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Würzburg
Ein Jahr Fußgängerzone Theaterstraße: Noch zu viel Verkehr
Knapp 500 Busse am Tag und uneinsichtige Autofahrer verhindern eine Flaniermeile und die Geschäftsleute sind nicht zufrieden. Doch es gibt auch eine positive Nachricht.
Die Fußgängerzone in der unteren Theaterstraße ist noch in der Probezeit - und verbesserungswürdig.
Foto: Fabian Gebert | Die Fußgängerzone in der unteren Theaterstraße ist noch in der Probezeit - und verbesserungswürdig.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:46 Uhr

Seit gut einem Jahr ist die untere Theaterstraße Fußgängerzone. Oder sollte sie zumindest sein. Doch wegen der knapp 500 Busse, die dort täglich fahren und etlicher Autofahrer, die noch immer das Durchfahrtsverbot ignorieren, ist sie keine Flaniermeile wie die benachbarte Eichhornstraße. Bisweilen ist sie sogar ein gefährliches Pflaster.

Als eine Mitarbeiterin des städtischen Verkehrsüberwachungsdienstes vor ein paar Wochen einen Autofahrer kontrollieren wollte, der verbotswidrig in der Fußgängerzone unterwegs war, gab dieser plötzlich Gas, die Kontrolleurin stürzte und verletzte sich, der Fahrer flüchtete. Norbert Deßloch von der Anlieger-Interessengemeinschaft "Galerie Theaterstraße" und Geschäftsinhaber berichtet, dass Ende vergangenen Jahres ein Mitarbeiter seines Geschäfts einen komplizierten Bruch erlitt, als ihm ein Autofahrer beim Überqueren der Straße über den Fuß und danach weiter fuhr.       

Die Stadtverwaltung: Situation ist nicht zufriedenstellend

Wildwest-Atmosphäre just in der Straße, die durch die Umwandlung zur Fußgängerzone  verkehrsberuhigter und als Einkaufsstraße attraktiver  werden sollte? Ganz so ist es nicht, doch die Ein-Jahresbilanz fällt durchwachsen aus. Es sei zwar positiv, dass der Autoverkehr nach Einschätzung der Gewerbetreibenden geringer geworden ist - "von einer Fußgängerzone kann man aber vor allem aufgrund des Busverkehrs  trotzdem noch nicht sprechen", so Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern (HBE) gegenüber der Redaktion. Die Unternehmen - rund 40 Gewerbetreibende - seien bislang eher enttäuscht und hätten sich die Fußgängerzone anders vorgestellt.           

Noch etliche Autofahrer ignorieren das Durchfahrtsverbot in der unteren Theaterstraße. 
Foto: Thomas Obermeier | Noch etliche Autofahrer ignorieren das Durchfahrtsverbot in der unteren Theaterstraße. 

Und welche Bilanz zieht die Stadtverwaltung? Es habe zahlreiche positive Rückmeldungen gegeben, aber auch viele Beschwerden, vor allem am Anfang und wegen des Verkehrs, erklärt Rathaus-Sprecherin Claudia Lother: "Trotz Nachbesserung bei der Beschilderung und regelmäßiger Kontrollenist die Situation, dass immer noch viele Autofahrer verbotswidrig durch die Fußgängerzone fahren, nicht zufriedenstellend." Durchschnittlich acht bis neun Autofahrer würden die städtischen Verkehrsüberwacher täglich kostenpflichtig verwarnen. Das bedeutet allein in diesem Jahr rund 700 Knöllchen, die aber offenbar nicht genug abschrecken. 

"Von einer Fußgängerzone kann man vor allem aufgrund des Busverkehrs noch nicht sprechen."
Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern 

"Vor allem in der Rushhour am Abend" macht Norbert Deßloch regen Autoverkehr aus. "Ich finde das ignorant von den Autofahrern, nicht zuletzt wegen der Abgase, die wir täglich einatmen müssen." Schließlich sollte mit der Fußgängerzone auch die Luft besser werden. Zuvor passierten täglich rund 1800 Autos die untere Theaterstraße. Zudem moniert Dessloch, dass sich kaum einer der Busfahrer an die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit halte.      

