Der Stadtrat prüft, ob die Dr.-Helmuth-Zimmerer-Straße in Lengfeld auch in Zukunft so heißen soll. Anlass ist die Doktorarbeit Zimmerers, der von 1952 bis 1968 Würzburgs Oberbürgermeister war; ihr Titel: „Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft. Ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff“. Heinrich Jüstel, ein SPD-Ratsmitglied, ist bei der Stadtführung „Würzburger Krawalle“ auf die Dissertation aufmerksam geworden. Er stellte den Prüfantrag, dem der Hauptausschuss nun zugestimmt hat.
Zimmerer hat in seiner, 1936 an der Uni Erlangen abgegebenen Dissertation „die rassengebundene Volksseele“ zum „Maß des Denkens“ erhoben. Juden sprach er per se das Recht ab, deutsch zu sein. Sie bildeten keine Religionsgemeinschaft, „sondern ein vorwiegend durch die vorderasiatische und orientalische Rasse bestimmtes Volk“. Zitat: „Dass wir keine besondere Freude an ihnen haben, sie insbesondere nicht assimilieren oder aufsaugen wollen, ergibt sich aus unseren rassischen und völkischen Grundsätzen, die es uns verbieten, fremde Bestandteile in Volkskörper aufzunehmen.“ Die Juden müssten, forderte er, „entgermanisiert werden“.
Auch über die Demokratie hatte sich der spätere OB Gedanken gemacht: Sie sei „die politische Form des rassischen Niedergangs“, weil sie „allen Gruppen unter dem Schlagwort der Gleichheit und Gleichberechtigung die gleichen Rechte gibt, die der wertvolle Teil des Volkes einst erkämpft hat“. Bemerkenswert auch, wie Zimmerer die Rolle der Frau skizzierte: Erst wenn sie Mutter sei, beweise „sie ihren Wert für die Volksgemeinschaft“.
Als Zimmerer 1956 für die FWG zum ersten Mal Würzburger Oberbürgermeister wurde, kannte die Öffentlichkeit seine Doktorarbeit noch nicht. Erst nach seiner Wiederwahl 1962 veröffentlichten die Nürnberger Nachrichten Auszüge aus Zimmerers Arbeit. Im Januar 1963 versuchte der OB in einer langen Abhandlung eine Rechtfertigung, in der er unter anderem schrieb, seine Arbeit habe „kein nationalsozialistisches Ergebnis, sondern das Gegenteil“. Man könne ihm nicht vorwerfen, er habe „als ausgebildeter Jurist etwa die Unrichtigkeit des Führerprinzips erkennen müssen“. Er habe lediglich wiederholt, was auf der Universität gelehrt wurde. Später bezeichnete er, Jahrgang 1912, seine Doktorarbeit als „Jugendtorheit eines 23-Jährigen“. Ein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung blieb aus, im Gegenteil: Forderungen, seinen Doktortitel zurückzugeben, lehnte er ab. Zimmerer griff die Medien an, die über seinen Fall berichteten: Sie fügten der Stadt Würzburg „einen ungeheuren Schaden zu“.
Am Montag, im Hauptausschuss des Stadtrates, meinte Hans Werner Loew (SPD), angesichts Zimmerers Dissertation gebe es „gar keine andere Möglichkeit, als die Straße umzubenennen“. Der Stadtrat würde einen „schweren politischen Fehler begehen und Ansehen verlieren“, wenn er sich nicht damit beschäftigte.
Kein Ratsmitglied sprach gegen den Antrag Jüstels, aber verschiedene Schattierungen gab es in der Debatte doch: Matthias Pilz (Grüne) hält die Dissertation für „unerträglich und widerwärtig“. Ob die Straße umbenannt werde, wolle er aber vom Maß ihrer Schädlichkeit abhängig machen und von dem, was Zimmerer sonst noch geleistet habe. Wolfgang Roth (CSU) widersprach dem Grünen vehement: Unerträglich sei, dass nach jemandem mit diesem Gedankengut eine Straße benannt ist. „Da sehe ich Handlungsbedarf, unabhängig von schädlichen Auswirkungen.“
Dies ist keineswegs eine Verteidigung von Zimmerer, der mir gänzlich unbekannt ist. - Es ist der Hinweis auf die gängige Marotte der rituellen Selbstreinigung mit Hilfe von Symbolen, auf die die öffentliche Wahrnehmung geschult ist.
"Kravall" des Autors mitzumachen (jeden Donnerstag!) Mit Selbstbeweihräucherung hat das ganz bestimmt nichts zu tun, sondern mit einer sehr unrühmlichen nachkrieglichen braunen Vergangenheit Würzburgs - damals übrigens bundesweit bekannt.....
R. Sebastian, Würzburg
R. Sebastian, Würzburg
Man neigt zur Nachsicht bei (damals) jungen Leuten, wenn man sieht, dass die heutigen Mainstream-Jünger und Karrieristen nichts anderes getan hätten. Ausgerechnet von da kommt dann oft liturgisch unterlegtes Aufarbeitungs-Bedürfnis.
Wäre dieser schale Beigeschmack nicht da, würde man sich leichter tun, interessiert aufzuhorchen, wenn wieder mal so ein Fall in den Medien ist.
Der Nachteil: Im Normalfall findet so eine Ehrung erst Posthum statt.
Fast alle Straßen, die nach politischen und religiösen Persönlichkeiten, von der Römerzeit über das Mittelalter bis zur Neuzeit getauft wurden, wären davon betroffen, denn die Meisten davon hatten wahrscheinlich mehr auf dem Kerbholz, als eine Doktorarbeit über das böse, böse Wort "Rasse" geschrieben zu haben...
Im Stadtrat schient man sich zu langweilen....läuft doch alles....
Das soll natürlich keine Befürwortung von der Benennung öffentlicher Orte nach Alt-Nazis und anderen Antisemiten sein. Aber der Name Zimmerer hat fast 70 Jahre niemanden gestört. Solange die Straße nicht nach Dr. Josef Mengele benannt ist, wird weder im In- noch im Ausland jemand Anstoß daran nehmen.
Zur Schädlichkeit fällt mir folgendes ein:
- Sämtliche Einwohner der Straße müßen ihre Adresse ändern lassen - nicht nur beim Amt sondern überall wo die Adresse gespeichert ist.
- Stadtpläne müssen geändert werden
- Navisoftware stimmt nicht mehr
- Problem bei Rettungseinsätzen, wenn die Straße nicht gefunden wird (Navi)
Wahrscheinlch gibt es noch viel mehr.
Ein Riesenaufwand. Für NICHTS!
Bei den Grünen gibt es viele Spinner. Herr Pilz aber hat gesunden Menschenverstand und Verhältnismäßigkeit bewiesen. Bravo!
Beim Lesen der Namen , die jetzt im Vorfeld der kommenden Wahl "plötzlich" ihr Gewissen
wieder finden , als Atheist , Katholik oder Sonstige ,die nie jene unheilvolle Zeit und Umstände erleben mussten und jetzt dem Wohlstand frönen , gerieren sich in diesem Falle wohl als Trittbrettfahrer , wie der Schein ausschaut . - Warten's wir ab !
Nur aufpassen , vielleicht holt die jetzige Zeit auch die Besserwisser ein . . . .