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GIEBELSTADT
Premiere: Geyer-Festspiele mit Action und Frauenpower
Er schlägt sich auf die Seite der Geknechteten und kämpft gegen den reichen Adel. Ritter Florian Geyer ist ein wahrer Held, der am Ende für seine Ideale gar sein Leben gibt.
Premiere: Geyer-Festspiele mit Action und Frauenpower
Foto: Gerhard Meißner
Von unserem Redaktionsmitglied Gerhard Meissner
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:51 Uhr
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Der Adel prügelt und demütigt die Bauern, was die Steuereintreiber übrig lassen, presst der Klerus aus ihnen heraus, während sich Fürstbischof Konrad von Thüngen in Völlerei ergeht. Not und Unterdrückung bilden den Humus, auf denen die blutigste Erhebung des ausgehenden Mittelalters gedeiht. Florian Geyer führt sie an und scheitert.

„Florian Geyer, der Rebell“ heißt das Stück, das am Wochenende bei den Geyer-Festspielen in Giebelstadt letztmals Premiere feierte. Verbraucht ist der Stoff deswegen noch lange nicht, das haben Regisseur Renier Baaken und seine rund 130 Laienspieler wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. In der aktionsbeladenen Inszenierung gelang es ihnen erneut, das Publikum mit bisher unbekannten Facetten zu überraschen.

Im dritten Jahr gibt Christian Grimm den Geyer. Er ist hineingewachsen in die Figur des Ritters, dessen für die Zeit aufgeklärte Haltung und Abneigung gegen die Geldgier des Klerus ihn auf die Seite der Bauern treibt. Grimm spielt die Rolle ebenso souverän wie Stefan Ebert die seines Gegenspielers Wilhelm von Grumbach. Mordlüstern und abgrundtief böse geht er gegen die Bauern vor und schreckt am Ende um des eigenen Vorteils willen nicht davor zurück, die ihm zugetane Gefährtin Berta von Bruneck hinterrücks zu ermorden.

Berta von Bruneck, gespielt von Yvonne Göbel, ist eine Fantasiefigur, die Regisseur Renier Baaken aus Schillers Wilhelm Tell ausgeliehen hat. Sie gehört zu den starken Frauenfiguren, die Baaken in diesem Jahr ins Stück eingeführt hat. So wie Grumbachs Schwester Katarina, die sich als Geyers Frau gegen den bösen Bruder stellt und dabei zeigt, dass das Wort und das Schwert ihr als Waffen gleichermaßen vertraut sind.

Die einzige Frau, die in den historischen Aufzeichnungen überliefert ist, ist die „schwarze Hofmännin“. Baaken hat die Rolle der zänkischen Rebellin in diesem Jahr ausgebaut, gibt Darstellerin Melanie Pfeffer viel Raum zur Entfaltung. Beim Sturm auf die Burg des Grafen Helfenstein in Weinsberg trägt sie die Bundschuhfahne voran, fordert die Bauern auf, mit dem Schmer des Grafen ihre Stiefel zu schmieren.

Der Helfensteiner endet, nachdem er die Tochter des Georg Metzler geschändet hat, in der Spießgasse der Bauern.

Am Metzler, glaubhaft bekörpert von Michael Hasslauer, zerbricht der Bund der Bauern. Der Ochsenwirt aus Ballenberg erliegt dem Schein des erbeuteten Goldes und zwingt den besonnenen Geyer, der bis dahin noch um eine Verhandlungslösung bemüht ist, in den offenen und am Ende aussichtslosen Kampf.

Nach der entscheidenden Schlacht nahe Sulzdorf, bei der 10000 Bauern ihr Leben lassen, nimmt Konrad von Thüngen, seit zwölf Jahren gespielt von Volker Kleinfeld, blutige Rache am Volk. Am Ende des Stücks bringt der Sensenmann reiche Ernte ein.

Mehr als vom zumindest erfahrenen Besuchern sattsam bekannten historischen Hintergrund lebt die Inszenierung von den Ausschmückungen und Nebenhandlungen, die Regisseur Baaken Jahr um Jahr aufs Neue verändert. Zeitweise ist auf der breiten Freilichbühne ein solches Gewusel, dass es dem Publikum schwerfällt, jedes Detail zu erfassen. Dann konzentriert sich die Handlung wieder auf die wesentlichen Figuren und erlaubt es dem Zuschauer, in deren Gefühlswelt zu blicken. Eine schauspielerische Leistung, die umso beachtenswerter ist, je mehr man sich vor Augen führt, dass es alles Laienspieler sind, die dort agieren. Alle Dialoge kommen klar, dank auch der Tonanlage, in die die Festspielgemeinschaft noch einmal kräftig investiert hat.

Den größten Unterhaltungswert gewinnt die Aufführung allerdings zweifellos durch die Aktionsszenen. Von professionellen Stunttrainern angeleitet, führen der Geyer und seine Gegenspieler ihr Schwert als stünde es tatsächlich auf Leben und Tod. Pferdegespanne jagen über die Bühne, gefolgt von galoppierenden Reitern. Feuerwerk explodiert an der Fassade der Geyer-Ruine – Action pur.

Nach dem Schlussapplaus versammeln sich die Darsteller im kleinen Biergarten neben der Ruine und geben den Zuschauern Gelegenheit zum Gespräch. Hier entpuppt sich der Grumbach als netter Kerl, der anfangs seine Probleme damit hatte, abgrundtief böse sein zu müssen. „In die Rolle reinkommen, das ist das Wichtigste“, sagt er, „der Text geht dann schon von der Hand.“

Hinter Helfenstein, eben noch zu Tode gemartert, hat sich der rundum zufriedene Vorsitzende der Festspielgemeinschaft Rüdiger Scheer demaskiert. „Als Laientheater haben wir schon ein sehr hohes Niveau“, meint er, „wenn wir das halten können, bin ich zufrieden.“

Überhaupt sei es der tolle Zusammenhalt, der die Festspiele überhaupt erst möglich machen. Zu den Mitwirkenden kommen noch einmal rund 40 Helfer, die sich um das Wohl der Darsteller und Zuschauer mühen. Die „schwarze Hofmännin“ Melanie Pfeffer freut sich, dass ihr auch im neuen Geyer-Stück eine große Rolle zugedacht ist. Renier Baaken arbeitet an einer Trilogie aus drei in sich abgeschlossenen Episoden, die die alte Vorlage nach Nikolaus Fey ersetzen soll. Der erste Teil mit dem Titel „Franken in Flammen“ feiert am 16. Juli 2016 Premiere.

Weitere Aufführungen am 24., 25. und 31. Juli sowie am 1. August, jeweils um 20.30 Uhr. Um 18.30 Uhr lädt die Festspielgemeinschaft zum Blick hinter die Kulissen ein. Karten gibt es im Vorverkauf bei Schreibwaren Krenkel in Giebelstadt, Tel. (09334) 397, im Internet unter www.florian-geyer-spiele.de sowie beim Ticket-Service der Main-Post unter Tel. (0931) 6001 6000, E-Mail: info@mainticket.de.

 
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