Der Klimawandel schreitet voran, mit einer Energiewende bis zum Jahr 2050 will Deutschland gegensteuern. Der Anteil erneuerbarer Energien soll ausgebaut, die Emission von Treibhausgasen reduziert werden. Doch dafür müssen rechtliche Rahmen angepasst werden. Von Würzburg aus befasst sich die Stiftung Umweltenergierecht seit zehn Jahren damit und berät die Politik. Wissenschaftlicher Leiter Thorsten Müller (46) erklärt, was zu tun ist.
Thorsten Müller: Die Ziele sind für konkrete Maßnahmen zu abstrakt und unklar, das betrifft Unternehmen und Gesetzgebung. Energierecht, aber auch Planungs- und Genehmigungsrecht muss auf den Ausbau regenerativer Stromgewinnung ausgerichtet werden. Schließlich muss man Flächen dafür bekommen. Und drittens sprechen wir von einem ganz anderen Gesamtsystem, das sich an dezentralen Energiequellen und nicht an großen Kraftwerken ausrichtet. Bei dieser Systemveränderung stehen wir noch ganz am Anfang.
Müller: Der Bundesgesetzgeber hat geregelt, dass Deutschland bis 2050 treibhausgasneutral sein soll. Aber was bedeutet das? Rein rechnerisch heißt es: Die Summe der Emissionen darf nicht größer sein als die Summe der kompensierenden Maßnahmen. Das sagt aber nichts über die tatsächliche Reduktion von Emissionen aus. Sind es nur 80 Prozent, könnten wir uns für den Rest sogar noch Gaskraftwerke erlauben. Bei 95 Prozent wären schon die Emissionen aus der Landwirtschaft zu viel.
Müller: So ist es. Damit der Gesetzgeber weiß, wo er hinsteuern muss. Es ist ein Unterschied, ob wir 65 oder 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen wollen.
Müller: Das hat verschiedene Ursachen. Da ist der Widerstand von Kohlekraftwerksbetreibern, deren Geschäftsmodelle früher enden. Eine dezentrale Energieversorgung bringt Veränderungen in der Landschaft. Menschen müssen mitgenommen und Flächen für solche Anlagen ausgewiesen werden. Neue Netze, Speicher, Verfahren – all das muss der Gesetzgeber ansteuern. Aber bei jeder dieser Fragen muss er mit Widerständen umgehen.
Müller: Leider wollen wir mitunter alle Details regeln. Da wendet sich dann mancher Adressat ab. Man könnte sich auf jedem Hausdach eine Photovoltaikanlage denken. Aber wenn wir Privatleute einbinden wollen, braucht es faire und einfache Regeln. Damit müssen Privatleute umgehen können und nicht nur Unternehmen.
Müller: Es ist zu kompliziert. Wenn Sie heute eine Photovoltaikanlage installieren, müssen Sie Zählerkonzepte umsetzen, sich mit Steuerrecht befassen, müssen monatlich oder vierteljährlich Daten erheben – das könnte man theoretisch pauschalieren mit Standardbeträgen nach Leistung. Der Aufwand wäre deutlich geringer.
Müller: Auf alle Fälle. Wir verpflichten Privatleute ständig im deutschen und im europäischen Recht, gerade beim Bauen: Brandschutzvorschriften, Rauchmelder und so weiter. Alles Regeln, die wir verpflichtend einhalten müssen, weil sie einen bestimmten Sinn haben. Und Klimaschutz hat definitiv Sinn. Also wären solche Vorschriften machbar, wenn man sie politisch will.
Müller: Nur auf Umwegen, etwa wenn sie den Verkauf städtischer Grundstücke an die Errichtung von Photovoltaikanlagen knüpfen. Die Frage ist: Wer soll diese Pflicht aussprechen? Das könnte der Bund sein oder ein einzelnes Bundesland wie Bayern. In Hamburg, Berlin oder Baden-Württemberg gibt es solche Regelungen bereits. Wenn wir auf die Dimension von Klimaschutz schauen, spricht einiges für eine bundesweite Regelung.
Müller: Nur in dem einen oder anderen Detail. Diese Novelle ist mehr ein Kontinuum als eine Weiterentwicklung. Es ging vor allem um eine Anschlussregelung für kleine Photovoltaikanlagen, deren Förderung nach 20 Jahren ausgelaufen ist. Das war mehr Vergangenheitsbewältigung als Zukunftsgestaltung.
Müller: Das ist eines unserer Hauptgebiete. Beispiel Unternehmen: Da stehen sich wirtschaftliche Interessen und staatliche Vorgaben gegenüber. Energiewende braucht Flächen – da geht es um Anwohnerinteressen. Oder der Artenschutz bei Windkraftanlagen. Überall muss ein sinnvoller Ausgleich gefunden und ins Recht überführt werden.
Müller: Da geht es um die Auswirkungen des Klimawandels und die Anpassung, weniger um die Energiewende. Aber die Phänomene sind vergleichbar: Wenn wir über Unterfrankens Wasserversorgung in trockenen Zeiten nachdenken, brauchen wir Wasserexperten, Ökonomen – und Juristen, denn am Ende braucht es ein neues Wasserrecht.