Oliver Zimmer gehört zu den Regisseurinnen und Regisseuren, die regelmäßig am Torturmtheater Sommerhausen (Lkr. Würzburg) inszenieren. Derzeit läuft dort das Zwei-Personen Stück "Und das Wort war Gott": Der transgender Mann Victor möchte sein Telefon-Konto kündigen, doch Frieda von der Hotline, eine gläubige Christin, kann ihm nicht helfen, weil das Konto noch auf den Namen Victoria läuft. Oliver Zimmer hat das Stück von Kit Redstone aus dem Englischen übersetzt, es läuft in deutschsprachiger Erstaufführung. Er legt es nicht als Lehrstück über das Thema Transgender an, sondern als Begegnung zweier unterschiedlicher Menschen mit überraschenden Gemeinsamkeiten.
Oliver Zimmer: Das stimmt. Sie ist ein neugieriger, naiver und vor allem offener Mensch. Und damit ist sie einen Schritt weiter als die Gesellschaft, wer auch immer das sein mag.
Zimmer: Absolut. Dafür spricht vieles. Die Unwissenheit in der Mehrheitsgesellschaft ist tatsächlich das Hauptthema. Es wird viel angenommen und unterstellt und selten mit den Leuten gesprochen, die es tatsächlich betrifft.
Zimmer: Das ist ein wichtiges Motiv des Stücks. Kit Redstone zeigt, dass ähnliche Entwicklungen in ganz vielen unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen passieren. So wird beim Telefongespräch schnell erreicht, dass man sich mit Victor, dem trans Mann, identifiziert, und nicht mit der cis Frau, von der man zumindest am Anfang meint, sie gehöre zur Mehrheitsgesellschaft. Außerdem haben Friedas Themen wie Feminismus und Glaubensfreiheit auch ganz viel mit trans Identität zu tun.
Zimmer: Könnte man so sehen. Ich habe den Autor persönlich kennengelernt. Er hat ein sehr hohes Cis-Passing als Mann, wie man sagt. Das heißt, dass man überhaupt nicht bemerkt, dass er trans ist. Das ist eine spezielle Art von Trans-Identität, die nicht auf jeden zutrifft. Ich glaube, er möchte nicht ein Bild aller Facetten des Themas zeigen, sondern seine ganz spezielle. Und damit ist er zumindest äußerlich näher am Mainstream dran als etwa eine trans Frau wie die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer, die in der Öffentlichkeit sofort als trans Mensch gelesen wird.
Zimmer: Absolut. Das ist etwas, was mich sofort an dem Stück interessiert hat, denn Schablonen bei dem Thema gibt es genügend, da braucht man nur auf Twitter gehen.
Zimmer: Ja, aber hauptsächlich im Sinne einer zeitlichen Verschiebung. In England und teilweise den USA haben einige Entwicklungen bereits stattgefunden: Mit wachsender Sichtbarkeit der Community werden ähnliche Kämpfe ausgefochten. Es werden mehr Rechte gefordert, in Deutschland etwa das geplante Selbstbestimmungsgesetz. Demnach können transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen künftig ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine einfache Erklärung ändern lassen. Damit werden auch die Stimmen derer lauter, die darin eine Gefahr sehen. Und somit sind die Polemiken hier ganz ähnlich denen, die schon vor ein paar Jahren in Großbritannien zu lesen waren. Es hat schon einen Grund, warum die Fronten etwa um eine Joanne K. Rowling so verhärtet sind.
Zimmer: Jein. Joanne K. Rowling hat transidenten Menschen in ihrer Selbstwahrnehmung immer wieder das Existenzrecht abgesprochen. Deshalb gab es einen entsprechenden Shitstorm. In Deutschland und auch teilweise England wurde es aber runtergehandelt, als gehe es ihr nur um eine Frage der Sprache. Der Artikel, den sie in ihrem berühmten Tweet kritisiert hatte, wurde weitgehend verschwiegen und somit die ganze Diskussion verzerrt wiedergegeben.
Zimmer: Sichtbarkeit in den Medien, im Theater, im Film ist extrem wichtig. Im Falle der trans Identität gibt es mit Recht seit einigen Jahren auch in Deutschland die Forderung, trans Rollen auch mit trans Darsteller*innen zu besetzen. Nicht, weil andere das nicht spielen könnten, wie man in unserer Produktion sehen kann, sondern, weil trans Schauspieler*innen oft immer noch nicht die Möglichkeit haben, andere Rollen zu spielen. Aber natürlich gibt es dann die Realitäten: So viele trans Schauspieler, die dann auch noch für sechs Wochen Proben und zwei Monate Vorstellungen im Torturmtheater zur Verfügung stehen, gibt es nicht. Deswegen haben wir nach einer längeren Suche in Absprache mit Mitgliedern der Community den Horizont erweitert. Denn das Wichtige ist ja, dass dieses Stück gespielt wird.
Zimmer: Das hängt ganz stark von der Figur im Stück ab. Natürlich ist Körpersprache durchaus ein Thema für viele trans Menschen. Aber es gibt auch genügend Betroffene, die gar nicht darauf achten, ob ihre Körpersprache dem Klischee ihres Geschlechts entspricht oder nicht. Aber als Regisseur sollte man sich natürlich mit der Thematik auseinandergesetzt haben und nicht Narrationen wiederholen, die die LGBTQ-Community ablehnt, auch wenn diese aus lauter unterschiedlichen Individuen besteht.
Zimmer: Der Schlüssel ist natürlich, mit denen zu sprechen, die das betrifft. In meinem Fall ist das recht gut gegangen, weil ich das Stück übersetzt habe und mit dem Autor Kontakt hatte. Da konnte ich einige klärende Gespräche führen. Aber auch in meinem privaten Bekanntenkreis kenne ich einige trans Menschen. Und da lernt man schnell, was als verletzend wahrgenommen wird. In den 80er Jahren musste man auch erstmal lernen, dass es besser ist, "hetero" zu sagen als "normal". So wie der Ausdruck "cis" nicht "normal" meint, sondern eben "nicht transgender".