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Würzburg
Rente mit 68? Volkswirt Bofinger will Selbständige mit in die Rentenkasse nehmen
Steht das Rentensystem vor der Pleite? Müssen wir in Zukunft länger arbeiten? Warum der Würzburger Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger von unnötiger Verunsicherung spricht.
Hätte selbst gerne an der Universität Würzburg noch länger als regulärer Professor gearbeitet: Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger.
Foto: Daniel Peter | Hätte selbst gerne an der Universität Würzburg noch länger als regulärer Professor gearbeitet: Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger.
Angelika Wohlfrom
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:48 Uhr

Kommt die Rente mit 68 oder gar mit 70? Regierungsberater haben gerade eine Erhöhung des Renteneinstiegalters auf 68 im Jahr 2045 vorgeschlagen. Das Institut für Wirtschaft fordert sogar 70 Jahre. Der Würzburger Volkswirt Professor Peter Bofinger wiegelt ab. Heute über das Rentenalter von 2045 zu sprechen, verunsichere nur. 

Herr Professor Bofinger, Rente erst mit 70. Wenn man an die steigende Lebenserwartung denkt, ist das nicht ganz unwahrscheinlich, oder?

Peter Bofinger: Heute das Renteneintrittsalter im Jahr 2040 oder gar 2060 zu diskutieren, führt zu unnötiger Verunsicherung. Selbst wenn die Bundesregierung das heute beschließen würde – jede nachfolgende Regierung könnte das sofort wieder ändern. Wenn dann beispielsweise das Institut der deutschen Wirtschaft die Rente mit 70 für das Jahr 2052 ins Schaufenster stellt, kommt das in den Medien so an, als sei schon morgen.

Das heißt: Das ist nur unnötige Aufregung?

Bofinger: Grundsätzlich ist es natürlich so: Wenn wir in den nächsten Jahrzehnten alle länger leben, was ja sehr erfreulich ist, lässt es sich nicht vermeiden, dass wir einen Teil dieses längeren Lebens, die Berater sprechen von einem Drittel, in Arbeit verbringen. Das ist ja der Kern des Gutachtens.

Gleichzeitig muss man doch heute schon in die Zukunft planen. Man weiß doch heute schon, wie die Altersverteilung in 20, 30 Jahren etwa sein wird.

Bofinger: Aber man weiß nicht wirklich, wie die Bevölkerungsdynamik sein wird, wie sich die Erwerbstätigkeit und der Gesundheitszustand entwickeln. Laut dem Gutachten soll das Rentenalter zwischen 2030 und 2040 allmählich von 67 auf 67,8 Jahre ansteigen. Wenn die Entwicklung tatsächlich so kommen wird, reicht es dann nicht aus, die notwendigen Entscheidungen erst gegen des Jahrzehnts zu treffen. Konkret würde das dann beispielsweise bedeuten, man erfährt im Jahr 2029, dass man bei einem Renteneintritt im Jahr 2035 fünf Monate länger arbeiten muss. Das wird keine Begeisterung auslösen, aber man kann damit umgehen.

Keiner möchte natürlich arbeiten bis zum Umfallen.

Bofinger: Natürlich muss eine längere Lebensarbeitszeit mit Maßnahmen flankiert werden, die Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen schützen. Die Regelungen zur Erwerbsminderungsrente müssen deshalb entsprechend angepasst werden.  Darauf haben die Berater explizit hingewiesen.

Eine weitere alarmierende Aussage des neuen Gutachtens war, dass künftig die Hälfte des Bundeshaushalts für Rentenzahlungen draufgehen könnte.

Bofinger: Dass ist eine Schätzung für das Jahr 2060, die zudem unter der Annahme gemacht wurde, dass keinerlei Anpassungen vorgenommen werden. Was die Gutachter jedoch gar nicht berücksichtigt haben, ist, dass man die Rentenkassen ja auch entlasten kann. Vor allem indem man die Selbstständigen in die Rentenkasse mit aufnimmt. Wenn junge Selbstständige heute der Rentenversicherung beitreten, dann zahlen sie ja erstmal 30, 40 Jahre lange ein, bis sie einen Anspruch haben. Und wenn sie dann einen Anspruch haben, sind wieder neue junge Selbstständige da. Berechnungen des Sachverständigenrats aus dem Jahr 2016 zeigen, dass man das System damit bis zum Jahr 2060 erheblich entlasten kann.

