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Würzburg
Erwerbsminderungsrente: Was tun, wenn der Antrag scheitert?
Unfall, Krankheit, kaputter Rücken: Wer nicht mehr arbeiten kann, hat die Möglichkeit, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Wer Anspruch hat - und wo man Hilfe bekommt.
Was tun, wenn man nicht mehr arbeiten kann, der Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird? Ein Sozialexperte gibt Rat.
Foto: Andrey Popov | Was tun, wenn man nicht mehr arbeiten kann, der Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird? Ein Sozialexperte gibt Rat.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:39 Uhr

Wer nach einem Unfall oder nach schwerer Krankheit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten kann, erhält eine so genannte Erwerbsminderungsrente. Zumindest theoretisch. Im Jahr 2020 haben über 350.000 Menschen eine solche EM-Rente bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beantragt. Laut DRV wurden 42 Prozent der Anträge abgelehnt. Viele Betroffene kämpfen monatelang, manche sogar Jahre, bis ihr Antrag genehmigt wird.

Kai Kellershohn, Leiter der Würzburger Kreisgeschäftsstelle des VdK, erklärt die Hürden und zeigt auf, was Betroffene tun können und wo sie Hilfe finden. 

Kai Kellershohn ist Kreisgeschäftsführer der VdK-Geschäftsstelle in Würzburg. Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. ist mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern der größte Sozialverband Deutschlands. 
Foto: Patty Varasano | Kai Kellershohn ist Kreisgeschäftsführer der VdK-Geschäftsstelle in Würzburg. Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. ist mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern der größte Sozialverband Deutschlands. 

Was sind die Hauptgründe, warum Menschen nicht mehr arbeiten können?

Depression, Krebs, kaputte Bandscheiben: Die Gründe, warum jemand nicht mehr arbeiten kann, sind vielschichtig. "Oft ist es ein Zusammenspiel verschiedener Erkrankungen, also eine Kombination aus internistischen, orthopädischen und nervenärztlichen Krankheitsbildern, die zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit führt", sagt VdK-Kreisgeschäftsführer Kai Kellershohn. Wer ständig Schmerzen habe, bekomme häufig auch psychische Probleme.

Wer hat Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente?

Eine Erwerbsminderungsrente erhält versicherungstechnisch nur, wer mindestens fünf Jahre in die Rentenkassen eingezahlt hat. Außerdem müssen in mindestens drei der zurückliegenden fünf Jahre  Pflichtbeiträge eingezahlt worden sein, erläutert Kellershohn. Wer zum Beispiel aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit oder einer Familienauszeit längere Zeit keine Beiträge in die Rentenkasse zahlt, verliert unter Umständen seinen Anspruch.

Hinzu kommen die medizinischen Gründe. "Eine Erwerbsminderung liegt bereits vor, wenn Sie einer regelmäßigen leichten Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründe nur noch weniger als sechs Stunden am Tag nachgehen können", erklärt der Sozialexperte. Früher führten vor allem orthopädischen Erkrankungen zur Frühverrentung. Mittlerweile liegen psychische Erkrankungen an der Spitze, gefolgt von Krebserkrankungen. Den Antrag auf Erwerbsminderung prüft in der Regel ein Gutachter oder eine Gutachterin der Rentenversicherung.

Erwerbsminderungsrente: Was tun, wenn der Antrag scheitert?

Wie viele Menschen in Deutschland erhalten aktuell eine Erwerbsminderungsrente?

Über 1,82 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben laut DRV Ende 2020 eine Erwerbsminderungsrente auf ihr Konto überwiesen bekommen. Die Höhe der Erwerbsminderungsrente richtet sich nach den bislang erworbenen Rentenansprüchen, dem Jahr des Rentenbeginns und dem Alter der Betroffenen. Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag lag Ende 2020 bei monatlich 869 Euro, nach Abzug der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Laut Rentenstatistik lag das Durchschnittsalter der Bezieher einer EM-Rente bei 55,7 Jahren. Mehr als 332.800 Bezieher (18,3 Prozent) waren jünger als 50 Jahre.

In Unterfranken haben zum 31. Dezember 2021 insgesamt 28.888 Menschen eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten (13.747 Männer und 15.141 Frauen). Der durchschnittliche Zahlbetrag lag bei 915,25 Euro (Männer: 953,85 Euro, Frauen: 880,21 Euro).

