
Marc Haselbach ist in Fahrt. Wenige Tage vor dem Ausstellungstermin zu seiner "Ochsenfurter Wunderkammer" am 23. und 24. Juli gilt es neben dem täglichen Handwerk des Wundersammelns auch die Veranstaltung selbst vorzubereiten. Der diplomierte Bildhauer hat dafür aus allerlei verfügbaren Materialien ein maßgefertigtes Regal entworfen, das als Panoptikum die zusammengetragenen Wunder präsentieren soll.
Nicht ganz 24 Stunden Zeit hat der Berliner, der im Auftrag des Museums für Franken und als Gast der Stadt Ochsenfurt in der sogenannten Zuckerstube logiert, um nach dem finalen Abgabetermin am 22. Juli um 18 Uhr alles für die Ausstellungseröffnung am 23. Juli um 17 Uhr vorzubereiten. Ein Spagat, den Haselbach jedoch mit sichtlicher Begeisterung betreibt: "Zur Zeit kommen täglich ein bis zwei Wunder. Das geht richtig ab. Eigentlich müsste man noch eine Woche dranhängen, aber ich muss irgendwann auch mal wieder nach Hause."
Zu den "Tagen der Wunder" werden neben den Wundergeberinnen und Wundergebern am 23. Juli um 17 Uhr auch der Direktor des Museums für Franken, Jörg Meißner, und am 24. Juli um 14 Uhr Ochsenfurts Bürgermeister Peter Juks (UWG) kommen. Für alle, die sich wundern, welcher Art Wunder der Künstler seit dem 20. Juni habhaft werden konnte, präsentiert er fünf seiner schönsten Exponate und ihre Geschichte.
1. Vom militaristischen Sperrmüllopfer zum Star der Tischgesellschaft

Das "Adlerwunder" war eines der ersten, die Haselbach nach seiner Ankunft in der Brückenstraße zugetragen wurde. Seine Besitzerin – die Ochsenfurter Malerin Claire Wimmer – war es auch, die die Adler-Statue vor gut 20 Jahren von der Straße vor dem Abtransport mit anderem Sperrmüll bewahrte. Zwar habe ihr das ursprünglich nationalistisch-militaristische Gewand des Vogels, der mit amerikanischen Emblems versehen war und wohl einem Soldaten gehört hatte, nicht gefallen, aber der abgebrochene Schnabel habe ihn ihr doch sympathisch gemacht. Zu Hause verpasste sie ihm kurzum ein "pazifistisches Kleid" aus geometrischen Ornamenten.
Im Laufe der Jahre bekam der "Pleitegeier", wie er mittlerweile liebevoll getauft worden war, zudem eine Rolle in der Stadtgesellschaft. An Sommerabenden war es lange Brauch, gesellig in der Hauptstraße beisammen zu sitzen. Der Adler diente dabei als Deko, bis Wimmer die Idee kam, ihn zu einem Kerzenständer aufzuwerten. Von da an war er von der Tischgesellschaft nicht mehr wegzudenken und spendete den Versammelten romantisches Kerzenlicht.
2. Die schönste Rose Ochsenfurts

Auch das "Rosenwunder" erhielt Haselbach schon ganz zu Beginn seiner Zeit in Ochsenfurt. Gestiftet hat es der fünfjährige Ochsenfurter Jannik. Der kam einmal mit seiner Kindergartengruppe an der Zuckerstube vorbei, woraufhin der Künstler ihm und den anderen Kindern seine Wunderkammer erklärte. Die Kinder staunten über die Auslage auf Haselbachs "Wundertisch" und bestürmten ihn gleich mit Berichten über ihre persönlichen Wunder. Als die gleiche Kindergartengruppe am nächsten Tag auf dem Weg in die Bibliothek wieder an dem 52-Jährigen vorbeispazierte, hatte jedoch nur Jannik daran gedacht, auch wirklich ein Wunder mitzubringen.
Es war ein Rosenblatt, das er Haselbach mit der Bemerkung "Wunder" unter die Nase hielt. Auf die Frage, was denn daran so wunderbar sei, erklärte er dem Künstler: "Wir haben die schönste Rose von ganz Ochsenfurt in unserem Garten." Eine mit feierlichem Ernst getroffene Aussage, die ihm direkt einen Platz in der Ochsenfurter Wunderkammer garantierte. Die versprochene Zeichnung der besagten Rose hofft Haselbach bis zum "Tag der Wunder" noch zu erhalten.
3. Die Friedenswuschel reisen um die Welt

Tanja Ranke ist in den Sozialen Netzwerken zu Hause. Dort stieß sie auch auf die Anleitung für farbenfrohe Wollknäuel mit lustigen Fransen. Beeindruckt hat Haselbach Rankes Idee, die Basteleien als "Friedenswuschel" an Kinder in aller Welt zu senden. Afrika, Amerika, Asien und auch das europäische Ausland beglückte sie bereits mit ihren Wuscheln, die sie immer mit einer Bauanleitung verschickt, damit die Kinder vor Ort sie nachbasteln können.
Unterstützung beim Versand der Pakete erhält die 52-Jährige dabei auch von anderen Ochsenfurterinnen und Ochsenfurtern. Dass sie auf diese Weise Kontakte zu Menschen in aller Welt knüpfen konnte, ist für Ranke das Wunder, das sie mit ihren lustigen Wuscheln verbindet.
4. Das gerettete Bild

Die Ochsenfurterin Frederike Ludwig erkannte in einem Sozialkaufhaus ein in den 1950er Jahren entstandenes Aquarellgemälde des Ochsenfurter Malers Willi Freund. Sie fürchtete, dass die Ansicht des Frickenhausener Maintors an Leute geraten könnte, die mehr auf den Rahmen als auf das Bild selbst aus sein könnten, und beschloss, es für ihre eigene Wohnung zu erwerben und damit zu retten. Die Entscheidung, das Bild auf diese Weise zu bewahren, macht es für die 67-Jährige und auch für Haselbach zu einem Wunder. Sie sei daher zurecht stolz darauf, weshalb der Künstler auch einige Mühe hatte, sie zu überreden, ihm das Bild bereits im Vorfeld der "Tage der Wunder" für seine Wunderkammer zu überlassen.
5. Ein Bär geht auf Reisen

Bei dem "Bärenwunder" handelt es sich um einen kleinen Plüschbären, den eine Marktbreiterin ihrem Gatten Frank Greim für dessen weite Dienstreisen schenkte. Als Glücksbringer sollte der Bär ihn gleichzeitig an sie erinnern. Greim hütete ihn wie seinen Augapfel, weil er wusste: "Wenn ich den verliere, ist die Hölle los." Doch eines Tages war er zu einem überstürzten Aufbruch gezwungen und der Bär blieb zurück auf dem Kissen des Hotelbetts – "mitten in der tiefsten russischen Pampa". Wieder zu Hause, musste man sich traurig damit arrangieren, dass der Talisman wohl unwiederbringlich verloren war.
Dabei hatte man die Rechnung jedoch ohne die Betreiber des abgelegenen Hotels gemacht. Diesen schien bewusst zu sein, dass es sich bei dem Kuscheltier um etwas handeln musste, an dem das Herz ihres Gastes hing. Sie recherchierten also die Geschäftsadresse des russischen Ablegers der Firma des Mannes und sandten den Bären nach Sankt Petersburg. Von dort wurde er weiter nach Kitzingen geschickt und gelangte schließlich wieder zurück nach Marktbreit. Eine wundersame Reise, die aus dem bereits zuvor geliebten Bären ein wahres Wunder machte.