Kriegsende vor 77 Jahren im Taubertal: Im März 1945 kreisen im Raum Röttingen und Tauberrettersheim verstärkt Flugzeuge der US-Force und greifen im Tiefflug mit Bordwaffen an. Aufgrund von Treibstoffmangel können deutsche Jäger nicht mehr zur Abwehr aufsteigen. Die Front rückt näher.
Als US-Panzerspitzen bis Tauberbischofsheim vordringen, wird in Röttingen und Tauberrettersheim jeweils der Volkssturm 1928 und 1929 – militärisch hinsichtlich Ausbildung und Bewaffnung relativ wertlos – einberufen. Eine Kompagnie Grenadiere wird nach Röttingen verlegt. Aus Angst vor Bombardierung und feindlicher Einquartierung verstecken und vergraben viele Einwohner Lebensmittel, Kleider und Wertgegenstände.
In den Häusern werden Hitlerbilder und Hakenkreuzfahnen verbrannt
Als Bad Mergentheim von Soldaten der 7. US-Armee im Handstreich genommen wird, rückt der Kanonendonner näher. Vor dem Rückzug aus Giebelstadt sprengen Wehrmachtssoldaten den dortigen Flugplatz, Ochsenfurt fällt in die Hände der Amerikaner. Am Ostermontag, 2. April 1945, werden französische Kriegsgefangene von Tauberrettersheim nach Röttingen gebracht, wo zudem aus aufgeriebenen Wehrmachts-Einheiten versprengte Soldaten eintreffen.
Von Westen her ist starkes Artilleriefeuer zu hören. Am 5. April verlassen deutsche Soldaten die Stadt in Richtung Creglingen, SS-Truppen, circa 200 Mann stark, rücken ein und legen um die Stadt Panzerfallen, Minen und Laufgräben.
In den Häusern werden Hitlerbilder und Hakenkreuzfahnen verbrannt. US-Panzer stoßen am 7. April bis Tauberrettersheim vor und eröffnen das Feuer auf ein Widerstandsnest im Wald oberhalb des dortigen Kirchhofs. Deutsche Batterien schießen zurück. Amerikanische Infanterie drängt nach und durchkämmt den Forst. Die Verteidiger setzen sich unter Artilleriebeschuss ab.
Ein Wehrmachtsoffizier befiehlt die Sprengung der Brücke in Tauberrettersheim
Ein Oberstleutnant in Röttingen befiehlt am 6. April die Sprengung der Tauberrettersheimer Brücke. Am folgenden Tag wird in Röttingen selbst die große Eisenbahnbrücke in die Luft gejagt, gegen 5 Uhr abends explodiert unter extremer Detonation schließlich die alte Tauberbrücke. Dächer werden abgedeckt, der Hl. Nepomuk zerbricht in drei Teile. Abends rollen die ersten schweren US-Tanks in Röttingen ein und positionieren sich im Burghof. GI's rücken nach. Über die ganze Nacht feuern deutsche und amerikanische Artilleriegeschütze.
Am Morgen des Weißen Sonntag, 8. April, durchsuchen amerikanische Infanteristen Haus um Haus, die meisten Röttinger sitzen in ihren Kellern. Die Tauber ist die Frontlinie, Granaten schlagen in einzelne Häuser ein. Am Morgen des 9. April sprengen deutsche Pioniere den letzten Pfeiler der Eisenbahnbrücke. SS-Soldaten setzen sich weiter im Bürgerwald fest und schießen aus ihren Geschützen.
In langen Kolonnen ziehen motorisierte US-Einheiten mit Sherman-Panzern, Kettentransportern, Geschützen und Lastwagen in die Stadt ein. Am Kirchplatz werden Granatwerfer aufgebaut, die gegen die SS-Einheiten im Bürgerwald feuern.
In Röttingen lässt sich ein US-Divisionsstab nieder
Am 11. April stürmen US-Infanteristen deren Standort, mehrere Verteidiger fallen, zahlreiche werden gefangengenommen und durch Röttingen abgeführt. Das Geschützfeuer hört auf, die Front rückt weiter in Richtung Bieberehren, das von US-Truppen am 12. April eingenommen wird, und nach Creglingen, wo den amerikanischen Einheiten noch harte Kämpfe gegen das XIII. SS-Armeekorps bevorstehen.
Für Röttingen sind sehr plötzliche Krieg und 12 Jahre NS-Diktatur zu Ende. In der Stadt lässt sich ein US-Divisionsstab nieder, von der Burg aus regelt ein amerikanischer Kommandant den Aufbau des neuen demokratischen Lebens. Der Röttinger Stadtpfarrer Joseph Ranft feiert als Dank zur Rettung der Stadt eine Messe mit "Te Deum", Pfarrer Wilhelm Apprich in Tauberrettersheim kommentiert das Kriegsende mit "Vom Hitlergruß ist man erlöst!".
Der Autor Ulrich Wagner war Leiter des Stadtarchivs Würzburg.