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ESTENFELD
Ein neues Rathaus im alten Stall
Volles Haus bei der Ratssitzung: Die 60 Zuhörer saßen teilweise im Vorraum. Bürgermeisterin Rosi Schraud hatte für sie extra eine Lautsprecheranlage aufstellen lassen.
Foto: Guido Chuleck | Volles Haus bei der Ratssitzung: Die 60 Zuhörer saßen teilweise im Vorraum. Bürgermeisterin Rosi Schraud hatte für sie extra eine Lautsprecheranlage aufstellen lassen.
Guido Chuleck
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:34 Uhr

Er soll tatsächlich Wirklichkeit werden: der Neubau des Rathauses auf dem Areal des Wirtschaftshofes der Kartause in Estenfeld. Die Entscheidung dafür fiel knapp aus: Mit 9:8 stimmte der Gemeinderat nach einer 90-minütigen und teils emotionalen Debatte, die von gegenseitigen Vorwürfen geprägt war, dem Antrag der SPD- und UWG-Fraktion zu. So wurde der Grundsatzbeschluss gefasst, ein Kultur- und Verwaltungszentrum in die Stallgebäude zu integrieren und falls nötig mit einem Anbau zu ergänzen. Die Zukunft des funktionierenden, dann aber leerstehenden Rathauses, das auch die Verwaltungsgemeinschaft mit Eisenheim und Prosselsheim beherbergt, bleibt erst einmal offen.

Bürgerbegehren auf den Weg gebracht

Ob die alte Kartause aber auch tatsächlich zum neuen Rathaus der Estenfelder wird, steht in den Sternen. Denn bereits vor der Beschlussfassung haben engagierte Bürger ein Bürgerbegehren initiiert und innerhalb einer Woche die dafür notwendigen Unterschriften gesammelt, um einen Bürgerentscheid gegen den Gemeinderats-Beschluss auf den Weg zu bringen.

Dass das gesamte Areal ein „singuläres Denkmal, der historisch bedeutsamste Ort der Gemeinde und ein Juwel mit einer Wirkung weit über die Gemeindegrenzen hinaus“ sei, hatte Michael Hauck, ehemaliger Dombaumeister in Köln (drei Jahre) und Passau (vier Jahre), bei der Präsentation seines Konzeptes über eine mögliche Nutzung im November gesagt. Er hatte die Zukunft der Kartause auf vier Säulen gestellt: gemeindliche Nutzung (beispielsweise als Veranstaltungssaal), überörtliche Kulturangebote, Pflege der Garten- und der traditionellen Handwerkskultur.

UWG beklagt fehlende Absprache mit dem Gemeinderat

Mit dreien davon könnten sich auch SPD und UWG anfreunden, sagte Joachim Sadler (SPD) in der Stellungnahme seiner Fraktion. Doch anstelle des Handwerks (eine Fortbildungsstätte der Handwerkskammer mit Übernachtungsmöglichkeit für Auszubildende) wollen die beiden Fraktionen dort ein Verwaltungszentrum bauen. Sie störten sich am „kategorischen Nein“ von Hauck zu einem Verwaltungszentrum. Wenn es möglich sei, dort Übernachtungsmöglichkeiten, Kantine und Werk- oder Ausbildungsstätten unterzubringen, dann auch eine Verwaltung. „Kein moderner und wuchtiger Gebäudeklotz anstelle der Ställe, sondern der Erhalt des Komplexes in seiner charaktergebenden Gesamtheit“, so Sadler weiter. Die „unansehnlichen Lager- und Maschinenhallen“ könnten einem Informationszentrum mit Archiv weichen, um auch die „prekäre Raumsituation des gegenwärtigen Rathauses“ in den Griff bekommen.

Die Idee einer „zentralen Begegnungsstätte mit kulturellem und sozialem Aspekt“ als Ortsmittelpunkt sah Rainer Galm (UWG) für seine Fraktion als „Auftrag und Ziel“. Werkstätten für Fortbildungskurse des Handwerks müssten hoch ausgelastet sein, um wirtschaftlich zu sein. Zudem sah er ein „Konfliktpotenzial bei Unterbringungsmöglichkeiten an einem Ort, an dem Feste und öffentliche Veranstaltungen stattfinden sollen“. Er sehe das Konzept von Hauck als „allerersten Entwurf“ und vermisse eine Absprache mit dem Gemeinderat.

