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Würzburg
Facebook verweigert Schmerzensgeld für Renate Künast: Prozess mit Würzburger Beteiligung geht in nächste Runde
Das Landgericht Frankfurt hat Facebook dazu verurteilt, Postings mit erfundenen Zitaten der Grünen-Politikerin Künast konsequent zu löschen. Doch der Konzern wehrt sich.
Grünen-Politikerin Renate Künast im Prozess gegen Meta/Facebook an der Seite ihrer Würzburger Anwälte (von links) Mathias Truschel, Matthias Pilz und Chan-jo Jun. Für einen  Verhandlungstag vor dem Landgericht Frankfurt wurden Künast und die Anwälte im Januar live aus Würzburg zugeschaltet.
Foto: Johannes Kiefer | Grünen-Politikerin Renate Künast im Prozess gegen Meta/Facebook an der Seite ihrer Würzburger Anwälte (von links) Mathias Truschel, Matthias Pilz und Chan-jo Jun.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:33 Uhr

Mit seinem Urteil im April setzte das Landgericht Frankfurt ein deutliches Ausrufezeichen gegen Hass und Hetze in den sozialen Medien: Die Richter gaben der Grünen-Politikerin Renate Künast recht und verpflichteten den Facebook-Mutterkonzern Meta, Wort-Bild-Montagen (sogenannte Memes) mit einem erfundenen Zitat der Bundestagsabgeordneten dauerhaft und konsequent zu löschen. Außerdem sollte Meta 10.000 Euro Schmerzensgeld an Künast zahlen.

Das Geld ist bei der früheren Bundesministerin bis heute nicht angekommen, sagt ihr Anwalt Chan-jo Jun aus Würzburg. Meta hat nämlich gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt eingelegt. Wann es zu einem weiteren öffentlichen Prozess kommt, steht nicht fest. Offensichtlich aber ist, dass beide Seiten dem Verfahren große Bedeutung beimessen. Es geht um Grundsätzliches im Umgang mit strafrechtlich relevanten Inhalten in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co.

Die Montagen, die jahrelang via Facebook verbreitet wurden, zeigten ein Bild von Künast, dem folgendes Zitat beigefügt war: "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!" Dieses Zitat ist falsch, die Politikerin hat den Satz nie gesagt. Gleichwohl war sie deshalb regelmäßig Anfeindungen ausgesetzt.

Gericht hält Moderation durch Menschen auf Facebook für zumutbar

Im Internet kursierten viele Varianten der Montage, mal mit verändertem Layout, mal wurden Textinhalte erweitert oder weggelassen, Tippfehler ergänzt oder die Struktur des Beitrags mithilfe für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel verändert. Diese Varianten hatten eine andere URL (Internetadresse) als das ursprüngliche von Renate Künast beanstandete Meme. Das Landgericht stellte klar, dass Meta/Facebook zuzumuten ist, auch diese "kerngleichen" Fakes zu löschen, so dass sie auf der Plattform nicht mehr auffindbar sind, selbst wenn dafür eine "menschliche Moderationsentscheidung" notwendig sei.  

Zwar hatte Meta/Facebook nach dem Urteil betont, nicht nur die von Renate Künast gemeldeten Falschzitate entfernt, sondern zudem auch "Maßnahmen" ergriffen zu haben, um "identische Inhalte" zu identifizieren und zu entfernen. Als Verpflichtung, dies künftig immer zu tun, sehen dies die Vertreter des Internet-Riesen aber offensichtlich nicht, sonst wären sie nicht in Berufung gegangen. Die Frage dieser Redaktion, warum man Rechtsmittel eingelegt habe, wollte Meta aktuell nicht beantworten. Eine Konzern-Sprecherin begründete dies mit einem Verweis auf das laufende Verfahren.

Anwalt Chan-jo Jun nennt Urteil einen "Meilenstein"

Sehr wahrscheinlich ist indes, dass sich Meta/Facebook vor allem dagegen wehrt, im Kampf gegen Straftaten im Netz auch "menschliche Moderationsentscheidungen" treffen zu müssen, um Inhalte aufzuspüren, die den zunächst gemeldeten im Kern gleichen. Dies könnte ziemlich teuer werden. Gleiches gilt für die Entscheidung des Gerichts, Renate Künast Schmerzensgeld zuzusprechen. Würde dieser Anspruch rechtskräftig, könnten auch viele andere Opfer von Hass und Bedrohungen im Netz ähnliche Summen einfordern.

Derweil kämpft Chan-jo Jun mit Unterstützung der Initiative HateAid, die Betroffene von digitaler Gewalt berät, dafür, dass das Urteil zugunsten seiner Mandantin Künast durch das OLG bestätigt wird. Was die Richter am Landgericht entschieden hätten, sei nämlich ein "Meilenstein", um die Gesetze der analogen Rechtsordnung endlich auch in der digitalen Welt durchzusetzen, so Jun.

 
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  • Oreus
    Ich kann Frau Künast nur dafür bewundern, dass sie das bis zum bitteren Ende durchzieht!
    Diese 10.000 € Schmerzensgeld gehen Ihr sicherlich sonst wo lang! Hätte sie in Amerika geklagt, hätte sie 10 Millionen Dollar verlangen können, was für Facebook auch nur Peanuts gewesen wären...
    Es geht ihr hier einfach um's Prinzip: Darf mir auf solchen Plattformen einfach jemand ungestraft Worte in den Mund legen, die ich so niemals gesagt habe, oder hätte?
    Und die Konzerne, wie Facebook ducken sich einfach weg, und wollen sich auf Ihre Algorithmen verlassen. So wenig Personaleinsatz wie irgend möglich. Viel wichtiger ist es für die, Werbung zu verkaufen, und Daten zu sammeln, die dann auch verkauft werden können.
    Renate Künast ist da nur ein Störfeuer für diese Giganten.
    Doch denen wird mittlerweile scheinbar bewusst, dass dieses Konzept nicht aufgeht, und auf Widerstand stößt... Das könnte deren gesamtes Geschäftsmodell bedrohen!
    Ich hoffe, dass das bis vor den EuGH geht!
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  • berndschebler@mail.de
    Wenn es um Politiker oder Facebook geht, ist immer der Anwalt Chan-jo Jun zu lesen.
    Will er sich wichtig machen, oder noch bekannter werden?
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Manche lassen sich durch Klagen gegen Firmen oder Politiker nicht einschüchtern.
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  • mcallen@t-online.de
    Vielleicht hat er Prinzipien, im Gegensatz zu manch anderen...
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  • capsula@t-online.de
    Das finde ich richtig von Facebook. Politiker dürfen ja auch ungestraft sagen, was Sie wollen.
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  • info@softrie.de
    Nein, ist es nicht. Als Plattformbetreiber muss man innerhalb von 24 Stunden an einem Werktag handeln, WENN es gemeldet wurde.
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  • stefan.mantel@gmx.net
    Weil die Anwälte aus Würzburg sind, ganz einfach. Da steht auch nirgends, dass das "prozessentscheidend" ist.
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  • Axeopp08190603
    "Inwiefern ist hier eine „Würzburger Beteiligung“ prozessentscheidend?" Wahrscheinlich da die MainPost eine Würzburger Lokalzeitung ist.
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  • MedDeeg@web.de
    Inwiefern ist hier eine „Würzburger Beteiligung“ prozessentscheidend? Oder dieser peinliche „Hinweis“ irgendeiner Weise relevant?
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