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Würzburg/Karlstadt
Eine Spätfolge der Corona-Pandemie: Mehr Kinder in Unterfranken wechseln vom Gymnasium auf die Realschule
Die Würzburger David-Schuster-Realschule nahm in diesem Schuljahr schon 40 Gymnasiasten auf. Auch anderswo in Unterfranken sehen Schulleiter den Trend - und die Ursache.
Zu viel Lernstoff? Immer mehr Schülerinnen und Schüler von Gymnasien in Unterfranken wechseln nach Auskunft von Rektoren in diesem Schuljahr auf die Realschule.  
Foto: Manuela Gehr | Zu viel Lernstoff? Immer mehr Schülerinnen und Schüler von Gymnasien in Unterfranken wechseln nach Auskunft von Rektoren in diesem Schuljahr auf die Realschule.  
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:30 Uhr

Mehr Kinder als früher haben in diesem Schuljahr vom Gymnasium an die Realschule gewechselt oder suchen dort gerade einen Platz. Das berichten Schulleiterinnen und Schulleiter in Unterfranken. Eine offizielle Statistik über die Wechsel wird laut dem unterfränkischen Ministerialbeauftragten für Realschulen, Marcus Ramsteiner, nicht geführt. Aber es gibt Eindrücke, einen Trend erkennen lassen. Und eine immer gleichlautende Erklärung: Corona.

Schwierig wird es, wenn das eigene Lerntempo langsamer ist als von der Schule gefordert

"Wir haben aktuell deutlich mehr Kinder als sonst, die an die Realschule wechseln oder wechseln wollen – vorausgesetzt, sie finden einen Platz", sagt Andrea Schneider, die stellvertretende Schulleiterin des Würzburger Röntgen-Gymnasiums. "Wenn Kinder klar überlastet sind, vom Tempo her einfach nicht mitkommen und ihr eigenes Tempo bräuchten, ist so ein Wechsel auch sinnvoll", sagt Schneider.

Sie spricht da auch von Kindern, für - um den anspruchsvollen Gymnasialstoff zu bändigen - so viele Stunden am Nachmittag lernen müssten, "dass sie die Lust verlieren". Typischerweise würden diese Schülerinnen und Schüler mit der Einführung der zweiten Fremdsprache in der 6. Gymnasialklasse vom Lernstoff überwältigt, sagt Schneider. Viele orientierten sich aber erst in der 7. Klasse um. "Je später der Wechsel erfolgt, umso schwieriger wird es", sagt die stellvertretende Leiterin des Röntgen-Gymnasiums.

David-Schuster-Realschule hat in diesem Schuljahr rund 40 Ex-Gymnasiasten aufgenommen

Wer hat noch Plätze, wer nimmt die Kinder auf, für die das Gymnasium nicht mehr passt? "Deutlich mehr Quereinsteiger als in den Vorjahren" sieht heuer etwa die Würzburger David-Schuster-Realschule. Mit insgesamt 416 Schülerinnen und Schülern ist sie nicht besonders groß. Die rund 40 Neuzugänge, die zum Schuljahresbeginn oder während des ersten Halbjahrs vom Gymnasium kamen, machen da einiges aus. "Wir hatten Neueinsteiger am 7. und am 28. November, am 1. und am 8. Dezember, am 9. und am 16. Januar – und einen ganzen Schwung nach dem Zwischenzeugnis", berichtet Schulleiter Dieter Schanzer.

Je früher der Wechsel vom Gymnasium auf die Realschule, desto besser: Ansonsten müssen Schülerinnen und Schüler viel Stoff nachholen. 
Foto: Manuela Gehr | Je früher der Wechsel vom Gymnasium auf die Realschule, desto besser: Ansonsten müssen Schülerinnen und Schüler viel Stoff nachholen. 

Auffällig in diesem Jahr sei, dass die Schulwechsler oft aus höheren Klassen kämen, der 8. oder 9. Klasse etwa. "Und das macht es schwierig", sagt Schanzer. Denn in der Realschule muss man sich in der 6. Klasse für einen Fächerzweig entscheiden, der in der 7. Klasse startet: Wirtschaft etwa, Mathematik oder Sozialwesen. "Wenn der Wechsel vor oder zur 7. Klasse stattfindet, haben es die Kinder leichter. Kommen sie aus höheren Klassen, müssen sie nachlernen."