Erhalten mehr Frauen oder Männer eine Erwerbsminderungsrente?

Laut Statistik der Rentenversicherung erhalten mehr Frauen als Männer eine Erwerbsminderungsrente. Bundesweit bezogen Ende 2020 über 967.800 Frauen (53,2 Prozent) und knapp 852.500 Männer (46,8 Prozent) eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente.

Wie stellt man einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente?

Eine EM-Rente gibt es nur auf Antrag, die dafür nötigen Formulare findet man auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung (www.deutsche-rentenversicherung.de). Der VdK biete bereits vorab ein Beratungsgespräch an, sagt Kai Kellershohn. Wichtig sei, dass man seine Krankheit dokumentiere und Untersuchungen von einem Facharzt durchführen lassen.

Die Krankenkasse könne Beschäftigte auch auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen. Sie setzten den Patienten dann oft eine Frist und drohen an, sonst die Zahlung des Krankengeldes einzustellen. Dieser Aufforderung müsse man aber nicht immer nachkommen, sagt der VdK-Berater. "Nicht jede Aufforderung der Krankenkassen an den Versicherten, einen Reha-Antrag zu stellen, ist auch rechtmäßig. Dies sollte unbedingt überprüft werden."

Wie hängt die Erwerbsminderungsrente mit der Rehabilitation zusammen?

Im Sozialrecht gilt der Grundsatz "Reha vor Rente". Das heißt, es müssen alle für den Betroffenen in Frage kommenden Reha-Maßnahmen ausgeschöpft sein - erst dann wird eine Rente bewilligt.

Was kann man tun, wenn der Rentenantrag abgelehnt wird?

Fast jeder zweite Antrag scheitert zunächst, sagt der Würzburger VdK-Kreisgeschäftsführer. Er rät, mit Hilfe eines Experten Widerspruch und gegebenenfalls auch Klage vor dem Sozialgericht einzulegen. Für den Widerspruch habe man eine Frist von vier Wochen. Seitens der Behörden und Gerichte sei dieses Verfahren kostenfrei, so Kellershohn. Vor Gericht gelinge es oft, Gutachten von unabhängigen Sachverständigen zur Frage der Leistungsfähigkeit zu erreichen. Nicht selten würde die beantragte Rente dann doch bewilligt. "Man braucht manchmal allerdings einen langen Atem", sagt Kellershohn.

In Unterfranken wurden 2022 in den Geschäftsstellen des VdK insgesamt 53.267 Beratungen zu allen Rechtsbereichen geführt - darunter 10.925 Beratungen zum Thema Erwerbsminderungsrente. Laut Kellershohn wurden 1007 Widersprüche eingelegt und 423 Klagen. Allein im Kreisverband Würzburg gab es insgesamt 1384 Beratungen zum Thema Erwerbsminderungsrente - und als Folge 135 Widersprüche und 65 Klagen. Die Erfolgsquote - also die vollständige oder teilweise Anerkennung - liege bei Widersprüchen bei etwa 30 Prozent, bei Klagen bei etwa 20 Prozent, sagt der VdK-Berater.

Beispiel-Fall: Wie läuft ein Widerspruch ab und wie lange dauert es bis zur Entscheidung? 

Kai Kellershohn nennt ein Beispiel aus der Praxis: Frau P. stellt ihren Rentenantrag im Mai 2021 über den Sozialverband VdK. Im August 2021 erhält sie die Ablehnung - wegen fehlender medizinischer Voraussetzungen. Es geht um das gleichzeitige Bestehen verschiedener Krankheiten, Frau P. leidet unter orthopädischen, kardiologischen und psychischen Beschwerden.

Im September 2021 legt der VdK für Frau P. Widerspruch ein. Er begründet dies im Oktober 2021 mit erneutem Verweis auf Leistungseinschränkung durch die vielen Erkrankungen und reicht dazu Befunde und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte ein. Erst ein Jahr später, im Juni 2022, beginnt die Zahlung einer unbefristeten vollen Erwerbsminderungsrente.

Wo kann man sich zum Thema Erwerbsminderungsrente beraten lassen?

Zu nennen sind hier gemeinnützige und auf Rentenrecht spezialisierte Organisationen wie der Sozialverband VdK Bayern oder dieAuskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung. Viele paritätische Organisationen haben ebenfalls Beratungsangebote. Außerdem gibt es auch spezialisierte Rechtsanwälte und Rentenberater.

 
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