Vom Erkältungsmittel für Kinder, über Blutdruckmedikamente bis hin zu verschiedenen Schmerzmitteln: Mehr als 300 Medikamente sind inzwischen auf einer Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgeführt, die in Deutschland knapp sind. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Wie der Würzburger Apotheker Wolfgang Schiedermair Ende Oktober gegenüber dieser Redaktion erklärte, macht er zum einen die Krankenkassen dafür verantwortlich, dass durch Rabattverträge und Bindungen an einen Hersteller das Geschäft für andere nicht mehr wirtschaftlich sei. Diese würden dann entweder die Produktion bestimmter Arzneien ganz einstellen oder in andere Länder liefern, sodass schnell Lücken entstünden. Die andere Ursache seien Unterbrechungen in der internationalen Lieferkette.
Ein Vorschlag des Bundesärztekammerpräsidenten Klaus Reinhardt sorgt nun für heftige Kritik. Konkret rief er die Bevölkerung dazu auf, sich gegenseitig mit Medikamenten aus der Hausapotheke auszuhelfen. "Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben", sagte Reinhardt dem Berliner Tagesspiegel. "Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft."
Auch in den sozialen Medien wird heiß diskutiert
Dieser Vorschlag sorgte nun auch für Verunsicherung in den sozialen Medien. So fragte eine Würzburger Facebook-Nutzerin in der marktplatzähnlichen Gruppe "Fair-Teiler Würzburg", ob es in der Stadt einen Medikamentenflohmarkt geben wird. Das Thema wurde heiß diskutiert. "Würdest du Medis von wildfremden Menschen nehmen, die wer weiß was in die Pillen machen könnten? Ich bestimmt nicht", antwortete beispielsweise eine andere Nutzerin.
"Keine schlechte Idee, sowas ins Leben zu rufen, die meisten Tabletten sind original verpackt und leider wird ja so viel weggeworfen, was andere dringend suchen! Es ist jedenfalls überlegenswert und wird teilweise jetzt auch schon so angeraten, warum nicht, ist meine Meinung", schreibt eine weitere Frau. In Würzburg ist jedenfalls noch nichts bekannt über einen Medikamentenflohmarkt.
Abgelaufene Medikamente nicht auf einem Flohmarkt anbieten
Was aber sagen Ärzte und Apotheker zum Vorschlag von Ärztepräsident Klaus Reinhardt? Christian Potrawa ist Allgemeinarzt und hat eine Praxis im Würzburger Stadtteil Versbach. Gleichzeitig ist er Vorsitzender des ärztlichen Bezirksverbandes Unterfranken mit Sitz am Dominikanerplatz in Würzburg.
Ebenso wie Gerald Quitterer, Präsident der Landesärztekammer Bayern, verurteile auch der ärztliche Bezirksverband Unterfranken den Vorstoß des deutschen Ärztekammerpräsidenten Reinhardt, abgelaufene Medikamente auf einem Flohmarkt anzubieten, schreibt Potrawa in einer Stellungnahme an die Redaktion. "Solidarität schön und gut, aber auch in Mangelzeiten dürfen wir nicht auf das Niveau eines 'Zwergerlmarktes' abrutschen, also einen Basar für Strampelhosen oder ähnliches", meint der Allgemeinarzt.
Es gelte vielmehr dringend, auch das Prinzip "Patientensicherheit" zu beachten. Denn jedes Arzneimittel, auch die frei verkäuflichen, greife in den Stoffwechsel eines Körpers ein, fährt Potrawa fort. "Wirkung, Nebenwirkung, Wechselwirkung und Auswirkung eines Arzneimittels sind zwingend zu beachten." Er bittet daher im Namen des ärztlichen Bezirksverbands die Bevölkerung, sich auf jeden Fall mit dem Arzt des Vertrauens und dem Apotheker abzustimmen.
Die Würzburger Apotheker teilen Potrawas Ansicht
Die Apotheker sind bei dem Thema derselben Ansicht, bestätigt Michael Sax, Inhaber der Würzburger Stern Apotheke im Stadtteil Grombühl und Bezirksvorsitzender für Unterfranken des Bayerischen Apothekerverbands. "Arzneimittel gehören in die Apotheke, nicht auf den Flohmarkt", sagt er am Telefon. "Wie so etwas ein Präsident der Ärzteschaft vom Stapel lassen kann, ist nicht nachvollziehbar."
"Ein Arzneimittel ist immer noch ein risikobehaftetes Gut", weiß der Apotheker. Auch wenn es nicht der Verschreibungspflicht unterliege, gebe es Wechsel- und Nebenwirkungen, die im Auge behalten werden müssten, führt auch er an. "Rein theoretisch kann sich ja jemand mit Aspirin umbringen, wenn er bestimmte andere Medikamente nimmt", sagt Sax. Und verfallene Arzneimittel gehörten sowieso entsorgt.
Alle Hebel zur Versorgung der Patienten werden in Bewegung gesetzt
Was also tun, wenn Not am Mann ist? "Auch wenn die Liefersituation in den Apotheken gerade dramatisch ist, das muss man so ganz klar sagen, setzen wir doch immer alle Hebel in Bewegung, um zusammen mit der Ärzteschaft für Lösungen für die Versorgung der Patienten zu sorgen", bekräftigt der Bezirksvorsitzende für Unterfranken des Bayerischen Apothekerverbands. "Das ist doch ganz klar."
Was nur apothekenpflichtig ist bekommt doch eh jeder, spätestens seit es Onlineapotheken gibt.
Ansonsten ist klar, dass Apotheker und Ärzte gegen solch einen Tausch sind, insbesondere Apotheker verdienen mit dem Verkauf nicht gerade wenig Geld. Im Sinne der Umwelt und der Solidarität könnten sie im Gegenzug anbieten beim Tausch beratend zur Seite zu stehen.