Es brodelt in der bayerischen Jägerschaft. Grund ist eine interne E-Mail der Regierung von Oberbayern an alle 23 unteren Jagdbehörden des Regierungsbezirks. Eigentlich handelt es sich dabei um einen banalen Verwaltungsvorgang im Vorfeld einer Jagdbeiratssitzung der Regierung als höherer Jagdbehörde. Doch noch immer wird diese E-Mail über die Grenzen Oberbayerns hinaus heiß diskutiert. Selbst in den Jagdrevieren in Unterfranken. Denn das Anliegen, um das es geht, scheint für die Jägerinnen und Jäger der sprichwörtliche Tropfen zu sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Es geht um die Abschussquoten für Reh- und Rotwild für die kommenden drei Jahre, um die in den einzelnen Jagdrevieren Bayerns gerade heftig gerungen wird. Die Abschusspläne sollen bis zum 1. April festgelegt werden. Försterinnen und Förster plädieren dafür, dass künftig mehr Rehe geschossen werden. Jägerinnen und Jäger sind dagegen.
Was fordern Försterinnen und Förster genau?
Weil es den heimischen Wäldern im Klimawandel immer schlechter geht, mahnen Vertreter der Bayerischen Forstverwaltung an, in der nächsten Jagdsaison mehr Tiere zu schießen als bisher. Ihre Argumentation: Baumarten wie die Eiche, die mit der Trockenheit besser zurechtkommen, stehen auf der Speisekarte von Reh- und Rotwild. Während viele Altbäume also vertrocknen und absterben, hindern zu viele Rehe die jungen Bäume am Nachwachsen, sagt beispielsweise Antje Julke, Abteilungsleiterin am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Würzburg.
Was sagen Jägerinnen und Jäger dazu?
Jägerinnen und Jäger halten dagegen, der Waldumbau mit dem Gewehr funktioniere nicht. Michael Hein, Vorsitzender der Kreisgruppe Würzburg im Bayerischen Jagdverband (BJV), sagt: "Dem Wald geht es nicht schlecht, weil es Rehe gibt, sondern weil wir uns im Klimawandel befinden." Auch in den Wäldern, in denen man zuletzt immer mehr Rehe geschossen hat, sei der Verbiss - also das Ausmaß, in dem die Tiere die jungen Knospen und Leittriebe der Bäume abknabbern - nahezu gleich geblieben. Bei den Forstlichen Gutachten, so seine Kritik, werde nur der Teil der Pflanzen erfasst, der verbissen wird - nicht aber der Teil, der es schaffe, hochzuwachsen. "Das bringt uns Jäger auf die Palme", sagt Hein.
Umstrittene E-Mail: Soll für jedes gerettete Kitz ein Reh mehr sterben?
In dieser teilweise emotional geführten Debatte forderte die Regierung von Oberbayern kürzlich alle 23 unteren Jagdbehörden dazu auf, sich über die anstehende Abschussplanung Gedanken zu machen. Insbesondere darüber, wie man heuer mit den 90 000 Rehkitzen, die im Freistaat laut Bayerischem Jagdverband im Jahr 2021 vor dem Mähtod gerettet wurden, umzugehen gedenke. Ein Aufreger für all die Jägerinnen und Jäger, die noch im Frühjahr vergangenen Jahres ehrenamtlich vielen Landwirtinnen und Landwirten dabei halfen, Tausende von Rehkitzen zu retten.
Warum müssen Rehkitze gerettet werden?
Rehkitze, die frisch auf die Welt kommen, werden von ihren Müttern im hohen Gras abgelegt. In den ersten Lebenstagen fehlt den Jungtieren jedoch noch der Fluchtinstinkt. Sie bleiben auch dann liegen, wenn die Wiese gemäht wird - und werden dabei verstümmelt oder sterben. Nimmt ein Landwirt das billigend in Kauf, macht er sich strafbar. Deshalb hat das Bundeslandwirtschaftsministerium erst im März 2021 ein Programm zur Rehkitzrettungmit über drei Millionen Euro Fördervolumen aufgelegt.