Voruntersuchungen zum Gebäudezustand fehlen

„Viele Wünsche der Bürger sind berücksichtigt, aber der Anforderung nach einem barrierefreien und attraktiven Verwaltungszentrum wurde kategorisch nicht Rechnung getragen“, so Galm. Weiterhin kritisierte er, wie Sadler auch, das Fehlen der Ergebnisse der Voruntersuchungen über den Gebäudebestand. Die, entgegnete Bürgermeisterin Rosi Schraud, seien der Gemeinde am Tag der Sitzung zugegangen. Auch für sie sei es zwar „reizvoll“, dort ihr Domizil zu beziehen. „Aber wir haben ein funktionierendes Rathaus“, machte sie deutlich.

Dass in dieser Sitzung eigentlich ergebnisoffen über die Nutzung diskutiert werden sollte und sich der Rat nun stattdessen mit diesem konkreten Antrag beschäftigen musste, bedauerte Silvia Fischer (CSU). „Wir haben ein Konzept und keine Vorgabe zur Bearbeitung vorgelegt bekommen. Schade, dass wir jetzt nicht dazu kommen“, sagte sie. Durch ein Rathaus auf dem Areal, sagte CSU-Fraktionssprecher Albin Wolz, „geht in der Kartause vieles an Nutzungsmöglichkeiten für die Bürger und Vereine verloren“. Die Vorteile für das Konzept seien die verschiedenen Standbeine. „Das Areal bleibt in Gemeindehand, und die Hofanlage bleibt erhalten“, so Wolz weiter. „Ich sehe auch eine Refinanzierungsmöglichkeit von Unterhaltskosten durch Vermietung, etwa durch das Handwerk.“

CSU wirft SPD und UWG „parteipolitisches Kalkül“ vor

Er regte eine erneute Bürgerbeteiligung an, wie sie es bereits im ISEK-Verfahren als Vorstufe der Städtebauplanung gegeben hatte, um einen Planungswettbewerb durchzuführen. In der Stellungnahme der CSU kritisierte Andreas Förster den UWG/SPD-Antrag aufs Schärfste. Er warf beiden Fraktionen „parteipolitisches Kalkül“ vor, „eine schlechte Grundlage für ein so weitreichendes Konzept, da hätten wir uns die 60 000 Euro dafür sparen können“.

Das Rathaus sei nicht baufällig, und es fehle eine Bedarfsermittlung, so Förster weiter. Auch seien Kosten und eine Nachnutzung ungeklärt.

Die Absicht der SPD sei „leicht zu durchschauen: eine Möglichkeit, um das schlüssige Gesamtkonzept der CSU für den gesamten Altort zu verhindern. Dass sich die UWG bedingungslos diesem Antrag anschließt zeigt, wie wenig unabhängig diese Fraktion geworden ist“, so Förster. Ein Vorwurf, den die angegriffenen Fraktionen von SPD und UWG zurückwiesen und schließlich mit ihrer Mehrheit von einer Stimme den Grundsatzbeschluss herbeiführten.

In diese ehemaligen Stallgebäude soll nach dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates Estenfeld das Rathaus integriert werden, mit einem Anbau dahinter bei Bedarf.
Foto: Guido Chuleck | In diese ehemaligen Stallgebäude soll nach dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates Estenfeld das Rathaus integriert werden, mit einem Anbau dahinter bei Bedarf.
 
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  • blickfang
    Eine nachhaltige Erschließung des Kartauseareals für die Bürger, sollte im Interesse für Estenfeld sein. Was nutzt eine Nutzung durch z.B. der Handwerkskammer? Der Bürger kann dann nur über die Mauer schauen oder wenn überhaupt ab und zu Exponate an Ausstellungstage besuchen. Auch ist es wunderlich dass eine Rathauserweiterung geplant ist und kein m² ist im Besitz der Gemeinde ist.
    Die Erweiterung über das ehemalige Schwesternwohnhauses ist auch abenteuerlich, da auch hier historische im Gebäude oder in der Fläche zu vermuten ist.
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  • waldtom1
    Ich denke dass langfristig eine Rathauserweiterung auf dem Gelände des alten Kindergartens günstiger ist, vor allem wegen der zu erwartenden Auflagen des Denkmalschutzes in der Karthause.
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