Die Erinnerungs- und Gedenkkultur steht vor neuen Herausforderungen – auch in Würzburg. Jahr für Jahr gibt es hier zwar Gedenkveranstaltungen, um sich an die Schrecken des 16. März 1945 zu erinnern. Doch die, die damals dabei waren, werden immer weniger. Vor allem Schulen setzen auf Zeitzeugen, darunter beispielsweise die Grundschule Lengfeld, die St.-Ursula-Schule und das Matthias-Grünewald-Gymnasium (MGG).
Ob das Ereignis in den Köpfen der Schülern verankert ist, sei sehr unterschiedlich und abhängig von der Herkunft und der familiären Verankerung, sagt Christoph Ries, Fachbetreuer Geschichte und Sozialkunde am MGG. Eine einheitliche Unterrichtseinheit sei dazu nicht vorgegeben. "Allerdings ist der 16. März den meisten Schülern grundsätzlich ein Begriff."
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Eine Umfrage auf dem Würzburger Marktplatz zeigt, dass es zwischen Ratlosigkeit und fundiertem Wissen schwankt. Der 19-jährige Student Jannik Perler kommt zwar nicht aus Würzburg, kennt sich mit dem 16. März aber gut aus. "Bevor ich nach Würzburg gezogen bin, habe ich mich etwas in die Geschichte der Stadt eingelesen", sagt der Jura-Student, der sich als geschichtsinteressiert beschreibt.
Den 16. März in der Schulstunde besprochen
Anders sieht es bei einer Gruppe von Jugendlichen aus. "Joa, Krieg halt", antwortet ein 14-Jähriger Würzburger. Faktisch falsch ist das nicht. Doch was genau am 16. März in Würzburg passiert ist, weiß er nicht. Seine Freunde können ihm auch nicht auf die Sprünge helfen. Es herrscht Stille. Ist das ein Einzelfall? Nachfrage bei einer anderen Gruppe, die die Pause auf dem Marktplatz verbringt. "Wir haben den 16. März mal in einer Schulstunde besprochen, das war ziemlich erschreckend", antwortet ein Mädchen. Mit dem Namen möchte sich keiner der angesprochenen Jugendlichen äußern.
Dass der Tag in vielen Schulen ein Thema ist, weiß Anton Heilig. Er ist Vorsitzender des Vereins "Schülerladen". Der Treffpunkt ist eine Art Schülervertretung auf Stadtebene und steht im ständigen Austausch mit der Schülermitverantwortung (SMV) der Würzburger Schulen. Hat er den Eindruck, dass die Geschehnisse des 16. März ausführlich genug aufgearbeitet werden? "Ich finde, dass das Thema zu wenig angesprochen wird", sagt er.
In Gesprächen mit Mitschülern hat er gemerkt, dass nicht jeder über den historischen Tag Bescheid weiß. Auch das Siebold-Gymnasium - die Schule, auf die er geht - behandele das Thema seiner Auffassung nach nicht ausführlich genug. Deswegen sei es für ihn wichtig, dass möglichst viele Projekte schulintern organisiert werden, die sich mit dem 16. März auseinandersetzen – auch über den Unterricht hinaus. Der 16-jährige Schüler steht dafür im ständigen Kontakt mit anderen Schülervertretungen, die gerne mehr Veranstaltungen zum Gedenken in den Schulen bieten wollen. "Doch neben Kuchenverkäufen und anderen organisatorischen Dingen gerät das leider oft in den Hintergrund", so Heilig.
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Mit einem Zeitzeugen habe er im Unterricht zudem noch nicht sprechen können, was er schade findet. "Es wäre schön, wenn es eine Welle gäbe, um nochmal viele davon zu befragen", findet der Schüler. Doch was bleibt an Erinnerung, wenn immer weniger davon erzählen können?
Hans Steidle, Würzburgs Stadtheimatpfleger und ehemaliger Lehrer, meint dazu, dass Zeitzeugen ja nur einen Teil der Aufklärungsarbeit leisten könnten. "Das ist mehr eine emotionale als faktische Sache", sagt er. Natürlich seien Zeitzeugen wichtig und beeindruckend, dennoch müssten Schüler auch die Fakten anschaulich präsentiert bekommen.
Stadtheimatpfleger Steidle fordert Medienpaket für Schulen
Er erinnert sich noch gut an die Zeit, in der er Lehrer gewesen ist und seine Schüler über den 16. März aufgeklärt hat. "Denn das muss in den Schulen passieren", meint er. Er hatte aber auch immer das Gefühl, dass die Erinnerung an den Tag je nach Herkunft und Verwurzelung in den Familien durchaus thematisiert worden ist. Damit dies auch auf lange Sicht und auch ohne Zeitzeugen passieren kann, fordert er, dass Schüler ein Medienpaket erhalten sollten, in denen anschaulich erklärt wird, was am 16. März passiert ist. Für das Projekt müsse die Stadt jedoch "etwas aus dem Stadtsäckel bereitstellen". Steidle findet: "Dann ist die Chance für eine sinnvolle Erinnerung möglich. Denn die Vergangenheit verjährt und die zeitliche und emotionale Nähe wird abnehmen."
Die Schulen sollten Exkursionen nach Nürnberg machen, damit die Schüler mal sehen, wie in einer ebenfalls komplett zerstörten fränkischen Innenstadt gelungener Wiederaufbau aussieht! Sie sollten dann auch gleich die Stadträte mitnehmen.