Fast 1000 Drohnen wurden so finanziell gefördert. Die mit Wärmebildkameras ausgestatteten Fluggeräte können die Kitze im hohen Gras aufspüren. Anschließend werden die Jungtiere von Tierschützern, Jägern oder Landwirten in den Wald getragen. Auch Jäger Michael Hein war 2021 wieder viele Stunden im Morgengrauen ehrenamtlich unterwegs, um Kitze vor dem Mähtod zu retten. Wie viele andere fragt er sich: Sollen die geretteten Tiere jetzt doch zu Tode kommen? "Oder sollen wir Jäger jetzt für jedes gerettete Kitz ein Reh mehr schießen?"
Wie rechtfertigt sich der Bayerische Bauernverband?
Doch von wem kam überhaupt die Idee, die geretteten Kitze bei der Abschussplanung zu berücksichtigen? Gerüchten unter Tierschützern zufolge von einem Vertreter des Bayerischen Bauernverbands (BBV), der dem Jagdbeirat angehört, der die Regierung von Oberbayern als höhere Jagdbehörde berät. Eine Sprecherin des Bauernverbands distanziert sich dann auch gleich von der umstrittenen Idee. Sie schreibt auf Anfrage dieser Redaktion: Die Vertreter der Landwirtschaft im Jagdbeirat würden zwar vom Bauernverband vorgeschlagen, seien ihm aber nicht weisungsgebunden. Aus Sicht des Verbands sei es "nicht erforderlich", gerettete Kitze in der Abschussplanung zu berücksichtigen.
Wie steht die Regierung von Oberbayern dazu?
Auch die Regierung von Oberbayern rudert zurück. Wenn der Jagdbeirat tagt, handele es sich dabei um einen nicht öffentlichen Vorgang. Deshalb werde man auch keine Angaben darüber machen, von wem einzelne Tagesordnungspunkte angemeldet werden, die dann im Vorfeld von der Regierung per E-Mail bei den Jagdbehörden abgefragt werden. Ein Sprecher schreibt: "Eine inhaltliche Positionierung der Regierung" ergebe sich aus solch einer E-Mail-Abfrage nicht.
Warum widersprechen Jägerinnen und Jäger ihrem eigenen Verband?
Und zu allem Überfluss gibt es auch noch Zweifel an der Zahl der 90 000 geretteten Kitze. In ganz Bayern lag die Rehwildstrecke, also die Zahl der erlegten Tiere im Jagdjahr 2019/2020, bei etwa 350 000. Jetzt zu behaupten, es gebe 90 000 Rehe mehr, die man schießen müsse, sei schlicht falsch, ärgert sich Enno Piening aus Bad Kissingen. Der BJV-Vorsitzende für Unterfranken ist deshalb auch alles andere als glücklich mit einer Pressemeldung seines Verbands vom 30. Juni 2021.
Damals hatte der Bayerische Jagdverband stolz verkündet, Jäger und Landwirte hätten im Frühjahr allein in Bayern 90 000 Rehkitze gerettet. Diese Zahl hat der Verband laut eigener Aussage in einer repräsentativen Umfrage selbst erhoben. Jäger Piening scheint das viel zu hoch gegriffen. Er sagt: "Hier werden Milchmädchenrechnungen aufgemacht: Es mag schon sein, dass man 90 000 Kitze in den Wald getragen hat. Aber keineswegs wären all diese Kitze auch todgemäht worden."
Was sagt die Regierung von Unterfranken zum Thema?
Und wie sieht es in der Region aus? Kam auch in Unterfranken bereits die Forderung auf, gerettete Rehkitze in der Abschussplanung zu berücksichtigen? Johannes Hardenacke, Sprecher der Regierung, sagt dazu: "Die Fragestellung ist und war bei uns bislang kein Thema."
Hohn und Spott für dieses monetäre Argument. Leben, auch tierische, sind nicht aufrechenbar gegen Geld.
Geld ist kein begrenzender Faktor. Die Flora & Fauna sind jedoch durchaus begrenzt in ihrem Vorkommen.
Dieser Zeitgeist widert mich wirklich nur noch an...!
Wenn mein Hund in meinem Garten die jungen Pflanzen ausgräbt, dann war ich als Gärtner zu dumm, diese ordentlich zu schützen und hochzubringen.
Eigentlich logisch.
