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Frickenhausen
Frickenhausen: Gemeindearchivar Bernhard Schenkel liest sich durch historische Ratsprotokolle
Ein Anekdotenschatz für den, der`s lesen kann: Frickenhausens Gemeindearchivar Bernhard Schenkel präsentiert den in diesem Jahr restaurierten Band mit handschriftlichen Ratsprotokollen aus den Jahren 1735 bis 1738.
Foto: Klaus Stäck | Ein Anekdotenschatz für den, der`s lesen kann: Frickenhausens Gemeindearchivar Bernhard Schenkel präsentiert den in diesem Jahr restaurierten Band mit handschriftlichen Ratsprotokollen aus den Jahren 1735 bis 1738.
Klaus Stäck
 |  aktualisiert: 29.01.2023 03:07 Uhr

Geld ist knapp in der Gemeinde, was in den Ratssitzungen oft beklagt wird. Doch dies ist keine Erscheinung unserer Zeit. Schon im 18. Jahrhundert wurde Frickenhausen von Geldsorgen geplagt. Im Jahr 1736 herrschte Armut. Die Gemeinde konnte die fällige Schatzung (Abgabe) an die höhere Herrschaft nicht aus der Kasse bezahlen, sondern musste das Geld dafür aufnehmen. Das ist in etwa so, als wenn heute eine Gemeinde Kredit aufnehmen müsste, damit sie ihre Landkreisumlage bezahlen kann.

Überliefert ist diese Begebenheit in einem Buch aus dem Gemeindearchiv, nämlich in den Ratsprotokollen vom 29. Februar 1735 bis 25. September 1738. Der Band wurde in diesem Jahr restauriert. Wie üblich, stellte Gemeindearchivar Bernhard Schenkel den handgeschriebenen und gebundenen Schatz gegen Ende des Jahres im Gemeinderat vor. Seit 2019 lässt die Gemeinde Frickenhausen jedes Jahr ein Buch aus dem Archiv restaurieren, wofür Schenkel dem damaligen Bürgermeister Reiner Laudenbach, dessen Nachfolger Günther Hofmann und den jeweiligen Gemeinderäten seinen Dank aussprach. Denn es gehe um die Bewahrung der Geschichte von Frickenhausen.

Im Jahr 1736 war nach dem Flurgang offenbar eine Völlerei geplant

Das vorgestellte Buch liefert noch mehr Anekdoten aus dem Ratsalltag. Aus einer wird ersichtlich, dass man trotz knappen Gelds zumindest zu einem besonderen Anlass eine Völlerei veranstalten konnte. Nachdem das Hochgericht als Aufsichtsbehörde "gnädigst befohlen" hatte, den seit zehn Jahren versäumten Markungsumgang (Flurgang) nachzuholen, sah sich der Rat genötigt, schnell zu handeln. Am 16. September 1736 wurde beschlossen, den Flurgang bereits am folgenden Mittwoch, 22. September, durchzuführen - zwar sprichwörtlich mit Pauken und Trompeten, aber doch zu geringeren Kosten als früher. Geschehen sollte dies in Gegenwart des "Herren Keller" (der taucht in den Protokollen öfters auf und war wohl der Bürgermeister), "etlichen des Rats", den fünf Feldgeschworenen, zwei Ratsschultheißen, zwei Waldhornisten, eines Tambours und vier Bürgern mit Gewehr. Wozu beim Flurumgang Bewaffnete dabei sein mussten, darüber darf gerätselt werden.

Genau aufgelistet wurde, was für das Mahl nach Ende des Umgangs bestellt wurde: für neun Florin (damalige Währung) zwei Schüsseln Gerstensuppe, zwei Schüsseln Rindfleisch je 24 Pfund, zwei Hammelschlegel je acht Pfund, "jedem zwei Schüssel Gemüs á 12 Batzen" (ebenfalls Währung), für zehn Batzen Wurst und "sechs gebratene Enten nebst Salat". Selbstverständlich wurden dazu der Pfarrer, Frühmesner und alle Ratsmitglieder eingeladen.

Aufwändige Restaurierung durch einen geprüften Buchrestaurator

Dass Dokumente mit solchen Einblicken in die Geschichte auch für die Zukunft erhalten bleiben, dazu bedarf es eines hohen buchbinderischen Aufwands, den der Frickenhäuser Archivar erläuterte. Als erstes wird der Buchblock ausgekehrt. Denn gegen das Verwischen der Tinte wurde früher auf die Blätter Sand gestreut, der aber zu einem schlechten Zustand führt. Als nächstes werden Risse geschlossen, geklebt und fehlende Teile ersetzt. Dann wird der Buchblock aus dem Deckel gelöst und die Heftlage nachgeheftet, danach der Buchblock von konkav in konvex gebogen. Der Buchblock wird gerundet und hinterklebt.

Am Einbandrücken erfährt das Pergament eine Ergänzung. Der Einbanddeckel wird mehrmals gegenkaschiert. Dann gibt es neue Verschlussbänder und der Buchblock wird wieder mit dem Einband verbunden. Danach braucht das Buch Ruhe - wie auch zwischen den einzelnen vorherigen Arbeitsschritten. Ziel der vielen Mühe sei es, einen originalgetreuen Gesamteindruck zu erhalten, so Archivar Schenkel. Durchgeführt wurden die Arbeiten vom geprüften Buchrestaurator Grötsch in Iphofen. Die Kosten für diesen Band betrugen 1900 Euro.

Immer weniger Menschen können die alten Schriften lesen

Doch allein mit der Restaurierung erfüllt ein Buch noch nicht seinen Zweck. Vielmehr müssen sich die Inhalte erschließen lassen. Und da weist Schenkel auf ein großes Problem hin: Es gibt immer weniger Menschen, die die alten Schriften lesen können. Auch er selbst habe sich bei manchem Wort schwer getan, es zu deuten. Der inzwischen verstorbene Altbürgermeister Heinrich Grieb war noch bewandert auf diesem Gebiet und konnte noch die handschriftliche Gemeindechronik von Bestlen "übersetzen".

Gemeindearchivar Bernhard Schenkel selbst gehörte einem Schriftenlesekreis des damaligen Kreisheimatpflegers Peter Wamsler in Obernbreit an. Doch nach dessen Tod löste sich der Kreis auf. Schenkel wollte noch das Angebot der Volkshochschule Ochsenfurt zu einem Schriftenlesekurs wahrnehmen. Doch der wurde wegen zu geringer Beteiligung abgesagt - Schenkel war der einzige Interessent.

 
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