seinem Automaten liegt, zur Aufbereitung von Lebensmitteln anzubieten. Das macht natürlich total Sinn und erscheint absolut glaubwürdig. Klar, sonst wären ja auch die Luftballons mit im Angebot. Nein, für den Konsum als Rauschmittel sind diese Dosen nicht gedacht! Wer kommt denn auf so eine Idee?
    Braucht man eigentlich eine Lizenz, um solche Automaten aufzustellen? Woher bekommt man die? Wer kontrolliert, dass das Angebot in Ordnung ist?
    Das sind so Fragen, die angesichts dieses Automaten in der Sanderau aufkommen könnten.
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  • Heike Gretsch
    Höchst merkwürdig....? Hier äußern sich Studenten, somit Menschen, die über die Hochschulreife verfügen. Darin steckt "Reife", davon ist bei so einem Verhalten aber nichts zu vorhanden.
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  • Klaus B. Fiederling
    "die Dummheit der Menschheit nimmt stündlich zu,..." sagte mal ein Bekannter vor schon gut 30 Jahren. 10 Jahre später: Nein nur noch halbstündlich nimmt die Dummheit der Menschen zu.
    Jetzt 2024?1 Minute? Mit was für Mitteln ruiniert der Mensch eigentlich sein Leben, seine Gesundheit? Drogenmittel von Staat freigegeben, Lachgas .... arme Menschheit, wie tief bist Du gesunken. Wie sieht es in 10-15 Jahren in DL aus? MEI O MEI!!
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  • Peter Koch
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