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Würzburg
Fiebersaft, Nasenspray, Aspirin: Kann man abgelaufene Medikamente noch nehmen oder ist das gefährlich?
Der Kopf brummt, das Verfallsdatum der Tabletten ist abgelaufen. Was nun? Die Würzburger Pharmazie-Professorin Ulrike Holzgrabe erklärt, wann Vorsicht geboten ist.
Husten, Schnupfen, Fieber: Was tun, wenn man daheim noch ältere Arzneimittel hat? Darf man abgelaufene Medikamente noch benutzen oder gehören sie gleich entsorgt?
Foto: Susann Prautsch, dpa | Husten, Schnupfen, Fieber: Was tun, wenn man daheim noch ältere Arzneimittel hat? Darf man abgelaufene Medikamente noch benutzen oder gehören sie gleich entsorgt?
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 08.01.2025 06:09 Uhr

Nach den Weihnachtstagen schniefen und husten zahlreiche Menschen in Unterfranken, die Erkältungswelle rollt wie jeden Winter. Arznei ist gefragt. Was ist eigentlich mit dem Fiebersaft vom letzten Jahr? Kann man Tabletten mit abgelaufenem Verfallsdatum noch benutzen? Und bei welchen Substanzen ist das gefährlich?

Expertin dafür ist die Würzburger Pharma-Professorin Dr. Ulrike Holzgrabe. Sie hat vor einigen Jahren zusammen mit anderen Wissenschaftlern des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg in einer Studie die Wirksamkeit von Medikamenten untersucht, die mindestens 20 Jahre, teils weit über 40 Jahre alt waren. Das Ergebnis: Viele Arzneimittel waren deutlich länger stabil als angegeben.

Was aber heißt das? Und wann sollte man das angegebene Datum auf keinen Fall überschreiten? Pharmazeutin Ulrike Holzgrabe antwortet auf die wichtigsten Fragen.

Wie lange sind Arzneimittel haltbar?

Generell kann man das nicht sagen. "Das hängt von dem enthaltenen Arzneistoff ab", erklärt Prof. Ulrike Holzgrabe. Die Haltbarkeit variiere stark.

Tabletten seien in der Regel stabiler und damit länger haltbar als etwa Salben, Sprays oder Cremes. Diese enthielten Wasser und könnten deshalb Arzneistoffe "hydrolysieren", also aufspalten und verändern. "Einen Hustensaft würde ich wegwerfen, wenn der Husten vorbei ist", sagt Holzgrabe. Hingegen nehme sie selbst "ab und an noch 15 Jahre altes Ciprobay", ein Antibiotikum, weil das keine Zersetzung zeige.

Beim fast in jedem Haushalt vorhandenen Aspirin rät die Expertin hingegen zur Vorsicht: "Wenn Sie eine Brausetablette Aspirin auf den Schreibtisch legen, sieht sie morgen früh schon anders aus – sie bekommt braune Flecken". Aspirin sei trotz der Tablettenform "nicht besonders stabil".

Wer legt die Haltbarkeit von Arzneimitteln fest?

Festgelegt wird das Haltbarkeitsdatum bei der Zulassung des Medikamentes, sagt Holzgrabe. Hersteller müssten Stabilitätsstudien vorlegen und damit nachweisen, dass die Arzneistoffe ihre Zusammensetzung und Wirkung über einen gewissen Zeitraum nicht verändern.

Auf der Verpackung wird dann ein Verfallsdatum angegeben – bis dahin garantiert der Hersteller die Qualität und Wirksamkeit des Mittels bei richtiger Lagerung.

'Einen Hustensaft würde ich wegwerfen, wenn der Husten vorbei ist', rät Prof. Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Uni Würzburg.
Foto: Benjamin Brückner (Archivbild) | "Einen Hustensaft würde ich wegwerfen, wenn der Husten vorbei ist", rät Prof. Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Uni Würzburg.