Das geht dann nur über die Schaffung einer Fauna, in der auch natürliche Fressfeinde existieren, die hier auf die Jagd gehen:
Wolf - Bär - Luchs
Ich bin gespannt, was los wäre, wenn jemand ernsthaft den Vorschlag machen würde, in unseren Wäldern wieder Wölfe, Luchse oder gar Bären neu anzusiedeln!
Wenn wir das nicht wollen, müssen wir halt auf künstliche Weise den Bestand regulieren - und das nennt sich nun mal Jagd und Abschuss!
Und wenn Bayern endlich mal dienoch verblieben größeren Naturflächen als Nationalparks ausweisen würde, dann könnte man über Jahrzehnte beobachten, wie die Natur sich selbst hilft.
Das ist ein so ausgrefranstes und unzusammenhängendes Stück Land, von bewohnten Gebieten schon fast durchzogen, dass hier die Ansiedlung von Bären oder Luchsen illusorisch wäre - und auch der Wolf grenzwertig:
https://www.greenpeace-muenchen.de/images/stories/Gruppen/Wald/steigerwald_nlp_karte_30102011.pdf
Noch heute sitzen im Parlament mindestens 2/3 der Abgeordneten mit Jagdschein. Zu nennen wären was Unterfranken betrifft Gerhard Eck, Vogel und Kirchner und wohl noch andere.
Welcher Privat-Waldbesitzer kann sich gegen deren Interessen durchsetzen? Im Staatsforst kämpfen die Förster gegen Windmühlen, Gemeinden schauen primär auf die Einnahmen aus der Jagdpacht und Opfern den Baumnachwuchs. Die Bürger sorgen sich um Kitze, obwohl für diese kein natürlicher Tod geplant ist. Jäger sorgen sich auch um die Kitze, weil anderes geplant.
Es geht einfach um ein Gleichgewicht in der Fauna des Waldes. Da es keine natürlichen Feinde gibt für Reh, Wildschwein, Hirsche und co.
Das hat dann logischerweise zur Folge: Jedes gerettete Kitz ist ein Reh mehr im Wald.
Und da die natürliche Regulierung nicht funktioniert, muss der Mensch entsprechend durch Jagd diese Rolle übernehmen.
Für unsere Forstwirtschaft scheinen Rehe auch nur Ungeziefer zu sein, welches ihren Baum-Äckern -nichts anderes ist diese erbärmliche Interpretation eines Waldes- schadet. Also braucht es Schädlingsbekämpfung. Am Ende geht es einfach immer nur um den Profit. Dafür wird gelogen, betrogen und die eigene Großmutter verkauft. Das wird sich wohl nie ändern, das haben wir wohl alle in den Genen.
Erst nimmt man den Wildtieren den Lebensraum, pfercht sie auf immer engerem Raum zusammen, dann möchte man sie auch dort am liebsten ausrotten, weil sie in ihren kümmerlichen Restgebieten angeblich immer noch zu viel Schaden anrichten. Was für eine verkorkste Betrachtungsweise!
Sehr guter Kommentar. Bringt einfach alles auf den Punkt.
Nur ändern wird sich nichts.
Manchmal muss man sich schämen ein Mensch zu sein, wo wir doch den Tieren sooooo überlegen sind.
und das auch nur, wenn die Rendite stimmt.
Warum kommen die Experten nicht auf die Idee, gewisse Waldgebiete mit Zäunen solange vor Wild zu schonen,
bis die Eichen, Buchen usw. darin hoch genug gewachsen sind,
und anderenorts kann man auch Verbissbäume als Niederwald für wertig erachten?
Zum Heizen taugt das Holz allemal (außer, die Erntemaschinen können dann nicht mehr so effektiv arbeiten wie eine bayerische Amtsstube).
Ich finde, die einseitige Denkweise, nur Hochwald ist guter Wald, ist ziemlich kurz gedacht.
Außerdem ist es dreist, Reh und Hirsch jetzt als Sündenbock hinzustellen, nur weil Mensch es immernoch nicht rafft,
pfleglich, rücksichtsvoll und nachhaltig mit diesem Planeten umzugehen.
Die Natur hat keine Ausbildung in Betriebswirtschaft,
aber vom Leben hat sie mehr Ahnung als diese Verbrauchis, Konsumentis und Bürokratis.
Und Zeit braucht's, die heute kein Mensch mehr hat!