Müssten nicht auch die Beamten aufgenommen werden?

Bofinger: Bei den Beamten ist das Problem, dass das die gesetzliche Rentenversicherung entlasten würde, aber den Staat belasten. Für einen jungen Beamten zahlt der Staat erst in 40 Jahren eine Pension, aber für die Rentenbeiträge müsste er bereits jetzt Geld in die Hand nehmen. Und das Geld fehlt dann wieder an anderer Stelle. Aber eine echte Entlastung wären die Selbstständigen. Zumal es ja auch kein Zustand ist, dass viele Selbstständige gar nicht fürs Alter abgesichert sind. Und die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung ist gar nicht so schlecht. Das Umlagesystem der Gesetzlichen Rentenversicherung ist ja im Prinzip ein genialer Mechanismus. Ich zahle heute einen Beitrag aus meinem Arbeitseinkommen und erwerbe damit einen Anspruch auf die Arbeitseinkommen der Zukunft. Die Kosten sind sehr niedrig, es bietet eine breite Risikostreuung. Für die Funktionsfähigkeit dieses Systems ist es aber auch zwingend, dass möglichst die Breite der Gesellschaft dazu beiträgt. Deswegen müssen die Selbstständigen mit rein, da die Trennungslinie zwischen selbsständiger und unselbständiger Arbeit in der Zukunft immer schwerer zu ziehen sein wird.

Andere Länder um uns herum haben es geschafft, ihre Rente auf eine bessere Basis zu stellen. Österreich, zum Beispiel, oder Schweden. Wo können wir uns etwas abschauen?

Bofinger: Österreich hat höhere Rentenversicherungsbeiträge als wir. Das macht schon etwas aus, weil dadurch mehr ins Rentenversicherung reinkommt. Schweden setzt auf private Vermögensbildung, aber eine, die besser funktioniert als Riester. Mein Ansatz wäre ja, dass man die private Vermögensbildung offener gestaltet. Im Moment genießen Sie staatliche Förderung nur, wenn Sie in die betriebliche Altersvorsorge einzahlen oder in die Riester-Rente. Wenn sich aber jemand zur Altersvorsorge eine Immobilie kauft, bekommt er für die Tilgungszahlungen keine steuerliche Begünstigung. Das sollte man öffnen. Warum gibt der Staat nicht jedem einen steuerlichen Freibetrag von beispielsweise 4000 Euro für die Alterssicherung, egal ob die nun in Aktien, Immobilien oder die Riesterrente investiert werden?

In der Schweiz werden mehr Wochenarbeitsstunden gearbeitet und die Menschen haben weniger Urlaub. Dafür liegt das Renteneintrittsalter stabil bei 65. Wäre das auch ein Modell für Deutschland? Also mehr arbeiten, dafür früher in Rente.

Bofinger: Ich weiß nicht, ob das helfen würde. Nach unserer bisherigen Logik würde es kaum funktionieren. Denn danach erwerbe ich ja, wenn ich mehr arbeite, auch höhere Rentenansprüche.

Wie haben Sie für die Rente vorgesorgt?

Bofinger: Ich hab's da einfach, ich bin Beamter. Ich bin ja bereits in Pension. Einen wichtigen Gedanken des Gutachtens fand ich übrigens, dass man den Renteneintritt flexibler gestalten kann. Dass man nicht mehr in Rente geschickt wird, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat. Ich zum Beispiel hätte gerne weitergearbeitet als ganz regulärer Professor.

