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Würzburg
5 Jahre nach Corona: Wie hat die Pandemie den Arbeitsalltag von Chefs und Mitarbeitern verändert, Professor Zwick?
Der Würzburger Wirtschaftswissenschaftler Thomas Zwick sagt, Corona hat deutliche Spuren in der Arbeitswelt hinterlassen. Mehr als Homeoffice: Welche Effekte er sieht.
Arbeitsforscher Dr. Thomas Zwick von der Uni Würzburg erklärt, wie die Pandemie unsere tägliche Arbeit verändert hat.
Foto: Thomas Obermeier | Arbeitsforscher Dr. Thomas Zwick von der Uni Würzburg erklärt, wie die Pandemie unsere tägliche Arbeit verändert hat.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 02.03.2025 02:45 Uhr

Corona hat die Arbeitswelt verändert. Fünf Jahre nach Ausbruch der Pandemie wird klar, dass Homeoffice und Video-Besprechungen zwar die besten Beispiele dafür sind, aber nicht die einzigen. Mittlerweile hat mobiles Arbeiten eine so wichtige Rolle, dass laut dem Portal Statista fast 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland die Möglichkeit zum Homeoffice als entscheidendes Kriterium bei der Stellensuche betrachten. 

Der Höhenflug von Homeoffice sei vorbei, schrieb das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung zwar schon im Oktober 2023. Dennoch seien viele Unternehmen zu Mischlösungen übergegangen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Arbeit sowohl zu Hause als auch im Betrieb leisten.

Prof. Thomas Zwick, Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftslehre, Personal und Organisation an der Uni Würzburg, beschäftigt sich seit Jahren mit der Arbeitsrealität. Im Interview spricht der 56-jährige Arbeitsforscher über mobiles Arbeiten als eine der bedeutendsten Folgen von Corona - und andere Errungenschaften.

Ist unser aller Arbeitsalltag in Folge von Corona besser oder schlechter geworden?

Prof. Thomas Zwick: Er ist sicher besser geworden, weil es mehr Flexibilität und mehr Alternativen gibt als früher. Früher waren viele Dinge verwehrt, die möglich gewesen wären, die man sich aber nicht zugetraut hat oder bei denen oft die Fantasie der Vorgesetzten gefehlt hat, dass es gut gehen kann.

Zum Beispiel?

Zwick: Dass man auch zu Hause arbeiten kann. Dass man nicht Belege einreichen muss, wenn man sich krankmeldet. Mehr Selbstbestimmung bei der Arbeit also. Viele sehen natürlich, dass dies bei ihnen immer noch nicht möglich ist. Einerseits, weil es technisch nicht geht, oder andererseits, weil die Vorgesetzten das nicht wollen.

Kennen Sie Unternehmer, die sich immer noch gegen mobiles Arbeiten wehren?

Zwick: Selbstverständlich. Selbst während der härtesten Lockdown-Zeit gab es Chefs, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro zitierten.

Homeoffice wird immer als Paradebeispiel genannt für das, was Corona im Arbeitsalltag mit sich gebracht hat. Was noch?

Zwick: Räumliche und zeitliche Flexibilität wird ganz anders eingeschätzt als früher. Das hat viele Aspekte: neuer Blick auf Dienstreisen, Vier-Tage-Woche, Überstunden beispielsweise.

Sind Dienstreisen im Vergleich zur Zeit vor Corona seltener geworden?

Zwick: Massiv.

Auch die Zahl der Konferenzen in Präsenz?

Zwick: Ja. Das ist nachweisbar. Man hat erkannt, dass manche Dinge bis vor der Pandemie einfach üblich waren, man hat sie nicht groß in Frage gestellt. Während Corona waren solche Präsenztermine nicht möglich. So hat man gesehen, dass ihr Mehrwert vielleicht doch gar nicht so groß war wie vorher gedacht. Vieles kehrt sich aber auch wieder um. Das sehe ich bei meinen Studierenden: Während ich vor Corona eher selten Leute mit ihren Abschlussarbeiten im Gespräch bei mir hatte, nimmt das jetzt zu. Denn viele Studierende erleben einen Mehrwert im direkten Gespräch. Man erkennt, dass dieser persönliche Austausch viel effizienter und befriedigender ist, als alles immer über Zoom oder Teams zu machen.

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Bei Homeoffice denken manche an Schlendrian. Wie hat sich also die Arbeitsmoral der Beschäftigten in den vergangenen fünf Jahren verändert?

