
Lockdown, Quarantäne, Testen und Impfen: Fünf Jahre ist es her, dass der erste Corona-Fall in Würzburg registriert wurde – am 5. März 2020. Für viele Menschen war diese Zeit geprägt von Angst und Herausforderung. Wir haben Akteure von damals befragt, was sie beim Gedanken an diese Zeit empfinden, woran sie sich besonders erinnern und wie sie sich in ihrem beruflichen Bereich für eine zukünftige Pandemie aufgestellt sehen.
1. Paul Justice, während Corona Führungsgruppe Katastrophenschutz und Manager Teststellen

"Wenn ich an Corona denke, kommen mir die traurigen Bilder aus Bergamo mit dem Sargkonvoi ins Gedächtnis. Nie werde ich vergessen, wie viele, vor allem ältere Menschen, auch in Würzburg gestorben sind, zum Beispiel im Seniorenheim St. Nikolaus oder im Hans-Sponsel-Haus. Das möchte ich nicht noch mal erleben. Im Gesundheitsamt und der Führungsgruppe Katastrophenschutz haben wir sieben Tage in der Woche gearbeitet, bis zu 14 Stunden täglich. Eine Aufgabe war es, Särge zu bestellen und sicherzustellen, dass es im Krematorium genügend Verbrennungskapazitäten gibt.
Belastend war zu Anfang auch die mangelnde Schutzausrüstung, vor allem für Pflegekräfte und Rettungsdienste. Als ich selbst an Corona erkrankte, war ich acht Wochen lang isoliert und litt an Atemnot. Später kam die traurige Nachricht, dass ein gleichaltriger Freund an Corona gestorben ist. Was mir bei der Arbeit Kraft gegeben hat, war die tolle Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen und der Feuerwehr, aber auch mit den Kliniken in Würzburg und Ochsenfurt oder der Universität. Hoffnung kam mit der Einrichtung der Teststellen und später mit den Impfungen. Ich bin froh, dass es von Seiten des Landrats ein starkes Krisenmanagement mit kurzen Entscheidungswegen gab. Die aufgebauten Strukturen sind auch in Zukunft nützlich."
2. Dr. Barbara Finkenberg, stellvertretende Leiterin Gesundheitsamt Würzburg

"Es waren harte Zeiten. Am Anfang der Pandemie mussten sogar alle Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes bei der Kontaktpersonen-Nachverfolgung mitarbeiten. Mit dem Virologischen Institut der Universität Würzburg hatten wir zum Glück schnell einen Partner an unserer Seite, der die nötige Diagnostik zur Verfügung stellte. Die oft wechselnden Vorgaben der Politik brachten uns in schwierige Situationen und führten zu Unmut am Bürgertelefon.
Bei Testungen verfolgten wir die Strategie: 'Positiv ist positiv.' Daran änderte auch ein kurz danach durchgeführter negativer Test nichts. Das war manchmal hart für die Infizierten. Wichtig waren in dieser Zeit auch die Corona-Zahlen. Hier konnten wir uns grundsätzlich auf unsere Software verlassen, aber der Aufwand, die Fälle einzutragen und nachzuverfolgen, war in der Hochphase extrem. Neben dem Arbeitsaufkommen waren die vielen Todesfälle zu Beginn der Pandemie sehr belastend – und die Ungewissheit, wie es weitergehen wird. Heute sind wir durch unser Digitalisierungsprojekt und zusätzliches Personal dank des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst gut aufgestellt. Aber: Wir müssen flexibel bleiben – jede Pandemie wird ihre eigenen Besonderheiten haben."
3. Andrea Zoller, Leiterin des Kindergartens "Unsere liebe Frau"

"Wenn ich zurückblicke, denke ich: 'Was haben wir nicht alles angestellt, dass es bei uns läuft!'. Ich weiß noch, wie wir im Team die Ansprache von Ministerpräsident Söder anschauten und wussten, jetzt wird es ernst. Es war klar: Wir müssen zusammenhalten. Während des strengen Lockdowns haben wir den Kindern Videosequenzen geschickt, damit sie uns sehen. Einfacher wurde das Digitale durch die Kikom-App, der wir uns anschlossen. Lange Zeit durften nur Kinder in die Notbetreuung kommen, deren Eltern systemrelevante Berufe hatten. Für alle anderen gab es draußen eine Box mit Bastel- und Malsachen zum Mitnehmen.
Für die Kleinen war es herausfordernd. Ihnen fehlten die Freunde zum Spielen und das soziale Miteinander. Stressig waren für uns ständig wechselnde Auflagen des Ministeriums. Beispielsweise gab es erst Stoffmasken, dann hieß es für die Kitas seien Face-Schilder gut, Wochen später wurden sie durch FFP2-Masken abgelöst. Die Verunsicherung war groß, auch in puncto Testen und Quarantäne. Lange Zeit durften Eltern ihre Kinder nicht in die Kitaräume begleiten, sondern mussten sie vor der Tür abgeben. Persönlich berührt hat mich indes das Schicksal einer Kollegin, die an Long-Covid erkrankte und bis heute darunter leidet."
4. Dr. Holger Saurenbach, Schulleiter Matthias-Grünewald-Gymnasium

