In Giebelstadt gilt Robert Popp als eine Art Institution, wenn es um Wissen über die Vergangenheit des Ortes und insbesondere des Flugplatzes geht. Zahlreiche Bildausstellungen und Führungen zu historischen Themen hat der 72-Jährige bereits organisiert und gegeben – und nun ein Buch herausgebracht: "Giebelstadt und sein Flugplatz – Der Fliegerhorst 1928 bis 1945", so der Titel seines knapp 300-seitigen Werks, dem weitere folgen sollen.
- Lesen Sie auch: Flugplatz Giebelstadt: Wo ganz Mainfranken in die Luft geht
Dass der gebürtige Giebelstädter einmal ein Buch schreiben würde, findet er rückblickend erstaunlich: "Wenn mir das früher jemand gesagt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt", sagt Robert Popp und lacht. "Ungeduldig und immer unterwegs" sei er früher gewesen, ein paar Stunden oder einen ganzen Tag am PC zu arbeiten, hätte er für undenkbar gehalten.
Doch dann erkrankte der gelernte Elektroinstallateur; 2005 wurde er berufsunfähig. Ein ehemaliger Schulkollege nahm Popp mit ins Giebelstädter Archiv, wo ihn der damalige Archivar Peter Wamsler für die Archivarbeit begeisterte. Aus dieser Arbeit ergaben sich Bildausstellungen – im Zobelschloss, der Rathausscheune, dem Kartoffelkeller und auf dem Verkehrslandeplatz, sowie Führungen in den ehemaligen Bierkellern Giebelstadts und auf dem Flugplatz. Auch an der Chronik der Marktgemeinde Giebelstadt, die man seit Januar 2020 im dortigen Rathaus erwerben kann, hat Popp mitgewirkt. An seinem ersten Buch über den Flugplatz hat der 72-Jährige knapp eineinhalb Jahre geschrieben; insgesamt sind sechs Bände geplant.
Fragt man Robert Popp nach der Motivation für sein Buch, nennt er der Wunsch, sein historisches Material möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. "Seit gut zehn Jahren habe ich alles gesammelt, was ich zu Giebelstadt und seinen Ortsteilen finden konnte", sagt Popp. Und: "Was nützt es den Leuten, wenn ich unzählige Dokumente und Bilder auf meinem Computer habe, die sie nicht sehen können?"
Im Zentrum des Buches stehen unter anderem die Auswirkungen, die der Bau des damaligen Fliegerhorsts für Giebelstadt und seine Bewohner hatte. "Dieses Buch soll nicht nur die militärischen Ereignisse des Fliegerhorsts Giebelstadt beschreiben", schreibt Popp im Vorwort. "Ich möchte (…) verdeutlichen, welche Feldverluste die Bauern (…) durch den Fliegerhorst hinnehmen mussten, und mit welchen finanziellen Problemen die Marktgemeinde Giebelstadt zu kämpfen hatte."
So mussten durch den Zuzug zahlreicher Arbeitskräfte und den Bau von Siedlungen Wasser- und Kanalanschlüsse gelegt und eine Kläranlage gebaut werden. Straßen wurden ausgebaut, eine Schule, ein Kindergarten, ein Leichenhaus und vieles mehr errichtet. Während die Bauern anfangs noch für den Verlust ihrer Felder entschädigt wurden, wurde benötigtes Gelände gegen Kriegsende einfach beschlagnahmt. Auch die vier größten Fliegerangriffe auf den Fliegerhorst und Giebelstadt thematisiert das Buch.
Neben zahlreichen Fotos, Zeitungsberichten, Auszügen aus Reden, behördlichen Schreiben und Bekanntmachungen des Bürgermeisters sind es die Zeitzeugenberichte im Buch, die die Vergangenheit für den Leser lebendig werden lassen. Bereits vor der Entstehung des Buchs hatten Robert Popp und andere Geschichtsinteressierte die Gespräche geführt und aufgeschrieben. Mal geht es um ein rotes Flugzeug, das 1934 im heutigen Gewerbegebiet notlanden musste und für viele Gerüchte sorgte, an anderer Stelle um einen Luftangriff im September 1944.
"Ich habe schon immer gern den Älteren zugehört, wenn sie erzählt haben", sagt Popp. "Zum Teil habe ich die Leute angesprochen, zum Teil sind sie auf mich zugekommen." Auch heute gebe es noch Zeitzeugen in Giebelstadt. Manchmal seien diese der Schlüssel zu noch mehr Material für seine Sammlung gewesen, so Popp: "Eine Zeitzeugin hatte fast 1000 Bilder, die sie mir zur Verfügung gestellt hat."
Dass ausgerechnet Giebelstadt zum Standort für einen Flugplatz gewählt wurde, lag unter anderem an den günstigen klimatischen und topografischen Bedingungen des Ortes. "Giebelstadt hat keine Hügel, der Wind kommt meist aus nur einer Richtung, außerdem gibt es kaum Bodennebel", so Popp. Das Maindreieck und Mainviereck seien aus der Luft zudem gute Orientierungspunkte für die Piloten gewesen.
Bereits 1928 soll das Wehrkreiskommando München nach einem geeigneten Standort für einen Flugplatz gesucht haben. Heimlich sei in Giebelstadt alles vermessen worden, erzählt Popp. Nachdem die Wahl auf den Ort gefallen war, wurde der Flugplatz am 17. September 1936 im Rahmen einer Truppenparade offiziell eröffnet. "Auch Adolf Hitler war da", sagt Popp. In Giebelstadt selbst sei er aber nicht gewesen, sondern gleich nach der Parade mit dem Zug wieder abgereist.
Das Buch beschreibt auch den Wandel Giebelstadts: Bis 1932 war es ein kleines Dorf mit 900 Einwohnern. "Da Giebelstadt bäuerlich geprägt war, herrschte dort anfangs keine große Begeisterung für die NSDAP, die Bauern waren nicht so leicht von Hitler zu überzeugen", so Popp. Durch den Bau des Flugplatzes kamen viele Menschen in die Gemeinde, und die Bevölkerung durchmischte sich stark.
Zweiter Band soll im Herbst 2021 erscheinen
Viele der Fotos, die in den kommenden Bänden gezeigt werden sollen, stammen von Popp selbst. "Als die Amerikaner 2006 abgezogen sind, durfte ich auf den Flugplatz, habe dort jedes Gebäude von innen und außen fotografiert und einen Lageplan gezeichnet", erzählt Popp. Wann immer sich etwas am Flugplatz ändere, sei er da, um es zu fotografieren und zu dokumentieren. Inzwischen sitzt Popp an seinem zweiten Buch mit dem Titel "Giebelstadt und sein Flugplatz; Giebelstadt Airfield 1945 bis 1955", das zum Markttag von Giebelstadt im September 2021 erscheinen soll.
Band 1 von "Giebelstadt und sein Flugplatz" ist über Robert Popp erhältlich: Tel.: (09334) 8127.