Peter Bofinger

Der 66-jährige Wirtschaftswissenschaftler hatte bis zu seiner Pensionierung an der Universität Würzburg seit 1991 den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen inne. In Würzburg forscht er als Seniorprofessor weiterhin, zudem berät er den Irak in Sachen Wirtschaft. Der gebürtige Pforzheimer wurde 2004 wurde er auf Empfehlung der Gewerkschaften Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Die Wirtschaftsweisen“). 2019 schied er aus
 
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  • flyarcus@gmx.de
    Beamten müssen zahlen...weil kassieren tun sie ja auch nicht schlecht!
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Sie meinen Richter oder Abgeordnete? Der normale Beamte ist auch nicht auf Rosen gebettet und muß sich zudem auch noch privat krankenversichern. Und mieten Sie sich mal eine Wohnung in München...
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  • flyarcus@gmx.de
    @maipostl...was um Himmelswillen hat ne Wohnung in München mit der überzogenen Pension eines Beamten im Vergleich zu normalen Arbeiter/Angestellten zu tun? Können diese sich besser eine Wohnung in München leisten???? Die armen Beamten...is scho klar, diese Hungerleider vergleichen sich immer mit Selbständige, oder Wirtschaftsbosse....vergleicht euch mal mit der Masse, vielleicht schämt ihr euch dann endlich mal.
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  • 2ostsee
    Alle politisch veranlassten Renten wie z.B. Anrechnung von Bundeswehrzeiten, Plegezeiten, Mutterschutzzeiten, Ostrenten, Aussiedlerrenten usw. sind selbstverständlich Leistungen die aus Steuern zu bezahlen sind und nicht aus Beiträgen.
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  • Einwohner
    Wenn mehr einzahlen haben auch mehr Anspruch auf Leistungen. Wo ist da der Nutzen.
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  • norbert.zirnsak@igmetall.de
    Alle in die Rente einbezahlen lassen. Dann funktioniert die gesetzliche Rente. Und blos die Hände weg von mehr Privat! Private Versicherer verzocken die Altervorsorge an den Börsen und das Geld der Beitragszahler ist beim Teufel.
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  • AlterHerr
    Naja, schon auch bei den Beamten und öffentlichem Dienst (... vom Kammerpräsidenten bis zum fürstlichen ÖR) ansetzen. Also nur bei denen, die richtig gut Geld verdienen! Wer 8, 10 oder gar bis 20tsd Euro im Monat bekommt 20tsd im Monat bekommt (z.B. die aktuell um die 35 parlamentarischen Staatssekretäre - nur Bund!, ÖR-Intendanten etc.), kann auch schon fürs Alter ein bisschen vorsorgen. Auch für 8tsd gibt's wenn nötig einen sehr guten Pflegeplatz ... Aber im Grunde ist es spannend, dass plötzlich die Rente ins Visier kommt, nachdem vor kurzem mehrere großen Medien die Nichtfinanzierbarkeit von je nach Quelle - 2 bis 3 BILLIONEN größtenteils ungedeckter PENSIONSzusagen thematisiert hatten (NZZ,Welt ...).
    DAS muss natürlich ganz schnell aus der Schußlinie ... ach, und die Aktion "Abendsonne" ist ja bekanntlich auch schon wieder angelaufen ... Wir sehen ja gerade, was Staat alles einschränken und verbieten kann - dann kann er aus Not heraus doch sicher auch die P-Zusagen abschmelzen!
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  • Mainheini
    Ich habe nicht gewusst, wie links der Professor ist. Es reicht doch schon, wenn immer mehr Gewerkschafter, Studenten, Beamte den Sozialismus predigen.
    Bofinger irrt mit den Beamten. Denn wer bezahlt denn deren Gehälter (wohlgemerkt nicht Löhne)? Doch nur wieder produzierende Unternehmer und Arbeiter. Letztendlich zahlt der Arbeiter die Renten der Beamten mit.
    Verstaatlichung von Eigentum? Unternehmer haben die heruntergekommenen Sozialwohnungen saniert, wieder bewohnbar gemacht und wollen damit legal Geld verdienen. Aber nein, Eigentum muss den Unternehmern wieder abgenommen werden, damit es wieder heruntergewirtschaftet werden kann. Wir haben erlebt, wie der Sozialismus krachend gescheitert ist und wie keines der laufenden im Osten funktioniert. Bofinger muss uns nicht vorhalten, dass man als Beamter nicht vorsorgen muss. Das tun andere für ihn.
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  • 2ostsee
    Wenn Sie schon zwischen Löhnen und Gehältern unterscheiden dann müssen Sie auch wissen: Beamte bekommen weder das Eine noch das Andere, sie werden allimentiert.
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  • Walger14591609
    Das liegt nur daran, dass Sie - unter manch anderem, versteht sich - von Professor Bofinger keine Ahnung haben. Nur ein kleiner Hinweis: https://www.welt.de/wams_print/article3792420/Schluss-mit-der-Entstaatlichung.html

