
Der Mann als Versorger und Haupternährer – dieses Modell ist auch 2022 in Deutschland noch Realität. Trennt sich ein Paar – in Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden – kann dies für die Frau zu erheblichen finanziellen Problemen führen. Vor allem Frauen, die während der Ehe nicht oder nur geringfügig erwerbstätig waren, haben nach der Scheidung oft große Probleme, ihren Lebensstandard zu halten oder ihre eigene Existenz zu finanzieren. Was können Frauen tun, damit sie am Ende einer Beziehung nicht in Not geraten? Wo finden sie Hilfe? Fragen an Manuela Löwinger, Fachanwältin für Familienrecht in Würzburg.
Manuela Löwinger: Wenn Ehepartner sich trennen, geht es zunächst einmal um die Wohnsituation, Unterhalt, Sorgerecht, gemeinsames Eigentum und erwirtschaftetes Vermögen. Es geht um Fragen wie: Wer bleibt in der Ehewohnung? Wer zieht aus? Wo leben die Kinder? Aber auch existenzielle Fragen zum Kindes- und Trennungsunterhalt oder einer gemeinsamen Immobilie müssen dringend geklärt werden.

Löwinger: Ja, das kann es. Zumeist arbeitet die Ehefrau wegen der Kinderbetreuung gar nicht oder in Teilzeit, so dass entweder kein oder ein geringes Eigeneinkommen zur Verfügung steht. Zieht beispielsweise der hauptverdienende Ehemann aus, stellt er die Mietzahlungen ein und zahlt zunächst keinen Unterhalt, wird es für viele Frauen schwierig. Zahlt der Ehemann und Vater nichts, sollte man zügig den Weg zur Anwältin oder zum Anwalt nehmen.
Löwinger: Minderjährige Kinder haben grundsätzlich einen Anspruch auf Kindesunterhalt, unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht. Zum Unterhalt ist derjenige Elternteil verpflichtet, bei dem das Kind nicht lebt. Der Kindesunterhalt bemisst sich dabei auf der Grundlage des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle. Bei volljährigen Kindern sind grundsätzlich beide Elternteile unterhaltspflichtig.
Löwinger: Grundsätzlich besteht die Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt. Gegenüber minderjährigen Kindern besteht eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das bedeutet, dass der unterhaltspflichtige Elternteil alles möglich machen muss, um den gesetzlichen Mindestunterhalt zu sichern. Im Zweifel muss er oder sie sogar einen Nebenjob annehmen. Manche Väter wollen nicht zahlen, obwohl sie könnten, vielleicht aus Gründen von Verletztheit oder Wut, vielleicht weil sie der Mutter kein Geld zukommen lassen wollen. Manche Väter können nicht, obwohl sie zahlen wollen, weil ihnen nach Abzug der monatlichen Belastungen und unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehaltes gegenüber einem minderjährigen Kind von 1160 Euro nicht mehr verbleibt. Manche sind arbeitsunfähig erkrankt, vielleicht weil sie erheblich psychisch belastet sind.
Löwinger: Ehepartner sind nicht verpflichtet, automatisch nach der Trennung Unterhalt zu zahlen. Die Frauen müssen diesen zumeist selbst einfordern oder gegebenenfalls in einem gerichtlichen Verfahren einklagen. Bei der Berechnung des Trennungsunterhalts ist dann aus den jeweiligen Einkommen der Ehepartner das sogenannte eheprägende Einkommen zu ermitteln. Berücksichtigt werden dabei alle Einkünfte der Ehepartner im Sinne des Einkommensteuerrechts. Die Auskunft über die Einkommensverhältnisse sollte vom Unterhaltsberechtigten sofort nach der Trennung schriftlich per Einschreiben eingefordert werden. Soweit dies nicht erfolgt, kann rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Trennung kein Unterhalt mehr gefordert werden.

Löwinger: Wenn der Ehepartner nicht freiwillig Auskunft erteilt, so sollte man einen gerichtlichen Auskunftsantrag stellen. Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch.
Löwinger: Hat man einen Anhaltspunkt für den Verdienst des Pflichtigen, so könnte man im Wege der einstweiligen Anordnung (Eilverfahren) versuchen, einen Unterhaltsbetrag vorläufig festsetzen zu lassen. Im Falle von Kindesunterhalt kann man zunächst den Mindestunterhalt festsetzen lassen. Behauptet der Vater, er sei nicht zahlungsfähig, so müsste er Beweise liefern. Zahlt der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt, obwohl er eigentlich leistungsfähig ist, so kann dies auch strafrechtliche Folgen haben. Paragraf 170 Strafgesetzbuch (StGB) stellt die Verletzung der Unterhaltspflicht unter Strafe.
Löwinger: Ein Ehevertrag, der auf die individuellen Lebensverhältnisse eingeht, kann für den Fall der Scheidung einen guten Schutz vor befürchteten Nachteilen bieten.