Ein Jahr Fußgängerzone Theaterstraße: Noch zu viel Verkehr
Foto: MP-Grafik Heike Grigull

Der rege Busverkehr führt dazu, dass Passanten nicht auf der Straße, sondern nur auf dem Bürgersteig laufen. Und zudem ist es schwer, die Fußgängerzone vom Erscheinungsbild her als solche überhaupt zu erkennen. Dem Ambiente dienen lediglich ein paar mobile Pflanzen in orangefarbenen Blechkisten mit Sitzgelegenheiten dazwischen.

Demnächst Thema bei den Stadträten

Dass vorerst keine größere Umgestaltung wie in der Eichhorn- und  Spiegelstraße geplant ist, hatte die Stadt allerdings von Anfang an klar gemacht. Zum einen soll einmal die Straßenbahnlinie 6 durch die Theaterstraße geführt werden, wo dann ohnehin Umbauten anstünden. Zum anderen hat die Stadt die Fußgängerzone nur auf Probe eingerichtet. 

Hat sie ihre Probe bestanden? Diese Frage der Redaktion beantwortet das Rathaus mit dem Satz: "Über eine dauerhafte Lösung ist noch keine Entscheidung getroffen." Demnächst würden sich die Stadträte mit dem Thema befassen.

Positiv: Derzeit kein Leerstand bei den Geschäften

In der Bilanz ist auch Positives zu vermelden: Es gebe Zuwachs in der Gastronomie, vier Geschäfte seien neu belegt, im Moment herrsche kein Leerstand, berichtet Katja Meißner vom Handelsverband. Das sei eine gute Signalwirkung. Und dass trotz der Verbotssünder viel weniger Autos als zuvor fahren, sehen alle Beteiligten als Gewinn.       

"Dass wir die Einführung einer Fußgängerzone nach wie vor ausdrücklich begrüßen", schreibt denn auch die Interessengemeinschaft untere Theaterstraße an Oberbürgermeister Christian Schuchardt, möchte aber eine Verbesserung der jetzigen Situation und eine attraktivere Einkaufsstraße haben. 

Sie sollen wiederkommen: Blumenpyramiden wie zur Zeit der Landesgartenschau wünscht sich die Interessengemeinschaft untere Theaterstraße. 
Foto: Gartenamt/Lampert | Sie sollen wiederkommen: Blumenpyramiden wie zur Zeit der Landesgartenschau wünscht sich die Interessengemeinschaft untere Theaterstraße. 

So macht die Interessengemeinschaft in dem Schreiben verschiedene Verbesserungsvorschläge. Unter allem wolle man den "Theaterstraßen-Platz" vor der Parfümerie Dessloch für Veranstaltungen nutzen. Und Blumen-Pyramiden, wie sie schon während der Landesgartenschau aufgestellt waren, würden die Straße einladender machen.  

Eine zeitweilige Entspannung ist in Sicht

Zumindest eine zeitweilige Entspannung erhoffen sich die Geschäfte und Anlieger durch die geplante Baustelle in der Haugerpfarrgasse. Dort sollen Versorgungsleitungen und Kanäle saniert werden, zudem an der Kreuzung Haugerpfarrgasse/Bahnhof-/Textorstraße ein Kreisverkehr entstehen. Dadurch können dort auch keine Busse zur Theaterstraße fahren. Wo sie  dann verkehren, steht nach Auskunft der Stadt voraussichtlich erst im Sommer fest.

Was jetzt schon feststeht: Nach der Fertigstellung der Fußgängerzone Eichhorn-/Spiegelstraße Ende Mai/Anfang Juni werden dort wieder die Buslinien 6 und 16 fahren. Das sind täglich rund 130 Fahrten, die in der unteren Theaterstraße wegfallen.      

Würzburger Fußgängerzone
Die Würzburger Fußgängerzone hat eine lange Geschichte. Ab 1972 wurde sie schrittweise eingeführt und immer wieder erweitert. Sie erstreckt sich im Wesentlichen in der Innenstadt aus Richtung Norden von der Kaiserstraße über die Juliuspromenade, Schönbornstraße, Kürschnerhof und Domstraße bis zu Alter Mainbrücke und Augustinerstraße. Dazu sind der Marktplatz und angrenzende Gassen autofrei. 2014 wurde ein nur 80 Meter langes Stück der Hofstraße zwischen Neumann-Promenade und Maxstraße zu einer der kürzesten Fußgängerzonen der Republik. Seit Ende 2017 ist die Eichhornstraße autofreie Flanierzone. Damit verbunden ist die entsprechende Umgestaltung der abzweigenden Spiegelstraße. Diese soll Anfang Juni fertig sein. Seit März vergangenen Jahres ist die untere Theaterstraße probeweise Fußgängerzone. Die Würzburger Fußgängerzone ist insgesamt über 60 000 Quadratmeter groß.         
 
