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KREIS HASSBERGE
Das Glück wird immer seltener
Schwalben: Weniger Ställe, weniger Rauchschwalben – BN Ebern berichtet von massivem Rückgang.
Glücksbringer am Haus: Zig Nester von Mehlschwalben am Haus der Familie Schad in Lendershausen. Im Bild blickt Marga Schad zu den gefiederten Gästen.
Foto: Alois Wohlfahrt | Glücksbringer am Haus: Zig Nester von Mehlschwalben am Haus der Familie Schad in Lendershausen. Im Bild blickt Marga Schad zu den gefiederten Gästen.
Alois Wohlfahrt
Alois Wohlfahrt
 |  aktualisiert: 25.08.2015 18:18 Uhr

Hermann Schmidt kommt richtig ins Schwelgen, wenn er so in den Stall blickt: „Es ist doch eine wahre Pracht: Du kommst früh in den Stall und dann sitzen 80 oder auch schon mal 100 wie die Perlen aufgereiht ganz ruhig auf der Leitung.“

Ruhe und Dasitzen ist allerdings im Moment nicht angesagt. Wie wild schießen am späten Nachmittag alle paar Sekunden Schmidts Lieblinge an ihm vorbei. Das ist kein Wunder, wenn mehr als drei Dutzend Schwalben damit beschäftigt sind, Junge zu füttern oder Flugübungen zu absolvieren. Landwirt Schmidts Stall ist ein Refugium für Schwalben, besser gesagt für die Rauchschwalben. Denn deren Zahl ist seit Jahrzehnten zurückgegangen. Dies zeigen Zahlen, die der Bund Naturschutz in Ebern gesammelt hat. Auch wenn Schwalben als Glücksbringer gelten, haben sie selbst immer weniger Glück, ein Plätzchen zum Nisten zu finden. Es gibt immer weniger Ställe als Lebensraum für die Rauchschwalben, die Hinterlassenschaften von Mehlschwalben fürchten viele Hausbesitzer.

Es sind ganz besondere Tage im Frühjahr, so besonders, dass sie Hermann Schmidt und seine Frau Hedwig im Kalender in ihrem Stall im Pfarrweisacher Ortsteil Römmelsdorf sogar markieren: „8. April, zwei Schwalbenpaare im Stall“. So steht es in diesem Jahr im Kalender. „Wir freuen uns einfach, wenn die ersten wieder in den Stall reingeflogen kommen“, denkt Hermann Schmidt bereits wieder an das kommende Frühjahr.

Nur noch 400 Rinderhalter

Wenngleich, es könnte auch eines der letzten Male sein, dass sie dann das bei den Schmidts finden, was sie immer wiederkehren lässt: die Kühe im Stall und damit auch genügend Nahrung – Fliegen und andere Insekten. Denn wie viele Landwirte zuvor denken auch die Schmidts darüber nach, die Viehhaltung aufzugeben. Und dies ist auch ein Grund, warum die Zahl der Rauchschwalben in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgegangen ist, berichtet Harald Amon vom Bund Naturschutz in Ebern. Und er kann dies, wenn auch nicht repräsentativ, an Zahlen festmachen. Bereits vor 20 Jahren wurden im Eberner Bereich Schwalben gezählt. Und erneut in diesem Jahr. Und die brachten eklatante Unterschiede bei den Rauchschwalben ans Licht: Gab es etwa in Unterpreppach vor 20 Jahren noch 50 Rauchschwalben, wurden in diesem Jahr grade noch zehn Exemplare gezählt.

Weniger dramatisch ist der Rückgang bei den Mehlschwalben, die zum Nisten Hauswände und Dachvorstände nutzen: Deren Bestand ging in Unterpreppach von 52 auf 47 zurück. Der „eklatante“ Rückgang der Zahl der Rauchschwalben ist eng verbunden mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft, der Tatsache, dass es immer weniger Ställe als Refugien für die Rauchschwalben gibt, so Amon.

Wie dramatisch sich dieser Wandel in der Landwirtschaft vollzogen hat, machen Zahlen deutlich: Allein innerhalb eines Jahrzehnts – von 1993 bis 2003 – ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Haßbergkreis um 34 Prozent zurück, zitiert Manfred Kraus, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (Schweinfurt/Hofheim), aus dem Agrarbericht. Und noch markanter: In dieser Zeit halbierte sich beinahe die Zahl der Rinderhalter. Warum den Rauchschwalben immer weniger Ställe Gelegenheit zum Nisten zur Verfügung stehen, zeigt ein weiterer Blick in die Statistik: Gab es im Jahr 1993 im Landkreis noch rund 1200 Rinderhalter, waren es im Jahr 2011 gerade noch 400.