Das Problem: "Studien beobachten die Stabilität von Arzneistoffen nur über fünf Jahre", kritisiert Holzgrabe. Das entspräche den aktuellen gesetzlichen Vorgaben. "Die Firmen übernehmen keine Garantie für eine längere Zeit, weil es dafür keine Daten gibt." Das zu ändern, sei Aufgabe der Politik: "Wenn Rückstellmuster über weit größere Zeiträume immer und immer wieder untersucht würden, ließe sich das Ablaufdatum nach hinten schieben."

Wie finde ich heraus, ob ein abgelaufenes Medikament noch nutzbar ist?

Sind die Tabletten noch okay? "Das kann der Laie nicht beurteilen", warnt Ulrike Holzgrabe. Anders als etwa bei einem abgelaufenen Joghurt, bei dem jeder durch Probieren feststellen könne, ob das Produkt schlecht geworden sei, falle das bei Medikamenten schwer. Die Würzburger Professorin rät deshalb dazu, das Ablaufdatum grundsätzlich zu beachten.

Vor allem angebrochene Säfte oder Sprays sollten nach Abklingen der akuten Erkrankung immer entsorgt werden. Tabletten wie Ibuprofen oder Paracetamol könne man dagegen "ziemlich sicher etwas länger" als auf der Packung angegeben nutzen, sagt Holzgrabe.

Wo liegt die Gefahr bei der Verwendung abgelaufener Medikamente?

Durch Temperaturbelastung, Licht oder Feuchtigkeit können sich Arzneistoffe zersetzen oder durch chemische Reaktionen in schädliche Substanzen umgebaut werden. Je nach Medikament könnten "ganz unterschiedliche Reaktionen ablaufen", sagt Pharmazeutin und Chemikerin Ulrike Holzgrabe. Arzneistoffe "sind chemische Substanzen und jede Substanz hat eine andere chemische Struktur – und deshalb auch eine andere Reaktivität". Die Gefahr sei von Arzneimittel zu Arzneimittel verschieden und für Nicht-Chemiker und Nicht-Apotheker deshalb nicht einzuschätzen.

Wen kann ich im Zweifel um Rat fragen?

Wer im Medikamentenschrank noch unbenutzten, aber abgelaufenen Fiebersaft vom letzten Jahr findet und unsicher ist, sollte im Zweifel den Apotheker um Rat fragen, rät Holzgrabe. "Ärzte können nur selten helfen, da ihre Chemiekenntnisse gering sind."

Welche Rolle spielt die Lagerung von Arzneimitteln für die Haltbarkeit?

Die Lagerung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Haltbarkeit und Sicherheit von Medikamenten. Beim Kontakt mit Luft, Hitze oder Feuchtigkeit können die Medikamente Schaden nehmen: "Man sollte seine Arzneimittel am besten im Schlafzimmer aufbewahren, denn das ist der kühlste und trockenste Ort", sagt Holzgrabe. Räume wie Badezimmer oder Küche seien zur Aufbewahrung dagegen völlig ungeeignet.

 
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  • Wolfgang Schuchard
    Ich möchte einen Vergleich zu den Lebensmitteln ziehen. Das diskutieren wir ja auch darüber, dass viele nach Ablauf des MHD meist nicht verdorben sind.
    Wieso ist es beispielsweise in der Ukraine möglich, dass da sowohl Produktionsdatum als auch MHD auf der Packung steht, bei uns aber nicht?
    Wenn ich weiß, dass die bei den einen Medikamenten nur um Monate, bei anderen aber eben mehrere Jahre auseinander liegen, traue ich mir, natürlich auch in Abhängigkeit von den Lagerbedingungen, eher zu, zu entscheiden, ob ich was nach dem aufgedruckten Datum noch verwenden kann, oder lieber wegwerfe.
    Die Kopfschmerztablette, die schon seit Jahren im verschlissenem Blister in der Ablage im Auto dabei ist, scheidet da dann auch eher aus, als die in der verschlossenen Schachtel aus dem Nachtkästchen.
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