"Corona war für unsere Schule eine traurige Zeit. Eine Schule ohne Schülerinnen und Schüler, ohne das Gewusel auf dem Schulhof oder die Musik in den Klassen, das ist eine tote Schule. Der Distanzunterricht stellte alle Schulen vor große Herausforderungen, da die Digitalisierung in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen steckte. Jede Schule musste in kürzester Zeit eigene digitale Lösungen finden. Das funktionierte bei uns über die Lernplattform Mebis und es gab tolle Lernvideos und digitalen Unterricht von unseren Lehrkräften. Was fehlte, waren aber die Interaktion und das soziale Miteinander, das uns als musisches Gymnasium besonders prägt.
Als die Schüler wieder kommen durften, freute uns das sehr. Ich hatte damals eine fünfte Klasse und selbst diese meisterte den verpflichtenden Corona-Test sehr gut. Dazu kam regelmäßiges Lüften, wir hatten auch C02-Messer für die Räume angeschafft. Wir merkten jedoch schnell, dass die Pandemie an unseren Schülern nicht spurlos vorübergegangen war. Teilweise sind die Folgen heute noch spürbar. Die Kinder haben viele Opfer gebracht, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie in ihren emotionalen und sozialen Bedürfnissen genügend unterstützt werden. Im Nachhinein betrachte ich viele Corona-Maßnahmen als sinnvoll, aber die Schulschließungen auf lange Zeit waren aus heutiger Sicht ein Fehler."
5. Miriam Preuß, Einrichtungsleiterin des Seniorenheims Ehehaltenhaus/St. Nikolaus

"Unseren ersten Coronafall hatten wir am 8. März, und gleich darauf haben wir gemerkt, dass wir es mit einem ganz anderen Ausmaß zu tun haben werden. Als wir unser Personal getestet hatten, waren 20 Mitarbeitende positiv und fielen von jetzt auf nachher aus. In der Pflege ist das dramatisch. Für mein Team und mich war die organisatorische Herausforderung enorm: Wie versorgen wir mit deutlich geringerem Personal unsere Bewohner? Wie schützen wir Bewohner und Mitarbeiter? Zugleich waren auch die Ressourcen knapp: Masken und Desinfektionsmittel, all das gab es plötzlich nicht mehr. Nachdem Bewohner verstorben waren, kam dazu noch von außen, auch von den Medien, der Vorwurf: Wie kann das passieren?
Ein Problem waren auch die mangelnden Testmöglichkeiten. Für alle Mitarbeitenden und für mich bedeutete diese Zeit, dass es praktisch keinen regulären Dienst mehr gab. Die letzten Laborergebnisse kamen oft abends um neun. Alle haben mehr gearbeitet, an Abschalten war nicht zu denken. Es gab auch Situationen, in denen man sich einfach hilflos gefühlt hat. Wir haben aus anderen Bereichen der Stiftung Unterstützung erhalten, dies hat aber leider auch bald nicht mehr ausgereicht. Zugleich sind die Verbindungen zwischen Personal und Bewohnern damals enger geworden, es gab ja auch ein Betretungsverbot. Wir waren dann alle eine Gemeinschaft. Auch im Team gab es einen sehr engen Zusammenhalt – und der ist geblieben."
6. Harald Rehmann, Leiter des Würzburger Amtes für Zivil- und Brandschutz

"Als der erste Corona-Fall in Würzburg auftrat, hatten wir uns schon vorbereitet, nachdem die ersten Infektionen bereits in Österreich und anderen Teilen Deutschlands aufgetreten waren. Oberste Priorität war es, den Dienstbetrieb unserer Feuerwehr und der Integrierten Leitstelle aufrechtzuerhalten. Wir stellten Dienstpläne um und setzten erste Hygienemaßnahmen um. Ein großes Problem war die Logistik: Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung waren Mangelware. Gemeinsam mit den Feuerwehren des Landkreises, den Hilfsorganisationen und dem THW gelang es schnell, die Infrastruktur aufzubauen und das knappe Material zu verteilen.
Belastend war die Situation im Seniorenheim St. Nikolaus, in dem 25 Menschen an einer Corona-Infektion starben. Durch einen Großeinsatz gelang es uns, den Ausbruch dort unter Kontrolle zu bringen. Für die Zukunft haben wir Lehren gezogen: So haben wir den Bereich Bürgertelefon verbessert, es gibt einen Lagerbestand an Schutzausrüstung und wir haben beim Amt für Zivil- und Brandschutz ein eigenes Sachgebiet 'Einsatzplanung und Bevölkerungsschutz' etabliert. Persönliche Erfahrung mit Corona hatte ich bei meiner Infektion im Sommer 2022. Trotz Impfung hatte ich einen heftigen Verlauf und verbrachte meinen Geburtstag separiert von meiner Familie in Quarantäne."