Die Aufregung rund um Erbbau-Häuser nahe der Festung Marienberg in Würzburg hat vor wenigen Tagen gezeigt, dass dort wie anderswo zurzeit eine Zeitbombe tickt. Denn tausende Wohnbauten in Deutschland stehen auf Grundstücken, die Kommunen, Stiftungen, Länder oder kirchliche Einrichtungen den Bauherren gegen einen Erbbauzins überlassen haben. Allmählich laufen diese Langfristverträge aber aus, so dass die Eigentümerinnen und Eigentümer jener Häuser vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Das wirft viele Fragen rund um das Erbbaurecht auf, das über Generationen hinweg eine attraktive Art war, an eigene vier Wände zu kommen. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, als Wohnraum für die vielen Geflüchteten geschaffen werden musste, erlebte das Erbbaurecht eine Hochzeit.
Was ist Erbbaurecht?
"Man kann das Modell mit einem Leasing-Vertrag für ein Auto vergleichen", sagt Manfred Raber in Erfurt, Vertrauensanwalt beim Bauherren-Schutzbund. Beim Erbbaurecht bekommt der Bauherr ein Grundstück geliehen, ist zwar Eigentümer an seinem Haus, muss das Grundstück aber zurückgeben, wenn der Vertrag abgelaufen ist. Solche Verträge waren auf 70 oder sogar 99 Jahre angelegt.
Ende der Erbbau-Verträge: Welche Dimension hat das?
Demnächst laufen etliche der alten Erbbauverträge aus. Bei 22 Prozent aller deutschen Erbbaurechtsgeber ist das bis 2030 der Fall, ergab eine Studie des Deutschen Erbbaurechtsverbands in Berlin. Eine zweite Welle ist von 2040 bis 2060 zu erwarten. Der Verband schätzt, dass 5 Prozent aller Grundstücke in Deutschland im Erbbaurecht vergeben worden sind.
Allein der Freistaat Bayern hat nach Auskunft des Bauministeriums 1100 Erbbaurechte diverser Art vergeben. Etwa 70 Prozent davon seien Wohnerbbaurechte an Privatleute mit Einfamilienhäusern. So ist das auch im Oberen Burgweg in Würzburg, wo die staatliche Immobilienverwaltung derzeit den Bau von Geschosswohnungen anstelle der zu Ende gehenden Erbbaurechte prüft.
Viele der auf Erbbau-Grundstücken stehenden Häuser haben inzwischen mehrfach durch Vererben oder Verkaufen den Eigentümer gewechselt. Für diese ist es nun höchste Zeit, noch vor dem Ende der Laufzeit ihrer Verträge aktiv zu werden.
Ende der Erbbau-Verträge: Was können Betroffene tun?
"Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten", erklärt Matthias Nagel, Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbandes in Berlin. "Unternehmen beide Seiten nichts, läuft der Vertrag zum vereinbarten Termin einfach aus." Das Grundstück geht an den Erbbaurechtsgeber zurück. Er kann es neu vermarkten.
Das bayerische Bauministerium weist auf Anfrage dieser Redaktion darauf hin, dass den Betroffenen nach Ende der Verträge "grundsätzlich der Erwerb oder die Neubestellung eines Erbbaurechts zu aktuellen Konditionen" angeboten werde. Voraussetzung: Der Freistaat sieht keinen anderweitigen Bedarf zum Beispiel an Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch die staatlichen Wohnungsbaugesellschaften.
Für das Haus auf dem Grundstück, das sich im Eigentum des Erbbaurechtsnehmers befindet, zahlt der Erbbaurechtsgeber nach Ende des Vertrages eine Entschädigung. Nagel: "Die liegt üblicherweise bei 66 bis 75 Prozent des Immobilienwertes. 19 Prozent der Erbbaurechtsgeber in Deutschland entschädigen sogar mit dem vollen Gegenwert."
Verlängerung des Erbbaurechts: Was ist zu beachten?
Die Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages ist grundsätzlich möglich. Dabei wird der Erbbauzins aber neu berechnet. Er gilt dann ab dem Zeitpunkt der Vertragsverlängerung. "Je früher man sich mit dem Erbbaurechtsgeber in Verbindung setzt, desto bessere Konditionen kann man in der Regel aushandeln", betont Matthias Nagel. Auch die Erbbaurechtsgeber sind meist an einer Verlängerung interessiert.
Spätestens fünf Jahre vor Vertragsende sollten Erbbaurechtsnehmer den Kontakt zu ihrem Vertragspartner suchen. Stehen größere Renovierungen am Haus an, auch früher. "Dann kann es auch 20 bis 30 Jahre vor Vertragsende sinnvoll sein, den Vertrag zu verlängern, um eine gute Finanzierung von der Bank zu bekommen", rät Verbandsgeschäftsführer Nagel.
Werden die Verträge erst kurz vor Ablauf verlängert, fällt der Erbbauzins aufgrund der kurzen Restlaufzeit meist höher aus. Das ist auch der Fall, wenn der Vertrag endet und dann doch neu abgeschlossen werden soll.
Wie zeitgemäß ist das Erbbaurecht? Was ist heutzutage der Vorteil?
Das Vertragsmodell erlebt gerade eine Wiedergeburt. Es wird zum Beispiel gern angewendet, wenn Kommunen ihre Grundstücke nicht verkaufen, aber trotzdem vom Wertzuwachs profitieren wollen. "Für Bauherren hat das den Vorteil, dass sie ein Grundstück bekommen, auf dem sie ihr Haus bauen können. Und das zu vergleichsweise günstigen Konditionen", so Matthias Nagel.
Wo ist für Häuslebauer der Haken beim Erbbaurecht?
Bei der Finanzierung der Bauvorhaben ist ein Erbbauvertrag eher die zweite Wahl. Banken machen durchaus einen Unterschied bei ihren Konditionen, ob es sich um eigenes oder gepachtetes Land handelt.
"Die Bauherren müssen oft höheres Eigenkapital einbringen als die Eigentümer von Grundstücken. Auch relativ kurze Restlaufzeiten des Erbbaurechtsvertrags sind vielen Geldinstituten zu riskant. Manche lassen sich auch gar nicht darauf ein, solche Projekte zu finanzieren", weiß Schutzbund-Anwalt Raber.
Und: Wer sein auf einem Erbbaurechts-Grundstück erbautes Haus verkaufen will, erzielt oft niedrigere Preise als bei vollständigem Eigentum. Zu bedenken ist außerdem, dass die Erbbauzinsen mit den Jahren immer weiter steigen.