Der Ältestenrat des Stadtrates – das ist die Versammlung der Fraktionsvorsitzenden und des Oberbürgermeisters – ist sich einig: die Helmuth-Zimmerer-Straße in Lengfeld soll umbenannt werden.
Zimmerer war Würzburgs Oberbürgermeister von 1956 bis 1968. Er war auch Mitglied der SS und Verfasser einer rassistischen Doktorarbeit, von der er sich, trotz mannigfaltiger Aufforderungen, nie distanzierte.
1985, ein Jahr nach Zimmerers Tod, benannte der Stadtrat eine Straße am Pilziggrund nach ihm. Parallelstraßen heißen nach weiteren Würzburger Nachkriegsbürgermeistern, unter anderem nach Otto Stein, einem der schärfsten Kritiker Zimmerers.
Strittig war am Montagabend im Ältestenrat lediglich, ob das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung abgewartet werden soll, die der Stadtrat im September 2012 vom Kulturreferat forderte, oder ob die Dokumentationen reichen, die Main-Post und Volksblatt in ihrer Ausgabe vom 27. Mai dieses Jahres veröffentlicht haben.
Staunen über Muchtar Al Ghusain
Kulturreferent Muchtar Al Ghusain hatte die verlangte Untersuchung nicht in Auftrag gegeben, weil er, so erklärte er gegenüber der Redaktion, nicht über erforderlichen personellen und finanziellen Mittel verfügt habe. Damit löste er Erstaunen im Rathaus aus, unter anderem bei OB Christian Schuchardt. Der erklärte im Gespräch mit der Redaktion, die Mittel seien im Etat des Stadtarchivs vorhanden.
Nach einer intensiven Diskussion vereinbarten am Montagabend der OB und die Fraktionsvorsitzenden, dass der Stadtrat in einer seiner nächsten Sitzungen – Ziel ist vor der Sommerpause – über die Umbenennung der Helmuth-Zimmerer-Straße entscheiden soll, ohne wissenschaftliches Gutachten.
Die Fraktionsvorsitzenden von CSU und Grünen, Christine Bötsch und Matthias Pilz, hatten im Vorfeld schon erklärt, die Ergebnisse der Recherchen unserer Redaktion seien eindeutig und offensichtlich.
Im Gespräch: die Georg-Angermaier-Straße
Vor der entscheidenden Ratssitzung soll nun die Verwaltung klären, ob juristisch etwas dagegen spricht, dass die Stadt den Anwohnern die Kosten erlässt, die ihnen durch eine Umbenennung bei Ämtern und Behörden entstünde.
Auf einen neuen Namen für die Straße – vorausgesetzt, die Mehrheit der Ratsmitglieder folgt ihren Vorsitzenden – hat sich der Ältestenrat nicht festgelegt. Im Gespräch ist unter anderem Dr. Georg Angermaier (1913 bis 1945), ein kategorischer und aktiver Nazi-Gegner und Justiziar der Bischöfe von Würzburg und Bamberg.
Für den Ältestenrat ist die Umbenennung der Helmuth-Zimmerer-Straße der Auftakt zu einer systematischen Untersuchung von Straßennamen. Da geht es zum Beispiel um die Nikolaus-Fey-Straße, benannt nach einem aus Lohr gebürtigen völkischen Blut-und-Boden-Dichter.
Schuchardt sagt, eine Auseinandersetzung soll geführt werden, „die in der Vergangenheit nicht stattgefunden hat“.
Es ist nicht mit ein paar neuen Straßenschildern und einem neuen Perso getan. Es löst eine Kettenreaktion aus, Krankebnkasse, Banken, versicherungen, Abos, Arbeitgeber, Berufsgenossenschaften, Finanzamt, Visitenkarten, Autoanmeldung, Briefbögen, Geschäftspapiere, und vieles mehr.
Schuld an der Kostenlawine, die der Bürger zu tragen hat, ist der seinerzeitige Stadtrat und OB, die die Namensgebung wollten, obwohl damals schon die Vergangenheit von Zimmerer bekannt war.
Mein Vorschlag: Lasst endlich die Straßenbenennung nach Persönlichkeiten weg, die immer wieder Ärger macht. Nehmt Namen von Bäumen, Tieren, Farben, Fluren oder was weiß ich, aber dann gibt es keine Diskussionen über Vergangensheitsbewältigung, die viele heute nicht mehr verstehen und auch nicht mehr wollen.