
Gierig reißt das kleine Wesen seinen Schnabel auf. Es zittert, hat man das kleine Vögelchen doch gerade erst aus dem wärmenden Nest geholt. Vorsichtig führt Marion Pappert die kleine Fliege mit einer Pinzette in Richtung Schnabel. Schnapp! Schnell wie der Blitz schnappt der kleine Vogel zu und verspeist genüsslich das Insekt. Alle zwei Stunden wird das Kleine mit Insekten gefüttert - und das von Hand, rund um die Uhr. Marion Dappert ist keine professionelle Tierpflegerin, sie betreibt auch keine Tierauffangstation. Sie hat das kleine Vögelchen in einem Nest in ihrem Elternhaus entdeckt, gemerkt, dass die Eltern ausgeflogen sind und kümmert sich seitdem um den kleinen Vogel. Sie hat ihm das Leben gerettet und päppelt es nun auf, bis es fliegen kann.
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Schon beim Betreten des Hofes in Waldbrunn fällt schnell auf, hier sind Tiere willkommen. Tauben picken Körner vom Boden auf, eine große Entenfamilie stolziert mit ihren vielen Küken durch die Einfahrt und ein Hund kaut laut schmatzend an seinem Knochen herum. "Kommen Sie rein. Die Schuhe sind danach zwar dreckig, aber wir sind nun mal ein kleiner Bauernhof", begrüßt Marion Dappert. Sofort führt sie zum kleinen Schwalbennest im Obergeschoss des Wohnhauses ihrer Eltern. "Hier wohnt momentan niemand, deshalb konnten die Vögel hier ungestört brüten", erzählt sie.
Traurig: Drei Schwalbenbabys haben nicht überlebt
Zwei Rauchschwalben haben sich dort niedergelassen und ein kleines Nest aus Lehm und Halmen auf einem Sicherungskasten gebaut. Wie sie ins Haus gekommen sind? Ganz einfach: "Durch die Haustüre", sagt Dappert und lacht. "Mein Vater ist Rentner, ist eigentlich den ganzen Tag auf dem Hof, da steht die Haustüre immer offen." Vier Eier hat das Vogelpaar gelegt, die Babys sind geschlüpft und dann "sind die Eltern einfach nicht mehr gekommen". Warum, das könne weder die 53-Jährige noch ihr Vater genau sagen. Dapperts Tierliebe ist groß, deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, sich um die jungen Schwalben zu kümmern. Leider haben drei der Babys nicht überlebt. "Sie waren einfach von Anfang an zu schwach."
Vielleicht kümmert sie sich deshalb umso intensiver um das verbliebene Junge. Vorsichtig hält sie das Vögelchen in ihrer Hand fest. Mit der anderen drückt sie Wasser aus einer kleinen Spritze in den Schnabel des Babys. "Feuchtigkeit ist wichtig", weiß sie. Deshalb sei es besonders wichtig, dass das Junge regelmäßig zu trinken bekommt. Und auch durch die Nahrung werden Schwalben mit Feuchtigkeit versorgt. "Ich fütter ihn aber ausschließlich mit Fluginsekten. Alles andere macht den Vogel krank." Woher sie das alles weiß? "Recherche", erzählt sie. "Ich kannte von Schwalben nur das, was meine Eltern mir erzählt haben. Als ich dann gehört hab, dass sie vom Aussterben bedroht sind und unter Naturschutz stehen, habe ich das Recherchieren angefangen."
So habe sie auch herausgefunden, dass die Vogeljungen dringend Wärme brauchen. Und da diese durch die Eltern nicht mehr gegeben war, musste Pappert eingreifen. Sie nahm das Tier aus dem Nest der Eltern und "baute" ein eigenes, neues Nest für das Kleine - bestehend aus einer kleiner Schüssel, Küchenpapier und einer Wärmflasche. Ganz wichtig: Das Papier muss regelmäßig gewechselt werden, denn "durch den Kot können die Tiere schnell krank werden."

Das Futter für die Schwalbe hat sie teilweise im Tierbedarf gekauft, teilweise aber auch selber gesammelt. "Ich mach' abends das Licht an und das Fenster auf, dass die Falter reinkommen. Dann fang' ich die ein - besonders die dicken fetten." Ekel vor Insekten dürfe man da nicht haben. "Ich war nie der große Fan von solchen Viechern, aber mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt."
Den Ekel hat sie überwunden, besonders weil sie weiß, weshalb sie den ganzen Stress auf sich nimmt. "Schwalben bringen Glück", weiß die Tierfreundin. "Und man sagt, wenn man Schwalben raushaut oder Nester wegmacht, dann verliert man das Glück." Daran glaube sie ganz fest. "Wo sich Schwalben niederlassen, da lassen sie auch Glück nieder."
Warum die Vogeleltern einfach nicht mehr gekommen sind und ihre Jungen alleine gelassen haben, kann Dappert nicht sagen. "Ich bin halt jetzt die Vogelmama." Spätestens in ein, zwei Tagen möchte sie das Junge wieder zurück in das eigene Nest setzen. Dort soll es dann lernen zu fliegen. "Da oben haben wir einige Fliegen und Insekten, so soll es seine Flugbahn kennen lernen und sein Fressen im Fliegen fangen", sagt sie. "Eventuell schafft das Kleine es dann im Oktober in den Süden", hofft sie. "Ansonsten überwinter ich es auch gerne."