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Kommentare
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  • ermahirsch@aol.com
    das mit der Kontrolle ist ein Witz! Während die 2 Mitarbeiter ein Auto anhalten und dann minutenlang mit den Insassen diskutieren bis endlich den Strafzettel schreiben fahren 3 weitere Autos unbekümmert vorbei! Warum überwacht man die Einfahrt nicht mit einer Kamera und der Fahrer bekommt 2 Tage später den Strafzettel?
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  • reutjo
    Sperrt den "sg. Bischofshut" doch zu.........

    dann habt Ihr Eure Ruh !
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  • jwh-58
    Ich bin querschnittsgelähmter Rollstuhlfahrer, in Würzburg geboren und seit 2002 im Landkreis Hassberge wohnhaft. Meine "Blaue Karte" berechtigt mich zu den Be- und Entladezeiten in die Fußgängerzone einzufahren. Leider sind zu dieser Zeit die Geschäfte meistens geschlossen. Da bringt mir der sog. Nachteilsausgleich bei der Rest-Mobilität so gut wie gar nichts. Jetzt regen sich Würzburger Bürger auch noch über die Busse auf. Was wollt ihr eigentlich noch? - Fürmich ist die riesige Fußgängerzone, eher ein bösartiges Krebsgeschwür, das hinten und vorne nur Schwergehbehinderte mit Merkzeichen aG ausschließt.
    So sieht jedenfalls keine Barrierefreiheit aus. Man hat eben nur die Arschkarte gezogen. Eure Sorgen möchte ich haben.
    Querschnittsgelähmte haben keine Chance, aber wir sollen sie nutzen.
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  • schneiderassa
    Die kürzeste Fussgänger Zone ist die Treppe an der Saalgasse 11 m plus Rondell 5 m Mainpost Amtliche Bekanntmachungen vom 02.04.2015. Die zweitkürzeste Fußgänger Zone ist Burkarder Kirche bis Cafe Kairo 35 m
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  • Franken48
    Ich fuhr auch schon in die Straße. Die Verbotsschilder sah ich nicht. Schaute nach einer bestimmten Hausnummer. Busse und PKW fuhren vor mir.
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  • robertkremling@web.de
    Völlig dämlich dieses Verkehrskonzept, wenn man bedenkt, dass man in der Spiegelstraße alles neu macht und dann trotzdem durch eine "Fußgänger"zone Busse fahren lässt.
    Da fasst man sich doch an den Kopf!
    Die Straßenbahn lasse ich mir ja eingehen durch die Stadt, denn das lässt sich nicht mehr so leicht ändern und macht auch Sinn, aber durch Fußgängerzonen Busse fahren zu lassen ist einfach nur bescheuert.
    Klar, dass da ab und zu, gerade Auswärtige, einige hinterher fahren.
    Das müsste baulich und Beschilderungstechnisch ganz anders gelöst werden.
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  • al-holler@t-online.de
    Verkehrs"konzept" - in Würzburg? Wie bitte und vor allem wo??
    Des is doch im Grafeneckart ein Freeeemdwort!!
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  • Laeufer61
    Diese Feststellung...

    ...Zitat Volker Wedde: "Von einer Fußgängerzone kann man vor allem aufgrund des Busverkehrs noch nicht sprechen." trifft den Nagel auf den Kopf.
    Es gibt in WÜ keine echte Fußgängerzone zum gemütlichen flanieren!
    Durch Augustiner-, Dom-, Schönborn- und Kaiserstr. fährt die Straba. Die Mehrzahl der Fußgänger drängt sich auf den vormaligen Gehsteigen da in der Straßenmitte immer auf eine nahende Bahn geachtet werden muß.
    Die Stadtplaner haben ja nicht einmal darauf verzichtet, die Busse 6 und 16 so wie bisher durch Spiegelstr. über Dominikanerplatz zu führen obwohl da eine neue sog. "Fussgängerzone" gebaut wird.
    Das einzige Stück ohne Bus- oder Strabalinie ist die Eichornstr. Und auch da kann man als Fussgänger (vor allem bis mittags) sich wie ein Hase Hakenschlagend durch die von vorne und hinten kommenden Fahrzeuge schlängeln.

    MfG
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