    Argumente gegen Bofingers Positionen finden sich im Übrigen in dem ganzen Thread hier nicht. Dafür jede Menge trivialer Befindlichkeiten, Vorurteile und vor allem abweichender (Eigen-)Interessensbekundungen. Langweilig.
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  • robert.erhard@gmx.de
    Man muss froh sein, dass die politische Gesinnung in den Vorlesungen nicht weiter zur Schau getragen werden kann. Die gesellschaftliche Unterwanderung hat wohl nicht den durchschlagenden Erfolg gehabt, sodass jetzt wieder die Selbständigen und auch die vielen junge Unternehmer daran glauben sollen.
    Gerade die, die schon in erheblichen Maße Risiko tragen, Arbeitsplätze schaffen und in der jetzigen Zeit auch Verantwortung übernehmen - egal in welcher Unternehmens-Größenordnung wir uns bewegen - sollen noch mehr dazu beitragen, die Arbeitskosten zu verteuern oder die linken Parolen des Abschöpfens der Gewinne und der Einkommen der Selbständigen zu schmälern. Das sorgt nur für eine Neiddiskussion, die wiederum nur sozialen Unfrieden stiftet.
    Warum greift man nicht bei den Gewerkschaften an. Die jährlichen Forderungen, die nach wie vor auf Sicht zu Arbeitsplatzvernichtung und zu Verlagerungen führen (trotz Batterieeuphorie), schwächen die Wirtschaft auf einem sehr hohen Niveau!
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  • kleinhenz_philipp@web.de
    Also trotz Inflation keine Lohnerhöhung fordern? Ihrem Gewerkschaftsbashing nach zu urteilen sind Sie wohl ein Unternehmer, der seinen Mitarbeitern, die Ihren Wohlstand erarbeiten, möglichst wenig Lohn zahlen möchte.
    Sehr solidarisch!
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  • Luigi171
    Genau, trevor-ochmonek, das war auch mein erster Gedanke. So ein Kommentar kann nur von einem Unternehmer kommen ...
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  • robert.erhard@gmx.de
    Da täuschen Sie sich!
    Ich war Student bei Bofinger und musste im Examen das sagen was er hören wollte! Ich bin noch in der Industrie beschäftigt und habe gesehen wie die Kollegen nach Hause geschickt wurden, Betriebsteile verlagert wurden und die Arbeiter gepolt wurden!

    Es ist immer der gleiche Jargon und die selben Flachen Argumente!
    Inflation! Wer ist verantwortlich dafür? Nicht Aldi Edeka oder Shell! Sondern die ständigen Lohnerhöhungen und Streiks die kompensiert werden (müssen). Wer das nicht versteht,…
    Die Gewerkschaften und Linke fördern die Neiddiskussionen, propagieren das „Abschöpfen“ und verteilen der Gewinne!
    Aber wer zieht wirklich den Karren? Ich habe es auch satt, wenn nicht mehr Leistung zählt im Unternehmen sondern die Streiks und die Mitläufer profitieren!
    Das Niveau vieler Beschäftigte ist zu hoch! Das von Leistungsträger vielleicht zu niedrig!
    Man muss doch dankbar sein, wenn jemand noch Menschen einstellt statt zu verlagern oder zu zu machen!
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  • Einwohner
    Leider verstehen die Links-Grünen Sozialisten nicht wie die Weltwirtschaft funktioniert. Die glauben tatsächlich, wenn sie hier die Leistungsträger weiter belasten und noch mehr Geld umverteilen, dann wird alles gut. Dass es für die Firmen und die Reichen keine Grenzen gibt, dass verstehen sie mangels Bildung oder mangels Einblick in die Wirklichkeit nicht.
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