Theresa Mähler erinnert sich noch genau an die Geburten ihrer beiden Töchter. Sie habe sich eine natürliche Geburt gewünscht und sich schon bei der ersten Schwangerschaft bewusst für das Würzburger Geburtshaus entschieden. Als die Wehen einsetzten, sei sie so lange wie möglich zu Hause geblieben - dann machte sie sich mit ihrem Mann auf den Weg nach Würzburg. "Ich konnte zu jeder Zeit das tun, wonach mir war."
Ihre erste Tochter kam nach sechs Stunden in der warmen Geburtswanne zur Welt. Auch die Geburt ihres zweiten Kindes sei sehr gut verlaufen: "Es waren sehr bestärkende Erfahrungen." Gerade erwartet die junge Mutter ihr drittes Kind, noch im Mai soll es auf die Welt kommen - auch im Geburtshaus.
Bewusste Entscheidung für den Geburtsort
Dass die Entscheidung auch Mut erfordert, besonders für Erstgebärende, weiß Hebamme Kathrin Dürr: "Eine Geburt ist immer auch eine Grenzerfahrung." Mit elf Kolleginnen begleitet Dürr im Würzburger Geburtshaus Frauen durch die Schwangerschaft und während der Geburt. Die Hebammen sind gleichzeitig auch die Eigentümerinnen der bislang einzigen Einrichtung dieser Art in Unterfranken.
Theresa Mähler hatte sich nach einem gründlichen Vergleich der Geburtsorte für das Haus entschieden. Die Einrichtung in der Äußeren Aumühlstraße gleicht einer Wohnung: helle Räume, viel Holz, behagliche Atmosphäre. In den beiden Geburtsräumen gibt es Hängetücher, Gebärhocker, Pezzibälle, Sprossenwand und eine Entspannungs- und Gebärwanne. "Wir begleiten Frauen auf ihrem Weg, so wie sie es möchten und nicht, wie es eine Routine vorgibt", sagt Hebamme Kathrin Dürr.
Nur zwei Prozent der Geburten in Deutschland nicht in der Klinik
Pro Jahr kommen den Trägerinnen zufolge im Geburtshaus über 220 Kinder zur Welt. Gibt es Komplikationen, rufen die Hebammen den Notarzt oder Babynotarzt. Der Weg in die beiden Würzburger Geburtskliniken dauere im Notfall fünf Minuten: "Das kommt zum Glück sehr selten vor, nur bei etwa fünf Prozent der Geburten", sagt Dürr. Die Hebammen würden in einem engen Radius auch Hausgeburten begleiten.
Fast alle Kinder in Deutschland kommen in Krankenhäusern zur Welt - laut Statistik 98 Prozent. Bei den wenigen außerklinischen Geburten - zu Hause oder im Geburtshaus - sind keine Ärzte dabei. Die Entscheidung dafür werde in der Regel sorgfältig abgewogen, sagt Dürr. "Und es ist notwendig, frühzeitig in der Schwangerschaft einen Platz im Geburtshaus zu suchen." Die Rufbereitschaft kostet 600 Euro, die meisten Krankenkassen würden die Hälfte übernehmen.
Wie sich das Geburtshaus vom Krankenhaus unterscheidet und für welche Frauen es infrage kommt
"Wir entbinden hier niemand. Hier wird geboren", sagt Kathrin Dürr. Im Geburtshaus würden die Hebammen in der Regel "nicht in den physiologischen Verlauf der Geburt eingreifen." Wenn erforderlich, würde die Geburt mit Aromatherapie, Homöopathie, Massagen und Positionswechsel begleitet. Saugglocke, Wehen- oder Schmerzmittel gebe es nicht. In der letzten Phase der Geburt komme eine zweite Hebamme zur Unterstützung dazu, sagt Dürr. "Das wichtigste für eine gute Geburt ist, dass man Zeit hat."
Etwa drei Stunden nach der Geburt würden sich die meisten Mütter mit ihrem Neugeborenen dann schon wieder auf den Heimweg machen.
Eine außerklinische Geburt aber sei nur für gesunde Schwangere ohne absehbare Risiken möglich, erklärt die Hebamme: "Es dürfen keine Grunderkrankungen vorliegen." Auch bei Beckenendlagen, Zwillingen und Frühgeburten kommt das Geburtshaus nicht infrage. Oder wenn das Kind mehr als zwei Wochen über dem errechneten Termin zur Welt kommt.
Wie die Situation in den Kliniken ist und was die Politik sagt
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass jede Gebärende von einer Hebamme begleitet wird. Diese Empfehlung wurde 2021 auch in den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung aufgenommen. Dort heißt es: "Wir werden einen Personalschlüssel einführen, der eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wichtiger Phasen der Geburt gewährleistet."
Allerdings sieht die Realität in vielen Kliniken anders aus. "Das Problem ist das fehlende Personal in den Krankenhäusern", sagt Dürr. Sie und ihre Kolleginnen würden die Frauen bereits in der Schwangerschaft kennenlernen. Das Klinik-Personal sehe die Gebärenden in der Regel erst bei der Geburt zum ersten Mal.
Oberärztin: Im Notfall sind in der Klinik alle schnell zur Stelle
"Wann immer es möglich ist, erfolgt auch in Kliniken eine 1:1-Betreuung", sagt Sabine Schuler, Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Würzburg Mitte (KWM). Durch die Organisation mit fest eingeteilten Hebammen pro Schicht und der Tatsache, dass sich die Natur nicht an einen Terminplan hält, könne es vorkommen, dass mehrere Gebärende gleichzeitig betreut werden müssen. "Im Normalfall nehmen die Gebärenden unser großes Team gar nicht wahr", sagt die Gynäkologin. "Wenn allerdings ein Notfall eintritt, sind in wenigen Minuten alle zur Stelle und können schnell helfen."
Laut Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) bieten die geburtshilflichen Abteilungen in den rund 100 Krankenhäusern in Bayern eine qualitativ hochwertige Versorgung für werdende Mütter. Ob eine 1:1-Betreuung flächendeckend umgesetzt wird, sei jedoch unklar: "Denn die Krankenhäuser sind eigenständige Wirtschaftsunternehmen und unterstehen nicht der Staatsverwaltung", sagt Gerlach.
Theresa Mähler indes hat sich auch wegen der intensiven Betreuung ein drittes Mal für das Geburtshaus entschieden: "So wird ein vertrauensvolles und sicheres Verhältnis geschaffen, in dem eine Frau geborgen, selbstbestimmt und natürlich gebären kann."
Ich verstehe nicht das Problem an "Gebärende" sondern finde die Wortwahl sehr sinnvoll.