"Zu glauben, Gymnasiasten müssten an der Realschule nicht lernen, ist ein Irrtum."
Dieter Schanzer, Leiter der David-Schuster-Realschule in Würzburg

Typischerweise meldeten sich Wechsler aus höheren Jahrgangsstufen am ehesten für den Zweig Sozialwesen an, sagt der Realschul-Leiter. Da seien die Inhalte leichter nachzulernen als etwa im  Wirtschaftszweigs. "Aber lernen muss man", warnt Schanzer. "Zu glauben, Gymnasiasten müssten an der Realschule nicht lernen, ist ein Irrtum." 

Während der Pandemie gab es Sonderregelungen fürs Vorrücken

Wie die Würzburger Schulleitungskollegen sieht Thorsten Stöhr, Leiter der Johann-Rudolph-Glauber- Realschule Karlstadt (Lkr. Main-Spessart), in der Pandemie die Ursache des Wechsel-Trends: "Klar sind das Corona-Nachwehen." Durch die Sonderregelungen sei "während der Pandemie ja kaum ein Kind sitzengeblieben", sagt Stöhr. "Probleme sind da nicht so aufgefallen." Jetzt, wo der Unterricht überall wieder normal laufe, würden die Lernprobleme mancher Kinder sichtbarer.

Der Karlstadter Schulleiter Stöhr hat nachgeschaut, wie viele ehemalige Gymnasiasten heuer in seiner Realschule Aufnahme gefunden haben: "24 Schüler aus umliegenden Gymnasien kamen zu uns, davon neun schon zu Schuljahresbeginn. So viele wie schon lange nicht mehr."

Studien bestätigen hohe coronabedingte Lerndefizite

Dass Kinder während des digitalen Fernunterrichts in der Pandemie teilweise das Lernen verlernt haben und Lerndefizite in Höhe von bis zu 35 Prozent entstanden sind, haben mittlerweile etliche nationale oder internationale Studien bestätigt. Nachvollziehbar also, dass nicht nur überforderte Gymnasiasten am Realschultor stehen, sondern auch überforderte Realschüler an die Mittelschule wechseln wollen. Das berichtet etwa der Leiter der Marktheidenfelder Realschule, Matthias Schmitt: "Auch an unserer Schule kommen Gymnasiasten neu, gleichzeitig gehen aber Kinder an die Mittelschule, so dass unsere Schülerzahl eigentlich stabil ist."

Allerdings haben aktuell nicht alle Realschulen für alle wechselwilligen Schüler unbegrenzte Kapazitäten: Die stellvertretende Leiterin des Röntgen-Gymnasiums, Andrea Schneider, weiß von Würzburger Gymnasiasten, die sich gerade sehr anstrengen müssten, um noch einen Platz zu finden.

Es gibt in Bayern viele Wege zum Abitur

Für die Kinder am wichtigsten ist, dass die Schulart zu ihnen passt. Es gebe mittlerweile sehr viele Wege zur Mittleren Reife oder zum Abitur, sagt Andrea Schneider vom Würzburger Röntgen-Gymnasium. Kinder seien nicht alle gleich, manche bräuchten nach der Grundschule erst ein langsameres Tempo, lernten mit zunehmendem Alter dann aber immer besser. Sie könnten etwa über Einführungsklassen wieder von der Realschule ins Gymnasium wechseln. Und auch an Fachoberschulen streben gute Mittel- oder Realschüler den Weg zum Abitur an.

 
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  • peterlesbub
    Man sollte die Realschule nicht schlechtreden, sie ist eine gute Schulform. Aus meiner eigenen Erfahrung, Realschulabschluss 1972, 3 Jahre Berufausbildung, danach fachspezifisch studiert und die Leute mit Abi vom Grundwissen links überholt. Ging den meisten meiner Abschlusskollegen ähnlich und haben Karriere gemacht. Im Übrigen sollen aktuell die meisten Taxifahrer und Influencer in Deutschland Abi haben.
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  • susorf20512503
    Gymnasien sind eben nicht für jeden die richtige Schulform bzw. nicht in jungen Jahren. Wir haben mittlerweile Gott sei Dank ein nicht nur nach "unten" durchlässiges und flexibleres Schulsystem. Derjenige, der in seiner Adoleszenz an einer bestimmten Schulform "scheitert", hat später noch genug Möglichkeiten, jegliche Art von Abschluss nachzuholen - und dann eben aus eigenem Antrieb und dementsprechender Motivation und nicht, weil es dem Wunsch der Eltern entspricht, wie es oft der Fall ist.