Für Manfred Kraus tut sich beim Blick auf die Rauchschwalben ein „Spagat“ auf, denn: „So gerne ich die Schwalben habe“, aber die Milchviehhalter seien nun mal der „Hygieneverordnung unterworfen“. Wo das Lebensmittel Milch produziert werde, da dürften nun mal keine Schwalben sein. „Wenn wir die Rauchschwalben möchten, dann müssen wir auch die Hygienevorschriften zurückschrauben.“

Unter anderem die vielen Vorschriften sind es, die beim Römmelsdorfer Landwirt Schmidt dafür sorgen, „dass mir Landwirtschaft keinen Spaß mehr macht“. Dabei hängt er an seinen Rauchschwalben. Seit Kindheit an, berichtet der 69-Jährige. Immer wieder blickt er während des Gesprächs zu den Tieren hoch, „jetzt schimpfen sie, weil sie merken, dass jemand Fremdes da ist“, sagt Schmidt und deutet zu den zeternd vorbeifliegenden Schwalben. Rund 20 Nester sind in den beiden Stallungen, berichtet er. Dazu kommen noch einmal 26 Nester am Haus. Weitaus mehr waren es im Stall im vergangenen Jahr. Woran dies liegt? Vielleicht, weil schon im vergangenen Herbst Tiere geschwächt aufgebrochen waren. Dabei unterstützt er seine Schwalben, wo er nur kann.

Das beginnt schon Tage vor der Ankunft: Da stehen auf jeden Fall die Stallfenster offen, damit sie auch einfliegen können. Dann gibt's Unterstützung beim Hausbau: Auf alten Backblechen hält er Lehm und Wasser bereit, damit die Tiere ihre Nester bauen können. Und schon oft hat er ein kleines Schwälbchen, das aus dem Nest gefallen war oder erschöpft auf dem Boden lag, „ein paar Tage aufgepäppelt“ und dann wieder ins Nest zurückgebracht. „Manchmal reicht ein Tag füttern, dann haben sie schon wieder Kraft“, so Schmidt.

Die Rauchschwalben sind eines, aber der Blick an sein Haus zeigt, dass er auch für die Mehlschwalben ein Herz hat: Zig Nester sind da zu sehen, darunter auch gekaufte Nisthilfen, die er für die Kolonien-Brüter angebracht hat. Nicht anders sieht es in Lendershausen bei Familie Schad aus: Weit über 30 Nester sind unter dem Dachvorsprung zu sehen. Bis 1990 hatten die Schads auch Rauchschwalben – bis damals die Tierhaltung aufgegeben wurde, berichtet Marga Schad. Unterm Dach ist es in den vergangenen Wochen ruhiger geworden, aber immer noch bringen Elterntiere Futter im Minutentakt ihrem hungrigen Nachwuchs.

Insektenarmut, schlechtes Nistmaterial

Dass dort Leben unterm Dach ist, das zeigt sich auf dem Boden: Die Hinterlassenschaften der Schwalben. Dies ist der Grund, warum Mehlschwalben bei vielen Hausbesitzern verpönt sind, berichten Harald Amon und der Ornithologe Dietmar Will (Haßfurt). Will bestätigt die Erfahrungen des Eberner Bund Naturschutz und spricht gar von einem besonders schlechten Schwalbenjahr 2015. Durch die Trockenheit herrschte Insektenarmut und es fehlte an geeignetem Nistmaterial. Oftmals gab es deshalb bei den Schwalben keine zweite Brut, weil es bei der Aufzucht des ersten Nachwuchses wohl schon knapp war. Und die flinken Flitzer rotten sich bereits zum Abflug zusammen. Und auch hier wird der Rückgang der Schwalben deutlich, denn „die Schwärme sind nur noch ein Abklatsch von früher“, so Will.

Glücksbringer im Stall: Die Schwalben im Kuhstall von Hermann Schmidt in Römmelsdorf.
Foto: Alois Wohlfahrt | Glücksbringer im Stall: Die Schwalben im Kuhstall von Hermann Schmidt in Römmelsdorf.
Liebt seine Tiere: Hermann Schmidt (Römmelsdorf).
Foto: Alois Wohlfahrt | Liebt seine Tiere: Hermann Schmidt (Römmelsdorf).
Genau Buch geführt: Der Tag, an dem die Schwalben kamen.
Foto: Alois Wohlfahrt | Genau Buch geführt: Der Tag, an dem die Schwalben kamen.
 
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