Ein Zimmer im Seniorenheim mit Blick auf den Main. Für die nun 90-jährige Rosemarie Scheper ein Traum. Gerne beobachtet sie, wie Ruderer in ihren Booten auf dem Fluss vorbeiziehen. Der Anblick wecke in ihr die Sehnsucht nach dem Sport, aber auch sehr viele positive Erinnerungen an vergangene Zeiten. "Das waren meine schönsten Jahre", sagt Scheper und lächelt. Früher saß die 90-Jährige selbst regelmäßig im Ruderboot – und war damals maßgeblich daran beteiligt, gemeinsam mit anderen Frauen im Akademischen Ruderclub Würzburg (ARCW) eine neue Damen-Rudermannschaft zu gründen.
Schon im Kindesalter fühlte sich Scheper "vom Wasser magisch angezogen", sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Die gebürtige Niedersächsin kam durch ihren Beruf nach Würzburg; sie war gelernte Grafikzeichnerin. Über die Arbeit habe sie ihren Mann kennengelernt, so Scheper. Durch ihn kam auch der erste Kontakt zum Ruderclub zustande, da er Freunde im ARCW hatte und den Verein häufig unterstützte. Oftmals hätten ihr Ehemann und sie bei Festen geholfen und Urkunden gezeichnet.
Absage: "Für alte Damen haben wir hier nichts"
Offizielle Mitglieder des Vereins seien sie jedoch erstmal nicht gewesen. Auf die Nachfrage, ob sie dem Club beitreten wolle, habe sie "ich komme nur in den Ruderclub wenn ich auch rudern kann, nicht nur um Feste zu feiern" geantwortet. Die Antwort auf diesen Wunsch – Scheper war damals in ihren frühen Dreißigern – sei negativ ausgefallen: "Nee, für alte Damen haben wir hier nichts."
Eine ehemalige Ruderin, die Frau des damaligen Vorstands, habe ihren Wunsch jedoch ernst genommen und zusammen mit Rosemarie Scheper und weiteren Frauen eine Damen-Rudermannschaft gegründet. Scheper sei es nicht vorrangig darum gegangen, sich in Wettkämpfen mit anderen zu messen, sondern um die sportliche Betätigung in der Natur. Da sie bei ihrem Job viel über den Schreibtisch gebeugt saß, war das Rudern eine willkommene Abwechslung. Teilweise habe das Team auch an internen Rennen teilgenommen, "aber es war nicht so, dass wir so ehrgeizig waren, dass wir unbedingt gewinnen mussten", sagt Scheper. "Das haben wir eher den jüngeren Athletinnen überlassen."
Frauen in Ruderbooten waren damals eine Ausnahme
Als Frau sei es im männlich geprägten Rudersport nicht immer ganz einfach gewesen, erklärt Scheper. Doch dadurch, dass sie mit Brüdern aufgewachsen sei, sei sie sehr resolut gewesen. "Manchmal musste man sich schon blöde Kommentare anhören", sagt sie. Doch davon habe sie sich nicht ärgern lassen. Die Ruderinnen hätten den Männern einmal ein Doppel vorgeschlagen. Die Antwort sei wenig begeistert ausgefallen: "Nein, wie sieht denn das aus?", erinnert sich die 90-Jährige sichtlich amüsiert.
In anderen Ruderclubs habe es teils keine Frauenmannschaften gegeben – Frauen in Ruderbooten seien damals eher eine Ausnahme gewesen. Das hätten die Ruderinnen auch an den Reaktionen im Alltag gemerkt. "Manchmal sind wir am Wochenende an Sportplätzen vorbeigerudert und wenn sich einer der Sportler umgeschaut und unser Boot gesehen hat, haben alle geguckt und gegrölt, das war immer lustig", erzählt Scheper lachend.
Ihr Mann sei dagegen nie in ein Ruderboot gestiegen. Seine Begründung: Er könne es nicht vertragen, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben. "Das habe ich sehr bedauert", sagt Scheper. Obwohl er ihre Leidenschaft fürs Rudern nicht teilte, "haben wir eine sehr gute Ehe gehabt und uns sehr gut verstanden".
Das Seniorenzentrum St. Thekla hat sich die 90-Jährige, die dort früher ehrenamtlich tätig war, selbst ausgesucht. Dadurch wohnt sie nun direkt gegenüber von ihrer "zweiten Heimat", wie sie das Bootshaus des Ruderclubs am anderen Mainufer liebevoll bezeichnet.