Was ist nur mit Markus Söder los? Politisch steht er nach jüngsten Umfragen so gut da wie nie, und jetzt scheint dem bayerischen Ministerpräsidenten auch noch die fränkische Fastnacht zu gefallen. Allmächd: Jahrelang hatte der 53-jährige Nürnberger das Veitshöchheimer Narren-Spektakel zwar mit aufwändigen Kostümen bereichert und sich so in den Mittelpunkt gerückt. Doch ob als Shrek, Kiss-Sänger oder Homer Simpson, die Prunksitzungen selbst hatte er mit meist stoischem Blick einfach über sich ergehen lassen. Als jahrelanger Scharfmacher der CSU hatte er ja auch oft genug die größte Zielscheibe für die Künstler gegeben.
Doch die Zeiten, sie ändern sich. Als Ministerpräsident - befreit vom Ballast der Maskerade und der Jagd nach seinem Sehnsuchtsamt - genügt ihm nun ein Smoking. Söder feierte seine neue Leichtigkeit des Seins mit bislang von ihm unbekannter Motorik. Als der großartige Matthias Walz am Klavier seinen Abschlusssong zur fetzigen Musik von Tony Christies "Is this the way to Amarillo" spielte, da stand Markus Söder plötzlich im Saal, sang und klatschte und groovte mit. Fast hatte es den Anschein, der Mann hat Rhythmus im Blut. Fast.
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Seit Söder Bienen liebt und den gutherzigen Landesvater gibt, muss er kaum noch Spott fürchten. Und so amüsierte er sich köstlich, als Walz über seinen Parteikollegen und Verkehrsminister Andreas Scheuer sowie Freie-Wähler-Chef Hubert "Hubsi" Aiwanger, "den größten bayerischen Philosophen seit Lothar Matthäus", musikalisch lästerte.
Als die TV-Kameras aus waren und der goldene Flitter aus der Konfettikanone am Boden lag, da wusste Markus Söder, was er zu sagen hatte. Er griff ganz tief hinein in seinen Fundus für Superlative. Oft schon sei er in Veitshöchheim gewesen. "Es war immer gut", sagte er, "aber die Sitzung heute war die bislang beste." Keine Minute lang habe er sich gelangweilt, alle Künstler seien top gewesen, "das war allererste Sahne. Das kann in Bayern niemand toppen." Jeder Akteur sei über seinem Leistungslimit gewesen, und ein paar der politisch Verantwortlichen "sind sehr gut getroffen worden, der Hubert und so", sagte Söder, und wer ihn dabei beobachtete, konnte sehen, wie er innerlich immer noch feixte.
Auch einer von Söders Vorgängern, Günther Beckstein, hatte viel Vergnügen. Der Nürnberger war einst der erste Politiker, der sich aufwändig verkleidete und damit Vorreiter war für viele. Gewinner im Kostüm-Wettbewerb war diesmal Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), der sich im Würzburger Stadttheater in Joda aus "Krieg der Sterne" verwandeln ließ. Beckstein, der als Beethoven verkleidet war, freute sich darüber, "dass es auch neue Akteure gab." Das Tempo sei rasant gewesen, "es ging wirklich Schlag auf Schlag."
Dann leerten sich die Mainfrankensäle und die Ehrengäste, Künstler und Helfer zogen hinauf in den Veitshöchheimer Altort. Bei Wiener Würstchen und Wein wich die Anspannung. Ines Procter feierte mit ihren Schwestern Karin und Sabine, und Reinhard Stummreiter, der Trommler der Altneihauser Feierwehrkapell'n, gönnte sich ein Weißbier. Als er die Zahl der eingegangenen Nachrichten gesehen hatte, schaltete er sein Handy lieber aus. Der Schweinfurter Peter Kuhn indes grübelte noch darüber, weshalb ausgerechnet seine Great-Britain-Rede in dieser Session so gut ankommt. Auch in Veitshöchheim hatte sich das Publikum im Saal von den Stühlen erhoben und sehr lange applaudiert. "Ich kann mir das Besondere nicht ganz erklären, aber es freut mich ungemein", sagte Kuhn.
Auch Volker Heißmann atmete kurz durch. Der Komödiant aus Fürth hatte mit seinem Kollegen Martin Rassau für die Überraschung des Abends gesorgt. Denn eigentlich wird in dieser Sendung nichts dem Zufall überlassen und jeder Auftritt penibel einstudiert, doch ihr Auftritt als zwei Päpste hatte tatsächlich in der Generalprobe gefehlt. Fast eineinhalb Stunden hatte die Maskenbildnerin hinter der Bühne benötigt, um Waltraud & Mariechen in Papst Benedikt und Papst Franziskus zu verwandeln, die auf der Suche nach einem bayerischen Leberkäse in Veitshöchheim gestrandet waren.
Wieder eine Spitzenquote
Für das Duo, das in Fürth mit der "Comödie" ein eigenes Veranstaltungshaus betreibt, ist "Fastnacht in Franken" längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, weil die Sendung eine für Bayern einzigartige Reichweite hat. Auch in diesem Jahr erreichte die Live-Prunksitzung im BR Fernsehen eine Spitzenquote: 3,81 Millionen TV-Zuschauer sahen bundesweit zu. Im Freistaat lag der Marktanteil bei 49,7 Prozent, fast jeder zweite Fernsehzuschauer in Bayern hatte "Fastnacht in Franken" eingeschaltet. "Das ist ein unglaubliches Niveau, auf dem sich die Sendung mit der Quote seit Jahren bewegt", sagte Bernhard Schlereth, Ehrenpräsident des Fastnacht-Verbands Franken und künstlerischer Leiter der Sendung.
Schlereth, selbst Veitshöchheimer, hatte mit dem harten Kern die Nacht zum Tage gemacht. Ein Foto von Bauchredner Sebastian Reich in den Sozialen Netzwerken zeigt: Auch Oti Schmelzer, Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz und Bruno Gold, früher mit den Gebrüdern Narr und den Parodis über Jahrzehnte Teil der Sendung, waren mit dabei beim Frühstück. "So muss das sein", sagte Schlereth, der sich besonders über das gelungene Debüt von Thomas Väth freute. Der Schmied aus Bischbrunn hatte gehörig Lampenfieber, seine Feuertaufe aber tadellos bestanden. "Das muss man erstmal schaffen."
Markus Söder indes hat gefehlt bei den Veitshöchheimer Durchmachern. Schon nach ein paar Selfies im Saal mit den Gardemädchen war der Ministerpräsident aufgebrochen. In München wartet die Sicherheitskonferenz. Da wird es für ihn nichts zu lachen geben. Fastnacht war gestern.