Zwick: Das ist schwer zu sagen. Diese Vermutung mit dem Schlendrian war natürlich da und sie hat sich bei dem einen oder anderen auch bestätigt. Ich glaube aber, dass viele Arbeitgeber gesehen haben: Ich musste zunächst mal Vertrauen schenken und es ist nicht missbraucht worden.

Vom früheren Trigema-Chef Wolfgang Grupp stammt der Spruch: "Wer Homeoffice machen kann, ist nicht wichtig fürs Unternehmen." Was halten Sie davon?

Zwick: Das halte ich für ignorant. Man kann auch über Medienkanäle gut mit seinen Kollegen oder als Führungskraft mit den Mitarbeitenden kommunizieren. Das sollte allerdings nicht ausschließlich geschehen.

Bei Videobesprechungen bekommt man manche Gestik und Mimik des Gegenübers nicht mit. Das hat Folgen für die Gesprächskultur und Reaktionen in solchen Treffen. Videokonferenzen verlangen von Führungskräften somit einen anderen Umgang mit ihrem Personal. Was hat Corona in dieser Hinsicht nach sich gezogen?

Zwick: Ja, das stimmt: Subtile Nachrichten kommen nicht so leicht rüber. Es gibt sicher auch mehr Missverständnisse, weil wir nicht so gepolt sind, dass wir vom Bildschirm gut Emotionen ablesen können. Das ist eine Herausforderung bei der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen oder an eine Arbeitsgruppe.

Wie hat also Corona in Unternehmen das Führen verändert?

Zwick: Es gibt hier Gewinner und Verlierer der Pandemie. Führungskräfte, die nicht über die Distanz führen können, zählen zu den Verlierern. Während andere, die damit gut umgehen können und vielleicht einen positiveren Blick auf die Welt haben, zu den Gewinnern gehören. Es gibt Führungskräfte, die entdeckt haben: Ich kann ja selbst auch viel flexibler agieren, weil ich nicht mehr ständig vor Ort sein muss.

Es gibt gerade im Handwerk Berufe, bei denen Homeoffice nicht möglich ist. Was hat Corona dort verändert?

Zwick: Es gibt in der Tat Berufe, bei denen die Art der Arbeit nicht beliebig veränderbar ist. Diese Berufe haben tendenziell an Ausstrahlung verloren, weil sich die Flexibilität in anderen Berufen so positiv entwickelt hat. Da muss man nicht nur auf das Handwerk schauen. Das betrifft auch viele Dienstleistungsberufe im akademischen oder medizinischen Bereich: Sie sind nur vor Ort zu leisten. Das hat manche Berufe in den Augen vieler unattraktiver gemacht.

Corona und die Folgen: Das sagen Unternehmen aus Unterfranken

IT-Expertin Ute Mündlein, Chefin der Beratungsagentur 10 o´clock GmbH in Winterhausen bei Würzburg, hat "einen Digitalisierungsschub" in Unternehmen beobachtet. Bemerkenswert sei, dass selbst konservative Betriebe mittlerweile auf digitale Lösungen setzten. Sie selbst arbeite seit der Pandemie effizienter, weil sie mehr Termine online wahrnehme, sagt Mündlein. Dennoch habe der persönliche Austausch mit der Kundschaft nach wie vor "einen hohen Stellenwert".
ZF in Schweinfurt hatte nach Angaben von Sprecherin Fabiola Wagner schon vor Corona eine Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten. Trotz Homeoffice-Möglichkeit sei klar, dass die Arbeit in Präsenz die Kreativität fördere und den Zusammenhalt innerhalb der Teams stärke. Aus diesem Grund motiviere ZF die Belegschaft, "das persönliche Zusammenkommen wertzuschätzen", sagt Wagner. Bewusst vor Ort geführte Mitarbeiterveranstaltungen sowie ein neues Kulturcafé sollten das unterstreichen.
Geschäftsführerin Tonya Schulz von der Werbeagentur TextDesign in Bischofsheim/Rhön sieht positive Folgen von Corona: Der digitale Arbeitsalltag sei optimiert worden. Homeoffice habe sich problemlos etabliert, feste Regeln dafür gebe es nicht. Spielten vor der Pandemie Aufträge im Bereich Veranstaltungen eine Hauptrolle, gebe es nun eine "deutliche Verlagerung" hin zu Onlinemarketing für Unternehmen, sagt Schulz.
aug
 
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