    Wer heute noch dem Irrglauben anhängt, dass die Art des Abschlusses etwas über Intelligenz aussagt, dem ist nicht mehr zu helfen.

    Die Noteninflation, die sich seit Jahren beobachten lässt, führt doch sowieso dazu, dass man schulische Leistungen nicht mehr so ernst nehmen kann.
    Dinge, die fürs Leben, beruflichen Erfolg eingeschlossen, wichtig sind, lernt man doch am ehesten außerschulisch.
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  • kafrumbi
    Toller Kommentar!
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  • r.kerber@web.de
    Wie viele Leute jetzt hier wissen wollen, dass das Verlassen des Gymnasiums vieler Schüler keine Folge der lange Schulschloeßungen in Folge der Corona-Hysterie und des schlechten Distanzunterrichts ist, sondern dass diese Schüler am Gym sowie überfordert waren und da gar nicht hingehörten. Letztendlich goutieren sie damit diese verfehlte Politik.
    Unser Kind kam mit einem Notendurchschnitt von 1,0 aufs Gymnasium. Dort ging es dann mit einem Schnitt von etwas 1,5 bis 2 recht gut weiter.
    Jetzt, in der 11 Klasse, nach langen Schulschließungen in der 8. und 9. Klasse, sind wir bei ca. 3,5. Das ist schon ein krasser Unterschied, der sicherlich nicht vorhanden wäre, hätte man die Kinder nicht aus der Schule ausgesperrt.
    Schüler die vor der Aussperrung vielleicht etwas schlechter waren als unser Kind, liegen jetzt vielleicht bei 4-5 und müssen deshalb die Schule wechseln. Womöglich müssten sie das ohne den Bildungsabbruch durch die Schulschließugen nicht machen.
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  • Steffenhe@web.de
    Wie schon einige schrieben, gute 40% der Schüler sind auf der falschen Schule.
    Ein Abi von 1.6 und nicht mal ein Brett an ne Wand schrauben können 😂
    Kenne einige so Spezialisten.
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  • ralfestenfeld@aol.com
    Die rigide Schulschließungspolitik und die verherrlichte Home-Schooling-Aktion haben entscheidend dazu beigetragen, dass hier junge Menschen schlicht nicht mehr "mitgekommen" sind. UND natürlich gibt es immer auch junge Menschen, die den Ansprüchen des Gymnasiums nicht gerecht werden (können), aber der Kern liegt im Ersteren. Diese negative Entwicklung steckt auch nicht nur im Rückweg Richtung Realschule, vielmehr sind in allen Schularten junge Menschen "auf der Strecke geblieben".
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  • stefan.mantel@gmx.net
    Wieder mal eine Chance vertan, um Lehrpläne zu entrümpeln. So viel Stoff wie Bayern muss kein Schüler in einem anderen Bundesland lernen. Statt die Kinder zu überfordern, sollte das Kultusministerium da mal ansetzen
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  • engert.andreas@gmx.de
    So viel Stoff wie heute in der Schule noch vermittelt wird - den hatte vor 20 Jahren ein Gymnasiast nach der 10. Klasse geschafft!
    Mit jedem neuen Lehrplan wird „Stoff entrümpelt“ - am Ende bleibt immer weniger übrig!
    Es fehlt bei vielen eine Bereitschaft, dich anzustrengen, Leistungswille - alles Fremdwörter geworden! Und - was hier schon mehrfach angemerkt wurde: es sind teilweise Kinder schlicht auf der für sie falschen Schule!
    Soll der Stoff reduziert werden - dass er sich dem sinkenden Leistungsniveau anpasst? Oder sehen wir endlich ein, dass nicht für jedes Kind das Gymnasium die richtige Schule ist!?
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  • stahl01@t-online.de
    Ich kann mich nur meinen Vorschreibern anschließen - viel zu oft wird Gymnasium angepeilt - obwohl Realschule besser wäre.
    Vielleicht sollte man auch sehen, nicht nur Noten sind wichtig - sondern auch zu lernen mit schweren Lebensumständen umzugehen. Da brauchen die Jugendlichen etwas das ihnen aufgezeigt wird. Man sieht doch anhand der Ukraine wie sich Lebensumstände völlig verändern können.
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  • Margarete-wuestner@web.de
    Für was man Corona alles verantwortlich machen kann???
    Wohl nur für die vielen toten Menschen und für die Menschen mit körperlichen Spätfolgen!
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  • vogel.dietmar@outlook.com
    Leider wird vergessen wie lange die Kinder auf sich alleine gestellt waren, nicht jeder hatte Eltern daheim und so manche Schule hat nicht mal einen ordentlichen Distanzunterricht zustande bekommen. Wochenweise Arbeitsaufträge schicken die die Kinder selbst erarbeiten sollten führt zwangsläufig zu Lücken. Das wird nur leider jetzt vergessen!!!!!
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  • jebusara@web.de
    Wie viele dieser Kinder waren sowieso überfordert?

