Einmal geniest oder geschnupft, schon muss das Kind aus der Kita abgeholt werden. Das ist derzeit in der Region kein Einzelfall, wie Meldungen von Eltern an diese Redaktion bestätigen. Und es stellt Eltern - was die Betreuung ihrer Kinder angeht - vor echte Herausforderungen. "Wie soll es im Herbst und Winter weitergehen?", fragt die Mutter eines zweijährigen Sohnes aus Würzburg. Schon vor einigen Tagen wurde sie von der Tagesmutter angerufen, um ihren Sohn abzuholen, weil er plötzlich ein wenig hustete.
Natürlich bleibe ihr Sohn zuhause, wenn er wirklich krank ist, aber als mobile Altenpflegerin könne sie nicht wegen jedes noch so kleinen Anzeichens "einfach alles liegen und stehen lassen", so die junge Frau gegenüber der Redaktion. Sie ging mit ihrem Kind zum Arzt und ließ sich und den Zweijährigen auf Corona testen. "Der Test war negativ." Nun sei ihr Kind wieder bei der Tagesmutter. Doch die Angst bleibt, zumal zehn Krankheitstage mit Kind pro Elternteil unter solchen Umständen viel zu wenig seien. "Ich fühle mich vom Staat allein gelassen."
Ärztliches Attest muss nicht akzeptiert werden
Kinder mit Symptomen von übertragbaren Krankheiten dürfen nicht in der Kita betreut werden, bis sie wieder ganz gesund sind, so teilt es das bayerische Familienministerium mit. Im Zweifel und wenn die Symptome anhalten, darf die Kitaleitung selbst ein ärztliches Attest, dass das Kind gesund sei, ablehnen. Das erlebte auch eine Mutter aus dem Würzburger Frauenland, die trotz negativen Corona-Tests ihre zweijährige Tochter mit nur leicht laufender Nase nicht zurück in die Kita schicken durfte.
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"Schwierig", findet das Sebastian Kraft aus Thüngersheim (Landkreis Würzburg). Er ist Vater von einem Schulkind und drei kleinen Kindern, die alle in der Corona-Zeit zuhause waren. "Das war eine starke Belastung und nun sind wir froh, dass die Kinder wieder in die Kita dürfen." Da kam der Anruf zum Abholen "wegen minimal laufender Nase". Zwar sei Vorsicht geboten, "aber es sollte nicht mit Panik reagiert werden", so der 42-Jährige. Er sorgt sich, was passiert, wenn der Dauerschnupfen, der Kinder oftmals von Oktober bis März begleitet, einsetzt.
"Das ist kaum zu stemmen für arbeitende Eltern." Zumal die Kinder mit der typischen "Rotznase" ja nicht wirklich krank seien. Kraft beruft sich auch auf den Virologen Alexander S. Kekulé, der in seinem Podcast 78 genau auf diese Schnupfennase eingeht. "Wir können es uns nicht leisten, dass die Hälfte der Bevölkerung zu Hause bleibt, um auf Kinder aufzupassen, die nur Schnupfen oder Kopfschmerzen haben", sagt dieser und schildert, dass in den meisten Ländern "dieser German Schnupfen" - der klassische Kinderschnupfen ohne weitere Symptome - nicht als Anzeichen für Covid-19 gesehen wird.
Die Problematik zwischen "Vorsicht walten lassen" und seitens der Kita "hypersensibel reagieren" sieht auch Andrea Zoller, Leiterin des Würzburger Kindergartens "Unsere Liebe Frau", auf sich zurollen. "Zum Glück sind bei uns in der Kita gerade alle gesund, aber spätestens wenn der Herbst beginnt, wird es Diskussionen geben", ist sie sich sicher.
Einerseits verstehe sie Eltern, die aufgrund einer saisonbedingten "Dauer-Rotznase" das Kind nicht zuhause lassen können, andererseits könne man sich nie ganz sicher sein, ob dahinter nicht doch ein ansteckender Virus stecke. Anders sei dies bei Allergien oder chronischen Erkrankungen: "Da hatte ich kürzlich erst einen Fall. Da reicht ein Attest aus, und natürlich darf das Kind weiter in die Kita kommen", so Zoller. Generell erkennt sie an, dass auch die Eltern sensibler und vorsichtiger geworden sind, was Symptome angeht, und ihre Kinder schneller mal zu Hause lassen.
Klare Anweisung von der bayerischen Staatsregierung
Sie fühlt sich derzeit zwischen zwei Stühlen:"Ich muss ja auch an meine Mitarbeiter denken. Viele haben Ängste, dass das Covid-19 Virus in die Einrichtung kommen könnte", sagt sie. Und: Was, wenn wirklich ein Kind infiziert wäre? Zoller würde sich hinsichtlich des saisonalen Fließschnupfens ein Signal aus der Politik wünschen.
"Uns sind die Hände gebunden", sagt auch die Leiterin der evangelischen Kita Christuskirche in Schweinfurt, Yvonne Akers. Dort werden 106 Kinder betreut. Die bayerische Staatsregierung habe die klare Anweisung gegeben, dass Kinder mit Krankheitssymptomen nach Hause geschickt werden müssen. "Die Kindertagesstätten haben sogar einen vorformulierten Elternbrief erhalten, der über diese Anweisung informiert", so Akers.
Auf Nachfrage der Redaktion heißt es von der bayerischen Familienministerin Carolina Trautner, dass in Zeiten einer Pandemie "die Sicherheit und die Gesundheit aller vorgehen". In einer Kita könne sich das Personal in der Regel nicht durch Abstandhalten und eine Mund-Nasen-Bedeckung schützen. "Wenn es zu einer Infektion mit dem Corona-Virus käme, müsste eventuell die ganze Einrichtung geschlossen werden, und es müssten Kinder und die ganzen Familien sowie die Beschäftigten in Quarantäne gehen", so Trautner.
Caritas sieht Überlastung der Eltern
Beim Caritasverband für die Diözese Würzburg ist man sich der Problematik bewusst: "Wir spüren den Druck, der auf den Einrichtungsleitungen lastet. Selbstverständlich will man vor Ort alles richtig machen und die Hygienemaßnahmen korrekt befolgen." Dennoch sehe man auch die wachsende Verärgerung und Überlastung der Eltern. "Seit März saßen viele von ihnen mit den Kindern daheim und haben zum Teil ihren Jahresurlaub dafür aufbrauchen müssen", so Sebastian Schoknecht, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb wird zu prüfen sein, "ob Symptome eines Schnupfens – die typische Rotznase – tatsächlich ein hinreichend guter Grund sind, um Kinder auszuschließen oder heimzuschicken. Diese Symptome, das sagen die Virologen, stehen zumeist in keinem direkten Zusammenhang mit Covid-19".
Sozialreferat stehe in engem Dialog mit Kindereinrichtungen
Zudem betrifft die Problematik auch die Caritas als Arbeitgeber in Unterfranken: "Uns fehlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn diese auch weiterhin zur heimischen Kinderbetreuung benötigt werden." Insgesamt 500 katholische Kindergärten im Bistum Würzburg befinden sich in der Trägerschaft lokaler Caritas-Vereine.
Bei der Stadt Würzburg reagiert man etwas verhaltener: "Wir können die Sorgen der Eltern verstehen, allerdings sind wir fachlich an die Weisungen des Ministeriums gebunden." Das Sozialreferat aber stehe laut Pressestelle in engem Dialog mit den Kindertageseinrichtungen im Stadtgebiet, "um den Kindern einen möglichst unbeschwerten Kindergartenalltag zu ermöglichen."
Wenn wir eine Gesellschaft wollen, in der beide Elternteile arbeiten, dann müssen wir auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Und auch für die Alleinerziehenden wäre das eine Entlastung …
Entweder sind Arbeitslöhne so hoch, dass die Rentenbeiträge der Frauen = unbezahlten Erzieherinnen und Pflegerinnen mitbestritten werden können, oder die Regierung setzt Erziehungs- und Pflegezeiten voll für die Rente mit an. Alles andere grenzt an Ausbeutung.
Denn es gibt neben den übersensiblen Betreuungsstätten leider - nach wie vor - vollkommen ignorante Eltern, die ihre Kinder einfach nur „abgeben“ wollen.
Denen es ziemlich egal ist, wie sich ihr Kind fühlt und wie krank es ist – und wie groß das Risiko einer Ansteckung (nicht nur für Corona) für andere Kinder auch sein mag.
Aus meiner Sicht waren die Kitas & Co in der Vergangenheit viel zu lax unterwegs. Vielleicht wird das auch deshalb als „überzogen“ wahrgenommen, weil man bisher in der Kinderbetreuung auf Infektionsschutz nur sehr rudimentär geachtet hat?
Das Problem entsteht nur dann nicht, wenn ein Elternteil nicht erwerbstätig ist.
Wenn das der Gesellschaft, der Wirtschaft oder sonstwem nicht gefällt, dann müssen sie sich an die Politik wenden. Allerdings muss man bedenken, dass diese Vorgaben nur konsequent sind, wenn man mit einer derart schweren Krankheit zu tun hat und einem Virus, der sich in nullkommanichts wie ein Flächenbrand verbreitet - oder?
Der unterschiedliche Umgang mit Corona in unterschiedlichen Ländern zum Beispiel ist doch geradezu perfekt, um einen Eindruck von der Wirksamkeit – und der Notwendigkeit – von Gegenmaßnahmen zu vermitteln.
Wer nach Amerika blickt, der lernt schon mal, dass alles besser ist, als Corona zu ignorieren und die Bedrohung kleinzureden.
Tönnies zeigt, wie wichtig Hygiene, Abstand und vernünftige Lebensumstände sind. Corona ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein soziales Thema.
Das Wiederauftreten von Corona in Griechenland nach der Wiederöffnung für den Tourismus zeigt, dass das Virus keine Grenzen kennt. Und regionale/lokale Beschränkungen nur sehr begrenzt Wirkung zeigen können, wenn Mobilität ins Spiel kommt.
Ich gebe Ihnen aber grundsätzlich recht – einiges passt nicht zusammen. Aber wir werden letztendlich von Politik, Bürokratie und Föderalismus gesteuert – und ich fürchte, das ist dann ein Stück weit unvermeidlich.