    Wer intelligent ist geht auf das Gymnasium und schafft das ohne Elternhilfe, ohne Nachhilfe, schafft die Schuljahre ganz allein und macht letztendlich ein gutes Abitur. So sollte das sein! Alles andere ist Drill! Das auch während und nach der Coronazeit Kinder versetzt werden und sogar Abitur geschrieben haben bzw schreiben werden zeigt, dass dies auch in und nach einer Pandemie möglich ist. Es fallen schliesslich nicht alle durch oder wechseln auf die Realschule. Es fallen nur die durchs Raster die sowieso die falsche Schulform besucht haben.
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  • eddy3001
    Kann man so sehen, muss man aber nicht.
    Wenn man Dinge nicht ordentlich beigebracht bekommt, kann man es auch nicht lernen.

    Aber Pauschale Aussagen sind hier ja des öfteren zu lesen.
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  • hausgarten
    Das ist nicht die Spätfolge von Corona, sondern der Tatsache geschuldet, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder in Bayern nach der 4 Klasse auf das Gymnasium geht - egal ob geeignet oder nicht geeignet. Bei den Schülern die wieder vom Gymnasium auf die Realschule wechseln hat sich wohl gezeigt, dass diese trotz Mamas und Papas Stolz nicht für das Gymnasium geeignet waren.
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  • fleischmo@arcor.de
    Und sie lebt wieder - die Hoffnung der deutschen Wirtschaft, vorallem der Pflege und des Handwerks, auf eigene geeignete Fachkräfte.

    Kommt der Schulwechsel zur rechten Zeit oder gehen die Schüler*innen gar einen Jahrgang zurück, so wird es sicherlich etwas leichter - und lebensnaher.

    Um in der Welt da darußen zu bestehen, braucht es kein Abitur. Es braucht vielmehr Realitätsnähe und lebensnahen Unterricht.

    Wer sich nicht alles mit dem Geld der Anderen leisten kann, muss selber zum Handwerkszeug greifen. Theoretisches Wissen über Goethe, Schiller, Gott und die Welt hilft da nicht weiter.

    Vielleicht hatte Corona in diesem Sinne sogar was Gutes.
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  • Einwohner
    Es werden einfach zunächst alle aufs Gymnasium geschickt und dann darauf vertraut, dass es schon irgendwie klappt. Dann runter auf die Realschule oder noch weiter durchgereicht. Ein toller Start ins Leben mit einer negativen Karriere. Besser unten anfangen und positiv nach oben arbeiten.
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  • frank.deubner@gmx.de
    Da selbst Lauterbach mittlerweile Maßnahmen wie die überlangen Schulschließungen als Fehler bezeichnet, könnte sich auch die Mainpost ehrlich machen: Es sind nicht die Spätfolgen der Pandemie, sondern der speziellen Maßnahmen in Deutschland.
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